Kay Roo

Eine total gerechte Welt


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Tat wieder begehen will, wie beim ersten Stroboskopeinsatz. Wir wissen aber nicht, wie lange diese retrograde Wirkung erhalten bleibt. Genauso wenig wissen wir, ob man Flashbacks zu verschiedenen Verbrechen im gleichen Täter initiieren kann und welche Auswirkungen dies haben könnte? Heben sich die verschiedenen Flashbacks auf oder verstärken sie sich in einem Maße, dass es den Probanden in den Wahnsinn oder den Selbstmord treibt? Sie sehen, es liegt noch ein großes unbeackertes Feld vor meinen Forschern und mir.

      Ich denke, jeder von ihnen hat jetzt eine ungefähre Vorstellung von den Möglichkeiten, die sich hier für die Verbrechensbekämpfung ergeben. Wenn wir es schaffen, die Wirkung ein Leben lang aufrechtzuerhalten, wird es keine Rückfalltäter mehr geben. Vielleicht gelingt es sogar, eine Möglichkeit zur prophylaktischen Anwendung zu finden. Das würde bedeuten, kriminell gefährdete Menschen sozusagen gegen die Versuchung zu immunisieren, diverse Verbrechen zu begehen. Doch das ist schon sehr weit in die Zukunft geschaut. Derzeitig ist nur das möglich, was sie in dem Video gesehen haben. Ich müsste in meinem Institut viel mehr Mittel und vor allem Probanden haben, um in absehbarer Zeit weitere Fortschritte zu erzielen.

      Tja, damit möchte ich meinen Vortrag schließen. Betrachten sie meinen letzten Satz als eine Bitte an alle Anwesenden, mich nach ihren Möglichkeiten bei meiner Forschung zu unterstützen. Verstehen sie mich bitte nicht falsch, ich will hier nicht betteln. Sondern nur darauf aufmerksam machen, dass wir unser aller Ideal - einer Welt ohne Verbrechen - umso schneller näherkommen, je schneller und umfassender ich meine Forschungen vorantreiben kann. Ich bedanke mich für ihre geschätzte Aufmerksamkeit. Guten Abend.“

      Der nun stark aufbrandende Beifall und einzelne Bravorufe zeugen davon, wie sehr er die Anwesenden von seinem Vortrag beeindruckt sind. Zufrieden nimmt der Professor an der linken Seite des Präsidenten Platz und genießt den weiteren Abend, der sich nun leichteren Themen, insbesondere dem Schwelgen in Erinnerungen an außergewöhnliche und komplizierte Verfahren zuwendet. Er rechnet stark damit, dass er hier eine Initialzündung gesetzt hat, die sich hoffentlich bald positiv auf seine Forschungen auswirken wird.

      2. Kapitel

      Als sich der Professor am Ende des Abends mit einer guten Zigarre in den leeren Rauchsalon des Klubs begibt, um diese in Ruhe zu genießen, folgt ihm ein kräftiger, jung gebliebener Mittsechziger und steckt sich ebenfalls genüsslich eine Havanna an.

      „Darf ich mich zu ihnen setzen, fragt er, nachdem er vorsichtig auf die Glut gepustet hat, damit sie gleichmäßiger abbrennt. „Aber gerne, Herr Dr. Held, antwortet Frey, der den einflussreichen Politiker sofort erkennt. Dieser setzt seinen „Volkstribunenblick“ auf und sieht damit Frey aus dem Sessel gegenüber offen in die Augen. Dann beginnt er ohne weitere Umschweife: „Also, Herr Professor, sie sehen mich immer noch stark beeindruckt von ihren Vortrag. Ich bin der Meinung, dass sie ihre Forschungen unbedingt weiter führen müssen. Als ehemaliger Präsident eines Oberlandesgerichts und erfahrener Richter kann ich die Tragweite der Anwendung ihrer Forschungsergebnisse in der Praxis recht gut einschätzen. Es ist abzusehen, dass deren Einsatz dazu führen wird, früher oder später den gesamten Justizapparat überflüssig zu machen. Keine Richter, keine Staatsanwälte, keine Gefängnisse und kein Polizeiapparat mehr. Einfach unnötig, weil jeder Verbrecher Angst vor seinen Träumen hat, sowie er eine Straftat begeht!

