George Sand

Geschichte meines Lebens


Скачать книгу

bin ich total heiser geworden. Nun frage ich Dich aber, ob ich in diesem Zustande und während ich Dich ganz in meinem Herzen trage, bei den Dorfschönen, an denen wir vorüberfahren, den Angenehmen machen kann? Ich hätte viel mehr Ursache unruhig zu sein, wenn ich nicht an Deine Liebe glaubte, und wenn ich nicht wüßte, wie zartfühlend Du bist. Ach! wenn ich erst anfinge eifersüchtig zu sein, würde ich jeden Blick Deiner Augen bewachen und könnte um ein Nichts der elendeste der Menschen werden. Aber fern von mir diese Beleidigung unserer Liebe! Deinen Brief aus Saarburg, mein theures Weib, habe ich erhalten. Er ist liebenswürdig wie Du selbst, und hat mir Leben und Muth zurückgegeben. Wie allerliebst ist unsre Aurora! wie ungeduldig machst Du mich, zurückzukehren, um Euch Beide in meine Arme zu schließen. Ich beschwöre Dich, meine Geliebte, gieb mir oft Nachricht von Dir; adressire Deine Briefe: an Herrn Dupin, Adjutanten des Generals Dupont, Kommandanten der 1. Division des 6. Armeekorps, unter dem Oberbefehl des Marschalls Ney. Auf diese Weise werde ich sie immer erhalten, das Heer mag noch so oft seinen Standpunkt wechseln. Bedenke, theures Weib, daß dies die einzige Freude ist, die ich fern von Dir, inmitten der Mühen dieses Feldzugs genießen kann; erzähle mir von Deiner Liebe, von unserm Kinde; bedenke, daß Du mir das Leben entrissest, wenn Du aufhörtest mich zu lieben: bedenke, daß Du mein Weib bist, daß ich Dich anbete, daß ich das Leben nur Deinetwegen liebe und daß ich es Dir ganz gewidmet habe. Bedenke, daß Nichts in der Welt, außer der Ehre und der Pflicht mich von Dir fern halten könnte; daß ich von Mühen und Entbehrungen umgeben bin, die mir jedoch im Vergleich zu dem Schmerze, von Dir getrennt zu sein, wie Nichts erscheinen. Bedenke, daß nur die Hoffnung, Dich wieder zu finden, mich aufrecht erhält und mich an's Leben fesselt.

      „Lebe wohl, geliebte Frau; ich sinke vor Müdigkeit um, aber ich habe ein Bett für diese Nacht! In langer Zeit werde ich keins wieder finden, darum will ich es benutzen und will von Dir träumen. So leb' denn wohl, theure Sophie, wenn es möglich ist, schreibe ich Dir in Durlach. Empfange tausend zärtliche Küsse und gieb unsrer Aurora eben so viele. Sei ohne Besorgniß; ich verstehe mein Handwerk und bin glücklich im Kriege. Das Kreuz und Beförderung stehen mir bevor.

      „P. S. Wie bist Du darauf gekommen, daß man in Kriegszeiten doppelten Sold erhielte? Es ist ganz das Gegentheil, denn es ist nicht einmal die Rede von der Ankunft des Zahlmeisters. Da wir indessen kein Meer zu überschreiten haben, und da er früher oder später ankommen wird, fürchte nichts für mich, und hebe mir nichts von dem Gelde auf, was Dir meine Mutter geben wird. Schreibe ihr, um sie von Deiner Rückkehr nach Paris zu benachrichtigen.“

      Von meinem Vater an meine Mutter.

      Nürnberg, den 29. Vendémiaire, Jahr XIV.

      „Seit gestern Abend sind wir hier, meine geliebte Frau, nachdem wir den Feind vier Tage lang ohne Aufhören verfolgt haben. Wir haben die ganze östreichische Armee gefangen genommen; es sind kaum einige Mann davon übrig geblieben, um diese Nachricht und das Entsetzen darüber in Deutschland zu verbreiten. Der Prinz Mürat, der uns kommandirt, ist sehr mit uns zufrieden, und wird morgen oder späterhin für mich und drei andere Offiziere der Division, das Kreuz vom Kaiser erbitten.

      „Ich werde Dir von den Anstrengungen und Gefahren dieser zehn Tage nichts erzählen. Das sind die Widerwärtigkeiten des Handwerks. Aber was sind sie im Vergleich zu den Besorgnissen und Schmerzen, welche mir Deine Abwesenheit bereitet. Ich erhalte keine Nachrichten von Dir! es heißt sogar, daß keiner unserer Briefe nach Frankreich gelangt ist, weil der Feind unsern linken Flügel fortwährend beunruhigt hat. Denke Dir meine Qual, meine Angst! Weiß ich denn, ob Du Dich nicht furchtbar um mich kümmerst? ob Du das Geld erhalten hast, das ich Dir geschickt habe? Ob meine Aurora sich wohl befindet? — So getrennt zu sein von dem, was mir das Liebste auf der Welt ist! nicht ein Wort von ihnen erhalten zu können! Sei muthig, meine Geliebte! bedenke, daß die Trennung unsere Liebe nicht stören kann. Welch ein Glück, uns wiederzusehen, um uns nicht mehr zu trennen! Mit welchem Entzücken werde ich in Deine Arme eilen, sobald der Feldzug beendigt ist; dann reiße ich mich nie mehr von Dir los und werde Dir und Aurora alle meine Sorgfalt, jeden meiner Augenblicke weihen. Dieser Gedanke kann mich allein gegen den Kummer und die Sehnsucht kräftigen, die mich fern von Dir umlagern. Mitten aus den Schrecknissen des Krieges versetze ich mich zu Dir, und Dein sanftes Bild läßt mich den Wind, die Kälte, den Regen und alles Elend vergessen, dem wir hier ausgesetzt sind. Denke auch Du an mich, meine Geliebte! Bedenke, daß ich Dir die zärtlichste Liebe geweiht habe, die nur der Tod in meinem Herzen verlöschen kann. Bedenke, daß die geringste Kälte von Deiner Seite den Rest meines Lebens vergiften müßte, und daß ich Dich nur verlassen konnte, weil Beruf und Ehre mir eine heilige Pflicht daraus machten.

