Witwer erhalten würde, brachten ihr und ihren Kollegen mühselige Recherchearbeit für die nächsten Tage ein.
„Zuallererst ich selbstverständlich. Brauchen Sie meinen Ausweis? Dann hole ich meine Geldbörse.“
„Später, im Moment nicht“, beschwichtigte Lapschies Georgs Eifer.
„Dann unsere Putzfrau Amelie Wurps, ihre Mutter Aloisia Märis, ihre Freundinnen, mit denen sie manchmal Golf spielte, ihre Gruppe von alten Schulfreundinnen, Frau Hempel, meine Sekretärin. Elvira arbeitete halbtags bei mir im Büro. Sie erledigte die Buchführung und dort traf sie Frau Hempel. Wer kam noch mit ihr zusammen?“, rätselte Georg.
„Kochte sie hier selbst?“, fragte Lapschies.
„Ja, sie bereitete sich, wenn sie mittags von der Arbeit kam, eine kleine Mahlzeit zu. Sie achtete ständig auf ihr Gewicht und ihre Figur. Außer dienstags, dann kochte Frau Wurps eine Kleinigkeit für sie“, erklärte Georg.
„Fallen Ihnen noch mehr Kontaktpersonen ein?“, wollte Lapschies wissen.
„Lassen Sie mich überlegen. Sie ging zweimal in der Woche zur Gymnastik, einmal im Monat zum Friseur und alle zwei Monate zur Kosmetikerin. Mehr fällt mir im Moment nicht ein. Jedenfalls keine Personen, von denen ich weiß.“
„Alte Freunde?“ Der Kommissar half Georg auf die Sprünge.
„Ja, ich erinnere mich. Da war einer. Das lief damals etwas unschön ab. Elvira trennte sich spontan von ihm und war dann mit mir zusammen. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Er stalkte sie ein paar Wochen lang. Dann ließ das nach und sie hatte ihre Ruhe.“
„Können Sie mir seinen Namen sagen?“, hakte Lapschies nach.
„Nein, an den Namen kann ich mich nicht erinnern. Der ist vielleicht in ihren Unterlagen zu finden. Sie führte Tagebuch, falls es zu einer Anzeige kommen sollte.“
„Können Sie mir das Tagebuch geben, Herr Pielhop?“, fragte Lapschies vorsichtig.
„Ich hole es aus ihrem Zimmer, einen Moment.“
Währenddessen schauten sich Lapschies und Jasmina im geräumigen Wohnzimmer um. Wo könnten die Umweltschadstoffe sein?
Georg kam wieder und hielt ein Notizbuch in Händen.
„Hier ist es, bitte“, und überreichte Lapschies das Buch.
„Danke. Sie bekommen es selbstverständlich zurück.“
„Okay.“
„Herr Pielhop, die Spurensicherung muss das ganze Haus nach Blei- und Quecksilberquellen durchsuchen. Geht das morgen? Ich gehe davon aus, dass Sie dann anwesend sind?“
„Und am Montag untersuchen wir Ihr Büro", ergänzte der Kommissar.
„Ja, kein Problem. Ich bin zur Stelle. Dann handelt es sich wirklich um Mord?“, wurde ihm schlagartig und mit Schrecken bewusst.
Elvira ermordet? Wer sollte einen Grund dafür gehabt haben, sie zu ermorden. Ausgerechnet die harmlose Elvira. Wer sollte das sein? Vielleicht sah der Mörder es auch auf ihn ab? Seine Hände zitterten. Die Spurensicherung würde nicht nur der Polizei Klarheit bringen, sondern auch ihm. Dann wusste er wenigstens sicher, ob er auch im Visier des hinterhältigen Mörders stand.
„Haben Sie einen Verdacht?“
„Nein, mir fällt kein Mensch ein. Sie war nicht streitsüchtig, ganz im Gegenteil.“
„Herr Pielhop, eine Frage noch, dann sind wir vorerst fertig. Haben Sie eine Lebensversicherung abgeschlossen?“
„Ja, ich schloss einen Vertrag für uns beide ab. Falls einer von uns beiden zuerst sterben sollte, bekommt der andere die Summe ausgezahlt“, gab Georg dem Kommissar bereitwillig Auskunft.
Ein Verschweigen dieses wichtigen Details brachte ihm ohnehin keine Vorteile, sondern eher Nachteile. Also besser bei der Wahrheit bleiben, gestand sich Georg notgedrungen ein. Gleichzeitig erkannte er messerscharf, dass eine hohe Lebensversicherung als ein lupenreines Mordmotiv galt. Damit rutschte er in den Augen der Kommissare in der Hierarchie der möglichen Täter an die erste Stelle der Favoritenliste. Georg fühlte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Doch er musste Rede und Antwort stehen. Es führte kein Weg daran vorbei. Außerdem verfügte die Polizei über Mittel und Wege, solche Informationen ans Tageslicht zu zerren. Es war naiv zu glauben, eine Lebensversicherung verschweigen zu können.
