Emerson Marie Parker

Kater sucht Kätzchen


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fragte John gelangweilt.

      „Wir können einen Auftrag für eine Riesenparty an Ostern ergattern. Eine Anwaltsfirma hat Firmenjubiläum. Da tauchen alle wichtigen Leute auf. Und es gibt richtig viel Schotter!“

      „Wie viel?“

      „Das Doppelte von heute Abend“, zischte Timo.

      John überschlug die Summe im Kopf. Das lohnte sich wirklich. Er ließ die schöne Unbekannte einen Moment unbeobachtet und drehte sich zu seinem Freund um. Die beiden waren seit dem Kindergarten miteinander befreundet. Doch Timo lebte noch in der alten Welt. John dagegen in der neuen, ohne jegliche Perspektiven für seine Zukunft. Auch wenn sie so gut wie niemals über früher sprachen, man merkte trotzdem diese unsichtbare Barriere. Timo lächelte ihn gequält an. Sein Blick sagte alles: Johns derzeitiger Lebenswandel gefiel ihm ganz und gar nicht. Warum etwas ändern?

      Ihm gefiel es genauso, wie es gerade war. Sein alter Herr, der ihn die ganze Zeit gegängelt hatte, war machtlos geworden. Sein einziger Sohn, den er jahrelang unterdrückt und in ein Leben gedrängt hatte, dass er niemals führen wollte, war frei. Frei alles zu tun, nach dem ihm der Kopf stand. Frei von den langweiligen und stupiden Gewohnheiten der Reichen und Schönen, die ihr Leben nur noch im Drogen- und Alkoholrausch erträglich fanden, weil sie den Sinn des Lebens nicht mehr verstanden. Genervt von den scheinheiligen Veranstaltungen, wo Gelder für arme, benachteiligte Menschen gesammelt wurden. Geld, mit dem man das kurz aufkeimende, schlechte Gewissen beruhigen konnte. Das war der Ausgleich für viel zu teure Handtaschen und Autos. Die Reichen waren von ihrem Leben gelangweilt.

      „Hör auf zu reden. Ich krieche niemals vor meinem Vater zu Kreuze!“, rief John sauer.

      „Das habe ich nicht gesagt.“

      „Aber gedacht. Du kannst mir nichts vormachen! Wir kennen uns ein ganzes Leben lang.“

      „Schuldig“, grinste Timo.

      „Lass es sein. Mein alter Herr ist ein verbohrter Sack ohne die geringste Einsicht. Der würde auch behaupten, dass die Welt eine Scheibe ist, wenn es ihm in den Kram passt.“

      „Ich mag deine Eltern und sie vermissen dich.“

      „Ich vermisse sie auch. Aber ich möchte keinen Kontakt mehr. Mama versucht mich zu behüten und Papa versucht mir seinen höchst eigenen Stempel aufzudrücken.“

      „Den Dickschädel hast du eindeutig von ihm“, lachte Timo.

      „Sag ich doch! Keine Chance.“

      „Lass uns weiter machen. Wir reden später.“

      „Lass es gut sein.“

      John ging durch die Reihen der feiernden Menschen. Bald würde ein neues Jahr beginnen. Neues Jahr! Neues Glück! Er ließ dabei nie die Augen von der tanzenden Schönheit. Es war schwer, sie zu beobachten. Ständig sprang ihm so ein Möchtergern-Fred Astaire vor die Optik. Fehlte nur noch Ginger Rogers, dachte John entnervt. Ständig musste er das Tablett mit Gläsern krampfhaft festhalten. Es war nur seiner Erfahrung als Kellner zu verdanken, dass nichts daneben ging.

      „Wen hast du denn auf dem Kicker?“, fragte Timo von hinten.

      John erschrak und das Tablett wackelte bedrohlich.

      „Hast du sie nicht mehr alle?“, flüsterte John zornig.

      Sein bester Freund war für hinterhältige Attacken bekannt. Als würde es ihm Spaß machen, alle aus dem Konzept zu bringen.

