Jules Verne

Zehn Jahre später


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gib dich zufrieden.« – »Das freut mich zu hören.« Und Planchet atmete tief auf. Dann widmete er sich wieder dem Publikum. – D'Artagnan, auf einer Kiste sitzend, betrachtete seinen früheren Diener. Der pfiffige Planchet war ziemlich dick geworden, aber sein Gesicht hatte noch immer die charakteristischen Zeichen der Schlauheit, Habgier und Beharrlichkeit, die das überwuchernde Fett nicht zu verwischen vermochte.

      Endlich führte der Kaufmann seinen ehemaligen Herrn in sein Zimmer und bot ihm dort ein einfaches, aber trefflich zubereitetes Mahl an. Dazu gab es Anjouwein, welche Sorte d'Artagnan ja von jeher am liebsten trank. – »Ehemals, Herr Chevalier,« sagte Planchet, eingießend, »trank ich Ihren Wein; nun macht es mich glücklich, Sie den meinigen trinken zu sehen.« – »Und ich hoffe, ihn noch lange trinken zu können,« antwortete d'Artagnan. – »Sie sind also beurlaubt?« – »Sogar verabschiedet.« – »Nicht mehr im Dienst? Und der König?« – »Muß ohne mich fertig werden. Doch nun höre mich an. Ich habe dir was zu sagen. Zuerst von Geschäften! Was macht denn unser Geld?« – »O, das steckt noch immer im Geschäft und bringt neun Prozent. Davon gebe ich Ihnen sieben. Bringen Sie frisches?« – »Nein, hast du denn welches nötig?« – »Gott bewahre! Alle Leute wollen jetzt ihr Geld bei mir anlegen. Ich mache nämlich nebenbei noch Bankgeschäfte. Das rentiert sich. Doch von welcher Angelegenheit wollten Sie denn sprechen?«

      D'Artagnan kraute sich im Schnurrbart. »Das ist eine lange Geschichte, Freund, und auch schwer zu erzählen,« begann er. – »Handelt sich's um eine Kapitalsanlage?« – »Ja.« – »Und ist was dabei zu verdienen?«

      »400 Prozent.« – Planchet schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Flaschen tanzten. – »Jeder steckt 20 000 Livres ins Geschäft,« fuhr d'Artagnan fort. – »Das wäre Ihr ganzes Guthaben, Chevalier,« sagte Planchet. »Und was wird das Geld uns einbringen?« – »Für jeden 50 000 Livres,« – »Das wäre ja fabelhaft!« rief der Kaufmann. »Und wo ist denn das Geschäft zu machen?«

      »Nicht hier, sondern in England.« – »Nun, dort blüht freilich die Spekulation. Was ist es denn für eine Art von Geschäft? Ich bin begierig, das Nähere zu erfahren,« und Planchet rückte an d'Artagnan heran. »Planchet,« begann dieser nach kurzem Schweigen, »du hast doch wohl schon von Karl I. gehört?« – »Ach gewiß, Grimaud hat mir doch erzählt, wie Sie versucht haben, ihn zu retten, wie dann sein Kopf doch fallen mußte, und wie Sie eine halbe Nacht in einem mit Pulver geladenen Schiffe gefahren sind – so etwas vergißt man nicht.« – »Nun, dieser Karl I. hatte einen Sohn.« – »Sogar zwei,« sagte der Krämer. »Den jüngern habe ich mal in Paris gesehen, den älteren aber kenne ich nur dem Namen nach.« – »Um ihn handelt es sich aber gerade, denn er ist jetzt Karl II., König von England.« – »Ein König ohne Königreich,« sagte Planchet in salbungsvollem Tone. – »Ja, und unglücklicher als der ärmste Mann in Paris,« setzte d'Artagnan hinzu.

      Planchet zuckte die Achseln. Was ging ihn denn dieser unbekannte Monarch an? Und was hatte das mit der großen Idee des Chevaliers zu tun? Das konnte er nicht begreifen. – »Höre weiter, Planchet,« fuhr sein Herr fort. »Ich sah, wie dieser König als Bettler Hilfe bei Ludwig XIV. suchte und wie man ihm jeden Beistand versagte. Der Stolz, mit dem er seinen Jammer ertrug, hat mir gezeigt, daß er von echt königlichem Sinn beseelt ist.«

      »Mein Gott ja,« seufzte Planchet, aber er begriff noch immer nicht, inwiefern das alles mit dem fraglichen Geschäft zusammenhinge. D'Artagnan fuhr fort: »Da bin ich nun auf folgenden Gedanken gekommen. Dieser König ohne Königreich, wie du richtig sagtest, ist ohne Zweifel ein Samenkorn, das, um zu blühen und Frucht zu tragen, nur von der richtigen Hand auf den richtigen Boden gesetzt zu werden braucht. Und das will ich nun tun.«