„Um welche Summe geht es da?“, fragte Lapschies nach.
„Die Versicherungssumme beträgt 500.000 Euro. Würden wir beide gleichzeitig sterben, bei einem Unfall zum Beispiel, bekämen unsere Erben das Geld.“
„Wer kommt da infrage?“
„Ich machte noch kein Testament, doch da sind mein Bruder und dessen Kinder und Elviras Mutter. Meine Eltern sind gestorben.“
Bei dieser Frage bemerkte Georg plötzlich, dass er dringend ein Testament verfassen sollte. Und was ist überhaupt mit meiner Tochter? Bisher hatte er kaum Vorsorge für seinen Tod getroffen und für unnötig gehalten. Er war erst fünfundvierzig Jahre alt, wer denkt schon an so was. Er stand in der Blüte seines Lebens und Testament sowie Vorsorge für das eigene Ende waren bislang nicht in seinen Fokus geraten. Das war doch eher etwas für alte Leute, hatte er gedacht. Testament und Vorsorgevollmacht hatte er in die hinterste Schublade seines Gehirns geschoben. Doch jetzt trat ihm sein Versäumnis vor Augen: Schicksalsschläge kamen schneller als erwartet. Er musste sich unbedingt in allernächster Zeit darüber Gedanken machen. Die hinterhältige Vergiftung hätte auch ihn treffen können. Konnte er sicher sein, dass der Anschlag nicht ihm galt oder ihn miteinbezog?
Der Kommissar unterbrach seine Gedankengänge.
„Herr Pielhop, die Leiche Ihrer Frau wurde freigegeben. Sie kann aus der Rechtsmedizin abgeholt werden“, teilte Lapschies Georg mit.
„Endlich, dann gebe ich dem Bestatter Bescheid“, musste Georg seine Erleichterung darüber eingestehen.
„Für heute sind wir fertig. Morgen kommen wir um neun Uhr, Herr Pielhop“, kündigte Kommissar Lapschies die Spurensicherung an.
Seine Kollegin und er standen auf und gingen zur Garderobe. Sie nahmen sich ihre Wintermäntel von den Haken und zogen sie über. Die Temperaturen waren im Januar recht frisch.
An der Haustür wandte sich Lapschies zu Georg um und verabschiedete sich:
„Auf Wiedersehen, Herr Pielhop, morgen dann.“
„Auf Wiedersehen“, sagte Jasmina Gante.
Sie beteiligte sich bei dem ganzen Gespräch mit keinem einzigen Wort, schrieb aber fleißig mit.
„Auf Wiedersehen, Herr Lapschies, Frau Gante“, sagte Georg und verneigte sich kurz und schloss die Tür.
Betreten schlich er ins Wohnzimmer. Das erschien ihm plötzlich gefährlich. Überall lauerten giftiges Blei und totbringendes Quecksilber. Fühlte er etwa Kopfschmerzen? Roch die Luft merkwürdig? Wenn er heute Nacht keinen Schlaf finden würde, übernachtete er in einem Hotel. Das nahm er sich vor. Augenscheinlich hatte es jemand gezielt auf Elvira abgesehen. Aber warum? Er wälzte die Gedanken hin und her, konnte sich keinen passenden Reim auf die Eröffnungen des Kommissars machen. Blei. Quecksilber. Wie kam man da ran?
Mit diesen sinnlosen Überlegungen kam er nicht weiter, sie brachten keine Ergebnisse. Georg verfolgte einen anderen Gedankenstrang, der sich ihm im Nachhinein aufgedrängt hatte. Verhielt er sich verdächtig? Die Sache mit der hohen Lebensversicherung war Fakt. Er hatte die Versicherung auf Gegenseitigkeit vor fünf Jahren abgeschlossen. Das musste jedem verdächtig vorkommen. Das belastete eindeutig ihn. Er sah schließlich jeden Sonntag Tatort, denn Elvira lag Sonntag für Sonntag auf dem Sofa und war verrückt auf Tatort. Georg hatte nie eine Chance gehabt, das sonntägliche Abendprogramm zu beeinflussen. Dadurch wusste er Bescheid! Und er hatte gelernt, besser gleich die Fakten erwähnen, als Heimlichtuerei zu versuchen. In Zukunft würde er sich still und unauffällig verhalten und