gibt hier schon sehr konkrete Hilfestellungen für die volksliturgische Arbeit und zeigt große Sensibilität für Sorgen und Ängste von Menschen und für möglicherweise auftretende Probleme. Er warnt vor überschnellen Lösungen und rät wieder zu sanfter Zähigkeit. Einerseits um die Gläubigen nicht vor den Kopf zu stoßen, andererseits um die „liturgisch Bewegten“, wie er es nennt, nicht zu entmutigen oder resignieren zu lassen. Sanftheit muss sich auch im Umgang mit der überlieferten Tradition zeigen. Es dürfe kein Element im Gottesdienst einfach gestrichen werden, ohne es sinnvoll durch etwas Anderes zu ersetzen. Bestehende Gesetze und Bräuche verdienen es, dass sie langsam und nicht abrupt geändert werden.
Formen der aktiven Teilnahme
Die Kommunion im Rahmen einer Eucharistiefeier zu empfangen, war für mehrere Jahrhunderte und auch zu Lebzeiten von Parsch keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr die Ausnahme. Parsch sah aber in der Kommunion eine wesentliche Form aktiver Teilnahme. So empfahl er seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst, „die Christen dazu [zu] erziehen, daß sie es für selbstverständlich halten, bei jeder Messe, an der sie teilnehmen, auch die Kommunion zu empfangen“7. Das Ziel, dass die gesamte Gemeinde in der Messe die Kommunion empfängt, „wird der Pfarrer aber mit ‚sanfter Zähigkeit‘ die ganze Zeit seiner Tätigkeit im Auge haben, wenn er auch erkennt, daß er es nicht vollständig erreicht. Der Weg zu diesem Ziel geht freilich auf Stufen und er kann nicht rechnen, daß er das Ziel so schnell erreicht. Doch erlahmen darf er nicht.“8 Hier zeigt sich der Klosterneuburger Chorherr realistisch und warnt vor überhöhten Vorstellungen, ruft gleichzeitig aber wieder dazu auf, dranzubleiben und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Ein weiteres Mal begegnet uns das Parsch’sche Credo in der Volksliturgie, als es um einen anderen Aspekt der aktiven Teilnahme geht, nämlich um den Gesang in der Liturgie. Parsch widerspricht den Kritikern, die befürchten, dass der von ihm eingeforderte Volksgesang Chorleiter und Organisten brotlos machen würde. Vielmehr ergebe sich für sie eine neue Aufgabe, das Volk im liturgischen Gesang zu schulen. So rät er: „[W]enn ich auch hart in meinen Grundsätzen bin, so bin ich milde im Wege der Durchführung. Gehen wir schrittweise vorwärts, knüpfen wir an das vorhandene Gute an; reißen wir nicht das Alte ein, ehe wir besseres Neues an die Stelle gesetzt haben. Mit sanfter Zähigkeit gehen wir an die Ziele der volksliturgischen Erneuerung.“9
Parsch gesteht selbst ein, dass er an seinen Forderungen festhält, aber diese milde umzusetzen versucht und bringt mit der Verbindung von Härte und Milde eine ähnliche Paarung ins Spiel wie mit der Sanftmut und der Zähigkeit. Nicht aggressiv und laut, sondern ruhig und besonnen, aber deswegen nicht weniger energisch verfolgte Parsch die Ziele der volksliturgischen Bewegung. Mit Nachdruck und Ausdauer setzte er sich für seine Ideale ein. Auch wenn es nur mit kleinen Schritten voranging, verlor er doch nicht das Ziel aus den Augen. Wie Mose konnte Parsch gewissermaßen nur einen Blick auf das gelobte Land werfen, wurden doch die meisten seiner Anliegen erst nach seinem Ableben in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils verwirklicht. Als Vorgeschmack mag da die Reform der Karwoche 1954 gegolten haben, mit der die Osterliturgie vom Morgen des Karsamstags in die Nacht verlegt wurde – ein großer Wunsch von Parsch.