      »Sie wollen ihm also wieder zum Throne verhelfen, wenn ich recht verstehe,« antwortete nun Planchet, und als d'Artagnan nickte, fügte er hinzu: »Haben Sie sich das aber auch reiflich überlegt? In England gibt es jetzt ein von der Nation gebildetes Parlament, das seine eigene Armee hat.« – »Aber wir beide zusammen werden doch eben 40 000 Livres anwenden, um eine Armee ins Feld zu stellen.« – »Eine Armee?« rief Planchet, die Hände zusammenschlagend, als hielte er seinen Herrn für verrückt. »Wie stark soll sie denn sein?« – »Vierzig Mann.« – »Nun, Sie selbst sind zwar so viel wert wie 1000 Mann,« versetzte er, »aber trotzdem sind 40 Mann ein bißchen wenig gegen 40 000. Da verlieren wir gleich die erste Schlacht.« – »Auf eine Schlacht wollen wir uns ja auch gar nicht einlassen,« entgegnete d'Artagnan. »Da du in der neuesten Geschichte Englands ein wenig bewandert zu sein scheinst, wirst du wohl auch wissen, daß Cromwell tot ist, daß sein Sohn das Protektorat niedergelegt hat und ein gewisser General Monk jetzt die erste Geige spielt. Das ist ein sehr geschickter Feldherr, denn er hat sich noch nie geschlagen, und auch ein sehr geschickter Diplomat, denn er spricht nie. Ehe er guten Morgen sagt, sinnt er so lange nach, bis es Zeit ist, guten Abend zu sagen. Und deshalb bewundert ihn nun alle Welt. Nun höre, ich gehe mit meinen vierzig Mann hinüber, packe diesen Monk beim Kragen, schnüre ihn zusammen wie einen Warenballen und bringe ihn nach Frankreich. Hier verlange ich nun für ihn ein Lösegeld von 100 000 Talern oder ich liefere ihn an Karl II. aus. Das letztere erscheint mir als das Bessere, denn wenn Karl diesen Monk nicht mehr zu fürchten hat, steht ihm der Weg zum Throne frei, und er wird die 100 000 Taler mit Kußhand bezahlen.«

      »Vortrefflich, Herr Chevalier!« rief Planchet. »Aber es erinnert mich das an die bekannte Bärenhaut, die verkauft werden sollte, ehe sie dem Bären abgezogen worden war. Monk gefangen zu nehmen, ist ein kühnes Unterfangen, das blutige Köpfe kosten wird, soviel Glück Sie auch bisher in derlei gewagten Unternehmungen gehabt haben.« – »Es kann nicht fehlschlagen, Planchet, wenn ich es einmal in die Hand nehme. Für dich ist es ein glänzendes Geschäft, für mich ein famoses Abenteuer, das mir in meinem Alter noch große Ehre machen wird, und darauf bin ich ebenso erpicht, wie du auf Geld.« – »Wenn ich denke, daß ein so toller Plan hier mitten zwischen meinen Backpflaumen und Rosinen geschmiedet worden ist,« sagte Planchet, »dann kommt mir mein Büdchen wie ein Palast vor.« – »Aber hüte dich ja, etwas davon verlauten zu lassen, sonst wandern wir in die Bastille. Monk ist Mazarins Bundesgenosse.« – »Wenn man mit Ihnen zusammen gewesen ist, Herr Chevalier, dann hat man erstens keine Angst und zweitens Schweigen gelernt.«

      D'Artagnan nickte, nahm Feder und Papier und schrieb: »Zwischen Chevalier d'Artagnan, Musketier-Leutnant a.D., und Herrn Planchet, Kolonialwarenhändler, wird folgender Vertrag abgeschlossen: Beide begründen eine Geschäftsgesellschaft mit einem Kapital von insgesamt 40 000 Livres, von welchem beide je die Hälfte einzahlen. Das Kapital wird verwendet, um eine von Chevalier d'Artagnan entworfene Idee auszuführen. Herr Planchet kennt und billigt diese Idee und wird Kapital und Zinsen erst dann beanspruchen, wenn Chevalier d'Artagnan aus England zurückkehrt, denn dieses Land ist der Schauplatz des geplanten Unternehmens. Chevalier d'Artagnan hat das freie Verfügungsrecht über das Kapital und kann die ganze Summe in jeder ihm zum Besten seiner Idee genehmen Art verwenden. Wenn jedoch auf irgendeine Weise Karl II. von England wieder auf den Thron gelangt ist, dann zahlt Chevalier d'Artagnan an Herrn Planchet die Summe von...«

      Er hielt zögernd inne, und der kluge Kaufmann fiel rasch ein: »Die Summe von 150 000 Livres –« – »Nein, nein,« antwortete d'Artagnan, »zu gleichen Teilen verdienen? Das geht doch nicht gut.« – »Aber wir zahlen doch jeder die gleiche Summe Geldes ein,« meinte Planchet. – »Ja, aber dafür bleibst du hübsch zu Hause, während ich meine Haut zu Markte trage. Sagen wir: du bekommst ein drittel, ich zwei.« – »Na ja, einverstanden.« – Und d'Artagnan schrieb weiter: »Die Summe von 100 000 Livres, während er selbst auf 200 000 Livres Anspruch hat, sofern es ihm gelingt, bei der Ausführung seiner Idee die Summe von 300 000 Livres herauszuschlagen. Aber auch jede andere Summe soll in dieser Weise – zwei Drittel zu ein Drittel – zwischen beiden Gesellschaftern geteilt werden. Zur Beendung des Geschäfts wird die Frist von einem Monat gewährt.«

      Diesen Vertrag unterzeichneten beide, dann speisten sie zu Abend, und dann nahm d'Artagnan ein Licht und ging auf sein Zimmer. Er fand in dieser Nacht keinen Schlaf, obwohl er sich, seit er sein eigner Herr war, schon an ruhiges Schlafen gewöhnt hatte. Seine Idee ließ ihm keine Ruhe. Er grübelte darüber nach – er erwog sie nach allen Seiten hin. Und schließlich kam er zu dem Entschluß, nicht vierzig, sondern nur zehn Mann anzuwerben. Erstens, sagte er sich,