stand einer der Fischer bereit, den beiden mit der Laterne voranzugehen.
»Leuchte uns nach der Abtei Newcastle,« befahl Monk, »und mach lange Beine, Kerl!« – Sie schritten weiter durch die Nacht, stumm und rasch, ein jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Die des Grafen weilten bei dem Fischer, dessen Erscheinung und Stimme ihm bekannt erschienen waren. »Aber es ist ja ganz unmöglich,« sagte er sich. »Wie kann ich auf solch eine alberne Vermutung kommen?«
Nach wenigen Minuten traten sie in die Abtei. Im Innern lag ein Posten von vier Mann, die beim Geräusch von Schritten aufsprangen und ihr »Wer da?« ertönen ließen. Monk gab das Losungswort, und sie schritten unangefochten tiefer hinein in die Trümmer der verfallenen Stätte. Festen Fußes ging Athos, seines Zieles ganz sicher, durch die öden Hallen. Es gab hier keine Tür und kein Fenster mehr. Aus den leeren Löchern und Höhlen flüchteten aufgescheuchte Nachtvögel, vom Licht der Laterne erschreckt. Fledermäuse umflatterten die Eindringlinge, deren Schatten in riesiger Größe an den nackten Flächen der verwitterten Mauern tanzten. Als Monk diese Tiere jetzt erst auffliegen sah, wußte er, daß sich dort drinnen niemand versteckt, daß vor ihnen kein Mensch diese Oedenei betreten hätte. – »Ich werde also mit diesem Manne ganz allein sein,« dachte er bei sich. »Nun, dann will ich es schon mit ihm aufnehmen.« – Athos schritt über Schutthaufen hinweg und stand nun vor der Gruft. – »Wir sind zur Stelle,« sprach er. »Hier ist der Stein.« – »Der Ring daran ist in den Stein eingegossen,« sagte Monk. »Wir müssen einen Hebebaum haben. Hast du ein Messer bei der Hand?« fragte er den Fischer. »Dann schneide die junge Esche dort ab.« Dies geschah. »Bleib dort hinten stehen,« sagte Monk darauf zu dem Manne. »Du darfst mit deinem Licht nicht so nahe heran, wir haben Schießpulver zu Tage zu fördern.«
Der Matrose wich erschrocken zurück. Athos und Monk traten hinter eine Säule. Der Franzose ergriff den Hebebaum, setzte ihn in den Ring und wuchtete mit einem kraftvollen Ruck die Platte in die Höhe. – »Ich danke, Mylord,« sprach er, als Monk ihm helfen wollte. »Ich wünsche nicht, daß Sie mit Hand anlegen an ein Werk, von dem Sie gewiß die Finger lassen würden, wenn Ihnen die Folgen, die es haben wird, bekannt wären.«
Der General stutzte und sah den Grafen an. – »Was meinen Sie damit?« fragte er. – Athos warf einen Blick auf den Fischer und sagte: »Wir sind nicht allein.« – »Ha!« dachte Monk. »Nun, ich will es drauf ankommen lassen, Mann gegen Mann mit ihm zu bleiben.« Darauf rief er dem Matrosen zu, er solle in den Außenhof zurückkehren und seine Laterne da lassen. Der Mann gehorchte. Monk war mit Athos allein.
»In dieser Gruft also soll soviel Geld stecken?« fragte der General, nahm die Laterne und stellte sie hart an den Rand der Oeffnung. – »Ja, General, in fünf Minuten werden Sie nicht mehr daran zweifeln.« – Zugleich schlug Athos mit solcher Kraft auf die Gipsbekleidung, daß sie in Stücke ging. Er faßte die Steine und riß sie los. – »Das ist das Mauerwerk, von dem ich sprach.« – »Ja, aber ich sehe die Fässer noch nicht,« gab Monk zur Antwort. – »Wenn ich einen Dolch hätte,« sagte Athos, »dann würden die Fässer bald zum Vorschein kommen. Leider habe ich alle Waffen in Ihrem Zelte gelassen.« – »Ich würde Ihnen den meinigen geben,« erwiderte Monk, »aber die Klinge ist zu dünn und würde nur abbrechen. Lassen Sie sich den Dolch des Fischers herüberwerfen.« – Athos trat ein paar Schritte vor, bis er in Rufweite des Matrosen war. Gleich darauf klirrte die Waffe auf dem Gestein, und der Graf kehrte zurück. – »Der ist stärker als meiner,« sprach Monk ruhig.