      „Du musst ja hier keine sauteuren Gläser durch die Gegend schaukeln.“

      „Hat was Anmutiges!“, platzte es aus Timo heraus. „Du starrst permanent auf die Tanzfläche. Bist du unter die Stalker gegangen?“

      „Hä?“, antwortete John, als hätte er die Frage nicht verstanden.

      „Du hast mich genau verstanden. Also welche ist es?“

      Er versuchte Johns Blick zu folgen, scheiterte jedoch kläglich.

      „Ist es die alte Frau mit der Gehhilfe, die gerade versucht, den Ober abzuknutschen? Da bist du leider zu spät dran“, lachte Timo laut.

      „Armer Miguel. Auf den fliegen immer die Verrückten.“

      „Besser er als ich! Aber jetzt mal ernsthaft. Wer ist sie?“

      „Woher soll ich das wissen? Siehst du mich mit ihr reden?“

      John biss sich auf die Lippen. Timo hatte ihn dran gekriegt.

      „Hab ich dich. Also welche ist es?“

      „Braune, lange Haare. Hosenanzug. Tanzt mit ihrer besten Freundin.“

      Timo sah sich suchend um.

      „Wo denn?“

      „3 Uhr.“

      Timo sah die hübsche Brünette.

      „Das ist doch ein Kerl. Hast du Tomaten auf den Augen?“, lachte er hysterisch los.

      „Sollen die dich auf dem Klo auch noch hören?“, zischte John.

      „Du hast einen fantastischen Geschmack. Die Kleine ist echt heiß. Aber ich glaube, der Rambo für Arme war zuerst an ihr dran.“

      „Die tanzen nur. Keine Austausch von Zärtlichkeit in den letzten 10 Minuten.“

      „Führst du etwa Buch?“, fragte Timo amüsiert.

      „So ähnlich.“

      „Sie muss dir ja gut gefallen, wenn du die Buchhaltung angeworfen hast. Zu schade, dass du hier zum Arbeiten bist.“

      „Sehr witzig!“

      „Soll ich sie für dich ansprechen?“

      „Danke, lass mal. Das schaffe ich selbst!“

      „Dann beeile dich, bevor sie mit dieser Tranfunsel in die Kiste springt. Der tanzt ja, als hätte er eine große Eiche im Arsch stecken. Sie muss ihn wohl sehr mögen. Ich wäre längst weg. Garantiert!“

      „Dann geht sie auch nicht mit ihm ins Bett!“, rief John sauer.

      „Du glaubst gar nicht, was Frauen alles aus Mitleid tun!“

      „Sprichst du da etwa aus Erfahrung?“, kicherte John.

      Er ließ sich doch nicht diesen Abend vermiesen! Weder durch seinen Vater, noch durch Timos halbherzige Versuche, ihm eine Frau anzubaggern.

      Timo gab ihm einen schmerzhaften Rand in die Seite.

      „Den hast du dir verdient, alter Miesepeter.“

      2

      Der Countdown für das alte Jahr lief. Noch 10 Sekunden. John sah auf die Tanzfläche. Die Menschen standen da und zählten die letzten Sekunden des Jahres mit. Um Punkt Mitternacht fielen sich alle um den Hals, als gäbe es kein Morgen. Idioten!

      Er behielt die schöne Unbekannte im Auge. Sie gab dem Typen, mit dem sie die ganze Zeit getanzt hatte, einen zaghaften Kuss auf die Wange. Jetzt habe ich den Beweis, triumphierte John innerlich. Am liebsten hätte er einen Freudentanz aufgeführt. Er sollte sich beherrschen, wenn er nicht alle Blicke auf sich ziehen wollte. Obwohl er dann endlich die volle Aufmerksamkeit der Frau für sich hatte.

      „Untersteh dich!“, zischte Timo, der anscheinend Johns Gedanken lesen konnte.

      „Den Typen jage ich über Bord“, lachte John und drückte Timo das Tablett in die Hand, bevor dieser sich wehren konnte und sprang auf die Tanzfläche, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

      Wenn das der Chef sieht! Der reißt dir den Allerwertesten auf, dachte Timo panisch. Stocksteif stand er mit dem Tablett da, als wäre er zur Salzsäule erstarrt. Eine Frau nahm sich lächelnd ein Glas vom Tablett, wodurch Timos