      Gut, die Polizei wird man für die Verfolgung kleinerer Delikte sicher noch benötigen. So was wie Prügeleien im Suff oder aus Eifersucht, Gewalt in der Ehe, Ladendiebstahl, Drogenmissbrauch und Ähnliches wird es wohl weiter geben. Tja, und wo es eine Polizei gibt, braucht man dann doch wiederum auch Richter und Staatsanwälte. Nun denn, Adieu, du schöner Traum von einer Welt ohne Justiz. Es sei denn, es gelänge alle Menschen in diesem Land, vielleicht sogar auf der ganzen Welt, unter Verwendung ihrer Erfindung zu braven Bürgern machen, die sich immer und in jeder Situation streng an die Gesetze und gesellschaftlichen Regeln halten. Glauben sie, dass dies bei intensiver Fortsetzung ihrer Forschungsarbeit eine Option wäre?“

      „Wenn ich sie richtig verstehe, wollen sie wissen, ob unter Anwendung meines „Systems“, wie ich es vereinfacht nenne, jeder Mensch so beeinflusst werden kann, dass er sich immer gesetzeskonform verhält? Ja, ich halte das für möglich. Im derzeitigen Entwicklungsstand ist das „System“ lediglich auf die jeweiligen Probanden abgestimmt. Wenn ich die erforderlichen Mittel hätte, wäre es in absehbarer Zeit möglich, einen System-Algorithmus zu entwickeln, mit dem fast jeder Mensch beeinflusst werden könnte, sich gesetzeskonform zu verhalten. Wahrscheinlich wird dies nicht 100%ig gelingen, denn jede Regel hat ihre Ausnahme.

      Genetisch und sozial bedingt dürfte es stets ein paar Leute geben, die dem „System“ gegenüber immun bleiben. Für die paar Leute müsste es eben noch einwenig Justiz geben. Es sei denn, es gelänge, für jeden gegenüber der allgemeinen Beeinflussung Resistenten, ein spezifischer Algorithmus zu erstellen. Ich bin mir jedoch relativ sicher, diese Resistenten würden sich früher oder später sowieso von sich aus anpassen und so leben, wie die Systemkonformen, schon um nicht als Außenseiter außerhalb der Gesellschaft zu stehen.“

      „Das hört sich ausgesprochen interessant an. Es dürfte ihnen bekannt sein, dass ich aus einer sehr vermögenden Familie stamme, deren Vermögen, dank der galoppierenden Immobilienpreise, ständig zunimmt. Ich verfüge also über die Mittel und bin gewillt, ihre Forschungen, sagen wir, zunächst mit 20 Millionen Euro zu fördern. Sollten sich die von ihnen soeben skizzierten Ergebnisse abzeichnen und für deren Umsetzung weiterer Finanzierungsbedarf bestehen, würde ich nochmals die gleich Summe nachschießen. Was halten sie davon?“

      „Das hört sich sehr verlockend an. Und es wäre wesentlich mehr, als ich mir vom heutigen Abend erhofft habe. Verstehen sie mich jetzt bitte nicht falsch. Ich bin Realist und deshalb etwas misstrauisch. Niemand investiert so eine Menge Geld ohne eine entsprechende Gegenleistung. Also, was erwarten sie dafür von mir?“

      „Sie sind viel zu misstrauisch, lieber Professor Frey. Und das ist auch gut so. Nun, ich mache in der Öffentlichkeit nie Angaben zu meinem Privatvermögen. Seitens der Regenbogenpresse wird es auf 2 Milliarden geschätzt. Ohne dazu Stellung zu nehmen, kann ich ihnen sagen, dass diese Schätzung schon recht gut ist. Insofern sind diese 20 oder 40 Millionen keine Beträge für mich, die meine wirtschaftliche Existenz beinträchtigen. Betrachten sie mich doch einfach als einen Mäzen der Wissenschaften, der es liebt, Forschungsvorhaben zu unterstützen, deren Potenzial von der restlichen Wirtschaft nicht erkannt oder falsch eingeschätzt wird.

      Andere reiche Leute kaufen sich Schlösser oder Picassos. Doch ein richtiger Waldbrand und das Schloss ist hin, samt den Picassos. Da investiere ich doch lieber in unsere Zukunft, bringe etwas Schwung hinein. Seit meiner Pensionierung als Richter versuche ich, als Vollblutpolitiker nur das Beste für unser Land und die hier lebenden Menschen zu erreichen. Ich darf ihnen verraten, dass ich derzeitig bereits andere Wissenschaftszweige fördere, die ich aus dieser Sicht ebenfalls als wichtig ansehe. Gut, dass ich immer auf dem exakten Stand der Forschungen gehalten werden möchte und mir vertraglich ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Forschungsziele zusichern lasse, ist ihnen bei einer derartigen Investition sicher verständlich. Ich würde es jedoch nicht als Gegenleistung bezeichnen wollen. Also, was ist? Soll ich in den nächsten Tagen meine Anwälte in ihr Institut schicken, damit der entsprechende Vertrag ausgearbeitet werden kann?“

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