Athos schien nicht zu hören, sondern arbeitete alsbald wieder an den Steinen herum. In wenigen Minuten war aller Gips entfernt, und Monk erblickte zwei Fäßchen. – »Sie sehen, General,« rief Athos, »meine Ahnungen haben mich nicht betrogen. Gott beschützt jede gerechte Sache, und daher war ich der Zuversicht, daß dieser Schatz nicht in unrechte Hände gefallen sei.« – »Sie sind ebenso geheimnisvoll in Worten wie in Taten, Graf,« entgegnete Monk. »Soeben sprachen Sie von den Folgen Ihrer Tat, und jetzt reden Sie von einer gerechten Sache. Was ist das für eine Sache?«
Athos sah General Monk an, als wollte er in der Tiefe seiner Seele lesen. Dann nahm er seinen Hut ab und begann in feierlichem Tone, dem die düstere Umgebung der Ruine noch eine ganz besondere Eindringlichkeit verlieh: »Herr General, als Edelmann spreche ich zum Edelmanne. Ich sagte, dieses Geld gehöre mir. Das war die erste Lüge meines Lebens. Ich eile, sie wieder gutzumachen. Dieses Geld gehört vielmehr Karl II., dem vertriebenen König von England.« – Monk erblaßte und zitterte unwillkürlich. – »Ich bin der Letzte,« fuhr der Graf de la Fère fort, »der dem unglücklichen Herrscher die Treue gewahrt hat, und um ihm zu helfen, habe ich den Mann aufgesucht, von dessen Entschluß das Schicksal Englands und seines Königs abhängt, habe mich ihm wehrlos in die Hände gegeben und spreche also zu ihm: Mylord, diese Million ist der letzte Rettungsanker eines Mannes, der Ihr Fürst und König ist. Sie allein haben über sein Schicksal, über seine Zukunft zu entscheiden. Hier vor Ihnen liegt das, was den König retten kann, was Sie aber auch zu seiner völligen Vernichtung benützen können. Wenn Sie verhindern wollen, daß ich mit diesem Gelde zu Karl II. zurückkehre, daß ich ihm die Heimfahrt damit ermögliche, dann stoßen Sie mich nieder, hier ist ein fertiges Grab. Zu jedem andern als Ihnen, Mylord, würde ich sagen: Nehmen Sie dieses Geld als Bezahlung für Ihre Mithilfe. Treten Sie gegen diese Million auf die Seite Karls, werfen Sie Ihre gewichtige Stimme zu seinen Gunsten in die Wage, Ihnen wird das Volk beistimmen. Allein so darf ich zu General Monk nicht sprechen. An einen so ausgezeichneten Charakter muß ich andere Worte richten. Herr General, eine hervorragende Stelle in der Geschichte Ihres Volkes ist Ihnen eingeräumt worden. Wenn Sie nur das Wohl Ihres Vaterlandes im Auge haben, dann müssen Sie dem König helfen, dem einzigen rechtmäßigen König. Dann wird Ihnen der Ruhm zuteil werden, der redlichste, tugendhafteste Mann Ihrer Zeit gewesen zu sein. Sie haben eine Krone in der Hand gehalten und, statt sie auf das eigene Haupt zu setzen, dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Handeln Sie so, Mylord, und Ihr Ruhm bei der Nachwelt wird nicht enden.«
Der Graf schwieg. Monk hatte weder Beistimmung noch Widerspruch erkennen lassen. Sein kaltes, gefühlloses Gesicht veränderte sich nicht. Nach kurzem Schweigen antwortete er: »Herr Graf, Sie sind einer von denen, die Karl I. helfen wollten. Als ich sagte, ich hätte noch nie von Ihnen gehört, sprach auch ich die Unwahrheit. Ich habe vielmehr schon viel von Ihnen gehört, aber ich freue mich, daß ich Sie nach meinem Gefühl, nicht nach meinen Erinnerungen beurteilt habe, daß ich Ihnen Gehör schenkte, statt Sie auf der Stelle gefangenzusetzen. Bisher habe ich noch keine der von Karl II. an mich abgeschickten Personen vorgelassen. Was kümmert mich dieses Phantom von einem König? Er hat hier gekämpft und ist besiegt worden, also ist er ein schlechter Heerführer; er hat Unterhandlungen versucht und keine erfolgreich durchführen können, also ist er auch ein schlechter Diplomat. Er ist in seinem Elend an allen europäischen Höfen hausieren gegangen, also ist er auch kleinmütig und schwach. Er hat sich noch nicht königlich gezeigt, keine edle große Tat hat der Geist gezeitigt, der eines der größten Länder der Erde regieren soll. Ich kenne Karl Stuart also nur von einer sehr unvorteilhaften Seite. Soll ich ihm deshalb huldigen, weil er der Sohn Karls I. ist? Den hat das Volk vom Thron gestoßen, weil ihm die Tugenden eines Königs fehlten. Nun wohl, dieser Sohn möge mir zeigen, daß er eben jene Tugenden besitzt; er offenbare mir sein Genie, seinen Mut. Von ihm als dem Sproß eines solchen Geschlechts muß man mehr fordern als von andern Sterblichen. Bringen Sie ihm diese Million. Sie soll für mich ein Prüfstein sein, und ich werde sehen, wie er das Geld anwendet. Bis jetzt will ich ihn ja schließlich nicht ganz verdammen. Nein, gewiß nicht! Sie haben sehr Recht, wenn Sie sagen, ich verfolge nur das Wohl meines Vaterlandes. Ja ich erkläre Ihnen sogar, wenn das Parlament mir heute Befehl erteilte, Karl II. als König zu empfangen, so würde ich –«
»So würden Sie gehorchen?« rief Athos freudig. – »Entschuldigen Sie,« versetzte Monk lächelnd. »Wo hatte ich alter Graukopf nur meinen Verstand? Hätte ich doch beinahe eine jugendliche Torheit gesagt!« – »Sie würden also nicht gehorchen?« fragte Athos. – »Das sagte ich auch nicht, Graf. Das Wohl des Vaterlands über alles! Wenn das Parlament mir einen solchen Befehl erteilte, so würde ich mich bedanken. Doch gestatten Sie nun auch mir eine Frage. Wenn Sie Karl Stuart diese Million bringen, welchen Rat werden Sie ihm dabei geben?« – »Ich werde ihm nicht raten, Unterhandlungen anzuknüpfen, was mancher an meiner Stelle vielleicht täte. Ich werde ihm Folgendes