es und erlangte dadurch seine verlorene Fassung wieder. Mit ernstem Ton wandte er sich an den Baron:
"Mein Herr, Sie haben heute Morgen mich und noch mehr die Dame, deren Begleiter zu sein ich die Ehre hatte, beleidigt - "
Landsfeld verbeugte sich schweigend.
"Ich habe kein Recht, nach dem Grunde dieses Betragens zu fragen, obwohl ich gestehen muß, daß es mir um so auffallender war, als ich mich nicht erinnere, jemals das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft gehabt zu haben."
"Da bin ich glücklicher gewesen. Denn ich bin der festen Ueberzeugung, daß ich, obwohl unbewußt, schon lange der Ehre theilhaftig war, von Ihnen gekannt zu sein."
Berger erröthete.
"Ich irre wohl nicht, wenn ich bei Ihnen die Absicht, zu beleidigen, voraussetze?"
Landsfeld verbeugte sich abermals, als ob ihm eben die größte Schmeichelei gesagt worden.
"Sie sind bereit, mir Genugthuung zu geben?"
Abermalige Verbeugung.
"Bestimmen Sie gefälligst die Waffen."
"Erlauben Sie mir eine scheinbar indiskrete, aber, wie ich Sie auf mein Ehrenwort versichere, in der wohlmeinendsten Absicht gestellte Frage. - Sind Sie auf Säbel eingeschlagen?"
"Nein, - weshalb?"
"So wollen wir Pistolen wählen."
"Herr Baron, ich hoffe, daß Sie mit neuen Beleidigungen bis nach der Tilgung der ersten warten werden. Was soll diese Schonung und Großmuth bedeuten?"
"Mein lieber Herr" - sprach der Baron mit herzlichem Ton - "Sie irren sich in mir. Ich will Ihnen die Gründe sagen, weshalb ich Pistolen vorziehe. Der Säbel ist meine Lieblingswaffe. Wählte ich ihn, so würden Sie den Mangel an Kunst in der Führung durch die Methode zu ersetzen suchen, die man Naturalisiren zu nennen pflegt. Sie würden blind darauf los schlagen. Unter solchen Umständen ist Hundert gegen Eins zu wetten, daß Einer von uns lebensgefährlich verwundet wird."
"Glauben Sie denn, daß wir ein Possenspiel aufführen wollen?"
"Das nicht. Aber ich bekenne Ihnen aufrichtig, daß ich weder Lust habe, einen Stich in den Leib zu bekommen, noch Ihnen einen ähnlichen Liebesdienst zu erweisen."
Das Gespräch wurde durch das Eintreten des Dieners unterbrochen, der seinem Herrn einige Worte leise ins Ohr flüsterte.
"Gut." - sagte der Baron - "Ich lasse bitten, im Vorzimmer einige Augenblicke zu verziehen. - Sieh' zu, Carl," fügte er leiser hinzu - "daß dieser Herr nichts bemerkt. Wenn er fort ist, werde ich rufen."
"Ich muß gestehen" - sagte Berger zum Baron - "daß Sie eine eigenthümliche Anschauung dieser Angelegenheit haben. Weshalb schlagen wir uns denn?"
"Das frage ich Sie. Ich sehe keinen Grund dazu. Aber da Sie behaupten, von mir beleidigt zu sein, so bin ich bereit, Ihnen das Vergnügen zu machen, vorausgesetzt, daß wir es Beide nicht mit zu großen Opfern bezahlen."