Sanft und zäh
Die zentralen Anliegen von Parsch umfassten neben der Einbindung des ganzen Volkes in den Gottesdienst auch die Verbindung von Liturgie und Bibel sowie den Einsatz für liturgische Bildung. Bei der Verfolgung dieser Forderungen ging Parsch wohl auch deswegen mit sanfter Zähigkeit vor, weil er wusste, dass es ihm und seinen liturgisch Mit-Bewegten viel Langmut abverlangen werde, Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Gottesdienst zu reformieren, d.h. in seine ursprüngliche Form zurückzuführen. Geduld war nicht nur wegen der Widerstände, sondern auch wegen der Sache an sich gefragt. Gleichzeitig zäh zu sein und sanft vorzugehen verlangten auch die betroffenen Personen, sei es aus Rücksicht auf das Bedürfnis nach Gewohntem und Beständigkeit oder einfach im Wissen um deren Aufnahmefähigkeit oder Faulheit. Letztlich schützte sich Parsch mit seinem Leitmotiv selbst vor Resignation und Enttäuschung, spornte sich damit aber zugleich an.
In der Ausgabe 1949/50 der Zeitschrift Bibel und Liturgie stellt sich Parsch im Rückblick auf sein Wirken der Frage „Wo stehen wir?“ und blickt auf die Früchte seines volksliturgischen Apostolats. Auch wenn die Bilanz ernüchternd ausfällt, mit Christus als Vorbild, dessen Wirken wohl ebenso eine sanfte Zähigkeit zugeschrieben werden kann, verzagt Parsch nicht. Vielmehr sieht er hoffnungsvoll in die Zukunft – und durfte Recht behalten, auch wenn seine Ideale wohl nie vollkommen erfüllt sein werden: „Unsere Bestrebungen sind vorerst noch Senfkörnlein, und das ist gut. Alles Große in der Kirche ist diesen Weg gewandelt. Christus, der Herr ist uns vorangegangen; seine Seelsorge während seines Erdenlebens war noch erfolgloser und geringer. Wir sind von ihm belehrt worden, daß wir nicht auf äußeren Erfolg sehen sollen (…). Noe, Isaias, Jeremias, ja Christus selbst sind ihnen vorausgegangen im geduldigen Tragen der Schwächen ihrer Umgebung. Jedoch mit sanfter Zähigkeit werden wir durchhalten und unsere Ideale bewahren. Wenn es Gottes Wille ist, so werden wir die Brückenbauer einer christlichen Erneuerung sein.“10
Pius Parsch hat es vorgelebt. Sein Leitwort motivierte ihn und bewahrte ihn vor Entmutigung, konnte er doch die Früchte seiner Arbeit selbst nicht mehr verkosten. So kann es auch heute hilfreich sein, sich mit sanfter Zähigkeit für die Anliegen einzusetzen. Allerdings wird nicht alles, was in eben dieser Gesinnung verfolgt wird, zwingend zum Ziel führen müssen. Gelegentlich können sich Widerstände als berechtigt erweisen. Nicht immer wird es sinnvoll sein, bloß mit sanfter Zähigkeit vorzugehen. Fehlentwicklungen, die sich schleichend („sanft“) und zäh ausbreiten, verlangen etwa auch radikale Einschnitte. Die Entscheidung, in welchen Bereichen es sich lohnt, mit sanfter Zähigkeit hartnäckig zu bleiben, verlangt gutes Abwägen.
1Vgl. N. Höslinger / T. Maas-Ewerd, Vorwort, in: dies. (Hrsg.), Mit sanfter Zähigkeit. Pius Parsch und die biblisch-liturgische Erneuerung (Schriften des Pius-Parsch-Instituts Klosterneuburg 4). Klosterneuburg 1979, 7–9, hier: 8.
2Vgl. zum Folgenden: N. Höslinger, Der Lebenslauf von Pius Parsch, in: ders. / T. Maas-Ewerd (Hrsg.), Mit sanfter Zähigkeit, 13–78 [s. Anm. 1]; R. Pacik, Pius Parsch (1884–1954), in: B. Kranemann / K. Raschzok (Hrsg.), Gottesdienst als Feld theologischer Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Deutschsprachige Liturgiewissenschaft in Einzelporträts. Bd. 2 (LQF 98). Münster 2011, 886–900, hier: 886ff.; P. Parsch, Volksliturgie. Ihr Sinn und Umfang (PPSt Bd. 1). Würzburg 2004, 15–21; A. Redtenbacher, Pius Parsch (1884–1954): Leben und Wirken im Überblick, in: P. Parsch, Volksliturgie. Ihr Sinn und Umfang (PPSt Bd. 1). Würzburg 2004, 512.
3R. Pacik, Pius Parsch, 887 [s. Anm. 2].
4P. Parsch, Volksliturgie, 74 [s. Anm. 2].
5Ebd., 114.
6Ebd., 151
7Ebd., 328.
8Ebd., 329.
9Ebd., 309f.
10 P. Parsch, Wo stehen wir?,