Thomas Ostwald

MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur


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trug einen höchst sonderbaren Schmuck, der fast das Aussehen eines schmalen Turbans hatte. Es war eine aus zwei malerisch gewundenen bunten Tuchstreifen bestehende Stirnbinde. Die in zwei Zöpfen mit kleinen Silbermünzen, länglichen Muscheln und farbigen Bandstreifen durchflochtenen Haare hingen zu beiden Seiten des Kopfes über die Schultern herab. Die getrocknete, glänzende Haut einer Klapperschlange schlang sich durch die Falten der Stirnbinde, und sowohl die Schwanzklappern als auch der mit spitzigen Zähnen bewehrte Kopf des Reptils lagen zwischen den Haaren auf den Schultern, wodurch der Eindruck einer eigentümlichen Wildheit erweckt wurde.“ (Bd. 70, S. 285). Die Züge dieses Indianers waren edel geschnitten, und „Mut und Gerechtigkeitssinn“ zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Bewaffnet ist dieser Indianer bereits mit der Silberbüchse, die bei Ferry als kupferbeschlagene Büchse erwähnt wird (die übrigens tatsächlich bei vielen Indianern ähnlich verziert wurde, auch Sitting Bulls Gewehr wurde mit Nägeln verziert) Ansonsten ist jedoch auch dieser „Winnetou-Ahne“ ein „wilder“ Indianer. Er unterscheidet sich kaum von dem Krieger, der uns in der erwähnten Erzählung „Auf der See gefangen“ vorgestellt wird. Zur äußeren Erscheinung lesen wir wie folgt: „Sein Gewand war sauber und sichtlich gut gehalten, eine außerordentliche Seltenheit von einem Angehörigen seiner Rasse. Sowohl der Jagdrock als die Leggins waren von weichgegerbtem Büffelkalbleder, in dessen Bereitung die Indianerfrauen Meisterinnen sind, höchst sorgfältig gearbeitet und an den Nähten zierlich ausgefranzt; die Mocassins waren aus Elenhaut und nicht in fester Fußform, sondern in Bindestücken gefestigt, was dieser Art von Fußbekleidung neben erhöhter Dauerhaftigkeit auch eine größere Bequemlichkeit verleiht. Die Kopfbedeckung fehlte; an ihrer Stelle war das reiche, dunkle Haar in einen Knoten geschlungen, welcher turbanartig auf dem stolz erhobenen Haupte thronte.“ Der Leser erfährt hier ganz nebenbei etwas über die Herstellung der indianischen Bekleidung – Karl May begann, sein Wissen geschickt in den Handlungsablauf „einzubauen“. Weiter unten erfahren wir nähere Einzelheiten über das Volk der Apachen, die unter ihrem Häuptling Winnetou eine starke Wandlung erlebten: „Der Indianer war der berühmteste Häuptling der Apachen, deren bekannte Feigheit und Hinterlist ihnen früher unter ihren Feinden den Schimpfnamen „Pimo“ (mit dem übrigens Winnetou noch manchmal von seinen Feinden in den späteren Erzählungen beschimpft wird) zugezogen hatte; doch seit er zum Anführer seines Stammes gewählt worden war, hatten sich die Feiglinge nach und nach in die geschicktesten Jäger und verwegensten Krieger verwandelt; ihr Name wurde gefürchtet weit über den Kamm des Gebirges herüber… Jedermann wusste, dass er (Winnetou) schon öfters ganz allein und ohne alle Begleitung, außer derjenigen seiner Waffen, über den Mississippi herübergekommen war, um die „Dörfer und Hütten der Bleichgesichter“ zu sehen und mit dem großen „Vater der Bleichgesichter“, dem Präsidenten in Washington, zu sprechen. Er war der einzige Häuptling der noch nicht unterjochten Stämme, welcher den Weißen nicht übel wollte, und es ging die Rede, dass er sogar ein sehr enges Freundschaftsbündnis mit Firegun, dem berühmtesten Trapper und Pfadfinder des Westens geschlossen habe.“ (zitiert nach dem Zeitungsreprint der KMG, Seite 468). Auch dieser Winnetou ist noch ein Krieger, der sich mit wahrer Kampfeslust in das dichteste Getümmel wirft und mit jedem Hieb seines Tomahawks einen Gegner niederstreckt. Selbstverständlich skalpiert er seine besiegten Feinde, um sich mit den Trophäen zu schmücken. Hat Karl May mit dieser Erzählung, die im Untertitel als Kriminalroman bezeichnet wurde, auch schon eine Form der Erzählung gefunden, die an spätere Werke erinnert, so ist doch noch vieles an ihr auszusetzen. Mit diesem Winnetou kann der Leser noch keine „innige Freundschaft“ schließen, er ist vom „edlen“ Apachen noch weit, weit entfernt. Zwar hat es Karl May verstanden, ihn uns durch Abenteuer und Episoden, durch ausführliche Beschreibung seiner Person und seiner Freundschaft zu den Weißen ein wenig näher zu bringen, dennoch verbleibt nach Lektüre der Erzählung der Eindruck, dass man diesem Indianer wohl nicht mehr in den Werken Karl Mays begegnen wird. Wesentlich sympathischer ist da schon der Krieger in der Erzählung „Deadly dust“, erschienen 1879 im „Deutschen Hausschatz“ und später von Karl May als Einleitung zum „Winnetou III“ umgestaltet. Er ist in dieser Geschichte bereits überall als „gerecht, klug, ehrlich, treu, stolz und tapfer bis zur Verwegenheit“ bekannt. May schildert sein Auftreten wie folgt: „Seine breiten Schultern und seine starke Brust waren nackt und von zahlreichen Narben bedeckt. Um seine engen gerundeten Hüften schlang sich eine feine Decke von Santillo, in glänzenden, verschiedenartigen Farben schillernd. Eine kurze, prächtig gegerbte Wildlederhose legte sich eng um seine muskulösen Oberschenkel und war an den Seiten mit den Skalplocken getöteter Feinde geschmückt. Gamaschen von scharlachrotem Tuch bedeckten seine Unterschenkel, Kniebänder, von Menschenhaar geflochten, das jedenfalls auch von den Skalpen der Feinde stammte, und aus Stachelschweinborsten gefertigte Eicheln umschlossen über den Knöcheln und unterhalb der Knie diese Gamaschen, und die Füße staken in wirklich kunstreichen Mokassins, die mit Zierrat von Pferdehaaren ausgeputzt waren. Von seiner Schulter herab hing das Fell eines grauen Bären… Er trägt das Haar lang herab. Nur eine einzige Locke ist aufgewickelt, in der drei Adlerfedern stecken.“ Zitiert nach KMJB 1921, S. 343). Sieht man von einigen kleinen Ausschmückungen ab, so erscheint hier wieder die Gestalt des Rayon Brulant-Falkenauges, die Karl May schon in seiner (bereits zitierten) Bearbeitung verändert hatte. Wie bei Catlin (darauf kommen wir später noch einmal zurück) beschrieben, trägt er das Haar offen herabhängend. Seine Beinbekleidung ist mit Skalphaaren geschmückt, und was beim „Brennenden Stahl“ mit Pferdehaar bestickt war, ist nun ebenfalls mit Menschenhaar versehen. Auch in seiner ganzen Wesensart ist der Apache, der „brave Krieger“, noch nicht „über seinen Schatten gesprungen“. Er tötet aus Rachemotiven und verfolgt seine Feinde unbarmherzig. Für die spätere „Winnetou III“-Erzählung mussten hier natürlich einschneidende Änderungen bei der Verarbeitung der Geschichte vorgenommen werden. Am Schluss der Erstfassung verabschiedete sich der Erzähler wieder für immer von Winnetou.