      „Morgen früh um fünf Uhr verlassen wir Nürnberg, um uns nach Regensburg zu begeben, wohin wir in drei Tagen kommen werden. Der Prinz Mürat befehligt unsre Division noch immer.“

      Von meinem Vater an meine Mutter.

      Wien, den 30. Brumaire, Jahr XIV.

      „Mein Weib! mein theures Weib! dieser Tag ist der schönste meines Lebens. Von Unruhe zerrissen, von Anstrengung erschöpft komme ich mit der Division nach Wien. Ich weiß nicht, ob Du mich noch liebst, ob Du Dich wohl befindest, ob meine Aurora traurig oder vergnügt ist, ob mein Weib noch immer meine Sophie ist. Ich eile nach der Post, mein Herz schlägt vor Hoffnung und Furcht — und ich finde einen Brief von Dir! ich öffne ihn mit Entzücken — ich zittere vor Glück, indem ich die süßen Ausdrücke Deiner Zärtlichkeit lese. Ja, ja! theures Weib, für das Leben bin ich Dein; nichts in der Welt kann die glühende Liebe mindern, die ich Dir weihe, und so lange Du sie theilst, will ich dem Geschick, den lächerlichen Ungerechtigkeiten trotzen. Um die Verdrießlichkeiten meines Lebens ertragen zu können, war es sehr nöthig, daß ich einen Brief von meiner Frau zu lesen bekam.

      „Nachdem ich mich als guter Soldat geschlagen und hundert Mal mein Leben für den Erfolg unserer Waffen gewagt habe, nachdem meine theuersten Freunde an meiner Seite gefallen sind, habe ich den Kummer gehabt, unsre glänzendsten Waffenthaten ignorirt oder durch das militärische Bedientenvolk entstellt und verdunkelt zu sehen. Ich weiß, was ich damit sagen will, und Du mußt es auch wissen und mußt die Höflinge erkennen. Ich war ohne Unterlaß an der Spitze der Regimenter unsrer Division und da habe ich gesehen, daß Muth und Unerschrockenheit überflüssige Eigenschaften sind, und daß nur die Gunst Lorbeeren ertheilt. Mit einem Worte: vor zwei Monaten waren wir unsrer Sechstausend, jetzt sind wir nur noch unsrer Dreitausend. Wir haben dem Feinde fünf Fahnen genommen, worunter zwei russische waren, wir haben fünftausend Gefangene gemacht, haben zweitausend Mann getödtet, haben vier Geschütze erbeutet — das Alles im Zeitraum von sechs Wochen, und nun sehen wir täglich in den Rapporten die Leute nennen, die nicht das Geringste gethan haben, während wir in Vergessenheit bleiben. Aber die Achtung und Zuneigung unserer Kameraden trösten mich; ich werde wieder ein armer Teufel sein, aber umgeben von Freunden, die ich auf dem Schlachtfelde gewonnen habe, und die aufrichtiger sind, als die Herren vom Hofe. Nun belästige ich Dich mit meiner düstern Laune, aber wem kann ich meine Sorgen mittheilen, wenn nicht meiner Sophie, und wer kann dieselben besser theilen und mildern als sie?

      „Da unsere Soldaten ganz erschöpft sind, und da wir uns seit acht Tagen ohne Aufhören mit den Russen geschlagen haben, hat man uns endlich aus Mähren hierher geschickt, damit wir uns etwas ausruhen sollen. In der Affaire von Haslach [Während dieser ruhmvollen Affaire hatten sich die Oestreicher in Albeck auf die Bagagewagen der Division Dupont geworfen, hatten sich derselben bemächtigt und hatten so, wie Thiers sagt, einige gewöhnliche Trophäen gewonnen; ein elender Trost für die Niederlage von 25,000 Mann gegen 6000.] habe ich Alles verloren, aber ich habe mich dafür auf Kosten eines Dragoner-Offiziers von Latour entschädigt, den ich aus dem Sattel hob.

      „Man verspricht uns lauter schöne Dinge, aber Gott mag wissen, wann es dazu kommt! Meine Mutter schreibt mir, daß es Dir an Nichts fehlen soll und daß ich darüber ruhig sein kann. Aber sage nur, mit welcher neuen Thorheit Du mich wieder regalirt hast? Debaix hat bis zu Thränen darüber gelacht. Demoiselle Roumier ist meine alte Bonne und