      In all diesen Indianereizählungen ist die Handlung vordergründig, die Unterhaltung, das Abenteuer für den Leser wesentlicher Bestandteil. Wohl wird einmal erwähnt, dass die Indianer bedroht seien, aber vom heldenhaften Kampf für die Indianer ist nicht die Rede, es wird munter gemordet, skalpiert und geschossen. Auch unser Old Shatterhand ist nicht frei von wilden Zügen, es „kribbelt“ ihm manchmal am Abzugsfinger, wie z.B. in der Erzählung „Deadly dust“, als er beinahe ein paar Indianer aus dem Hinterhalt „abgeknallt“ hätte. Die Haltung, die Old Shatterhand bzw. Karl May den Indianern gegenüber einnimmt, ist charakteristisch für die damalige Zeit zu nennen. Der Indianer war für alle der Wilde, der zurückweichen musste, der dem Weißen Platz zu machen hatte und keinerlei Rechte besaß. Es wäre allzu hypothetisch, wollte man behaupten, dass Catlins Werk hier entscheidenden Einfluss auf Karl May ausübte. Catlin hat sich jedoch tatsächlich der Indianer angenommen und war stark betroffen, als er vom Untergang der Mandan erfuhr. Catlin hat sich mehrfach für die Indianer in seinem Werk eingesetzt, ja, man kann sagen, dass er diese schlichten, einfachen Menschen liebte. Mit wahrer Begeisterung berichtete er oft über die schönen Indianer, und mit Wehmut nahm er an ausgelassenen Festen teil, immer mit dem Gedanken, dass diese Rasse dem Untergang geweiht war. Vielleicht gab einiges aus diesem Werk bei Karl May den Ausschlag, sich mehr für die unterdrückten und ausgenutzten Indianer einzusetzen und in seinen Geschichten aufzuzeigen, dass es bei ihnen auch wirklich Menschen gab, mit allen edlen Anlagen. Und dass es verbrecherische Weiße gab, denen jedes Mittel zum Erreichen ihrer Ziele recht war. Im Folgenden weiden wir versuchen, die Zusammenhänge zwischen den Schilderungen Catlins und den Indianergeschichten Karl Mays anhand von Textfaksimiles aufzuzeigen.

      Verfolgt man die Entwicklung der „Indianergeschichten“ Karl Mays, so müssen auch die „Westmänner“ und die Hauptperson, der Erzähler, mitberücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, weiden auch diese Figuren noch ständig „geformt“.

      In der ca. 1877 erschienenen Erzählung „Die ,Both Shatters’“ sind einige interessante Einzelheiten enthalten. Die beiden Westmänner, die hier als die „Two Sams“ auftreten, begegnen uns später als die beiden „Toasts“ wieder, Dick Hammerskull und Pit Holbers (vgl. z.B. Old Shurehand 2, S. 601 ff, Illustr. Ausgabe, Fehsenfeld). Interessant ist, dass einer der beiden eine Perücke trägt, weil er wie Sam Hawkens von den Indianern skalpiert wurde. Die Informationen über den Erzähler sind zwar auch hier noch spärlich, doch können wir folgendes festhalten: Der Erzähler reitet wieder sein Pferd „Swallow“, das uns schon aus der Erzählung