"Sie sind ein merkwürdiger Mensch" - bemerkte Berger, der nicht wußte, was er dazu sagen sollte, da er sich vergeblich Mühe gegeben hatte, der Sache ein feierliches Ansehen zu geben, und sein ganzes Vorhaben jetzt fast lächerlich fand. Am liebsten wäre er ganz davon abgestanden, wenn er die Sache nicht noch zu verschlimmern gefürchtet hätte. Außerdem gab es noch einen Gedanken in seiner Seele, der ihn davon zurückhielt. Alice. Nicht als wenn er durch dieses Duell, selbst wenn es glücklich für ihn enden sollte, einem Wunsche von ihr zu genügen geglaubt hätte. Im Gegentheil hatte Alice alle Mittel ihrer Ueberredungskunst aufgeboten, um ihn davon abzubringen, und hatte zuletzt nur geschwiegen, als er sie fragte, ob sie den Gedanken ertragen könnte, ihren Geliebten öffentlich und vor ihren Augen entehrt und beschimpft zu sehen. Hauptsächlich und der vielleicht ihm selbst nicht ganz klar im Hintergrunde seines Bewußtseins schlummernde Grund aber war der Ehrgeiz, vor den Augen seiner Geliebten auch mit andern Waffen, als denen der Liebe, seine Mannhaftigkeit zu beweisen. - Einen Augenblick schwebte ihm zwar das Bild der harmlosen Lydia vor, aber so fest und tief war er bereits in den Liebesbanden Alicens verstrickt, daß die Erinnerung an die Wonne, welche er in ihren Armen gefunden, jenes vorwurfsvolle Bild schnell in ihm verwischte.
"Gut" - sagte er nach einer Pause, während deren er von Landsfeld, der dem Gange seiner Gedanken gleichsam mit den Augen zu folgen schien, scharf beobachtet wurde - "ich nehme Ihren Vorschlag an. Auch steht mir ja ohnehin keine Wahl zu. Bestimmen Sie das Weitere."
"Dreißig Schritt Distance und zehn Schritt Barrière, wenn's Ihnen so recht ist. Wir wechseln Jeder zwei Schüsse, ob zugleich', ob nach einander, will ich Ihnen überlassen. Im letzteren Falle bleibt derjenige, welcher den Schuß gethan, stehen, während der Gegner das Recht hat, bis an die Barrière vorzuschreiten."
"Und die Sekundanten?"
"Ich glaubte, da Sie Ihren eigenen Cartelträger abgaben, würden Sie auch in Verlegenheit um einen Sekundanten sein?"
"In der That, ich wüßte nicht - "
"Nun wohl. Was bedürfen wir der Zuschauer. Auch ich habe keinen Bekannten hier, der mir diesen Dienst leisten könnte. Aber was meinen Sie dazu, daß wir unsere beiden Damen, die ohnehin schon Zuschauer der Scene gewesen sind, welche unseren Kampf hervorgerufen hat, bäten, diese Funktion zu übernehmen. Daß sie sich darauf verstehen und ihre Sachen gut machen werden, dafür bürge ich Ihnen." -
Der letzte Zusatz berührte Berger unangenehm, da er eine Anspielung auf die frühere genaue Bekanntschaft des Barons mit Alicen enthielt. Indeß gab er freudig seine Zustimmung, weil er dann unter den Augen Alicens kämpfen würde.
"Nun bleibt noch die Zeit und der Ort zu bestimmen übrig."
"Morgen in der Frühe um 6 Uhr, wenn's Ihnen gelegen ist. Wozu langer Aufschub?"
Berger eilte seiner Wohnung zu, um noch einen Brief an Lydia zu schreiben - und dann in die Arme Alicens.
Einen Augenblick blieb Landsfeld, nachdem ihn Berger verlassen, regungslos auf derselben Stelle sitzen. Dann stürzte er schnell ein Glas Wein hinunter und sprang auf. Nach einigen raschen Gängen durch das Zimmer trat er vor den Spiegel und studirte einige Sekunden die Züge seines Gesichts. Das Resultat seiner Forschungen schien nicht allzugünstig zu sein.
"Verdammte Bewegung" - murmelte er vor sich hin, "die ich noch immer nicht bemeistern kann. Was ist doch die menschliche Willenskraft für ein erbärmliches Ding, wenn sie trotz aller Uebung nicht einmal diesen Linien und Falten gebieten kann, daß sie eine beliebige Form und Wendung nehmen, gleichviel ob es im Innern stürmt oder Windstille ist. Und was bewegt mich so, was weckt in meiner Brust die schlummernde Windsbraut, daß sie die Blutwogen durch die Adern peitscht, als sollte die rothe Brandung alle Ufer durchbrechen? - Ein Weib - nur ein Weib! Richard, wie klein bist du. Fühlst du es nicht, daß es vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt ist? Hüte dich vor dem Cothurn, Alicen gegenüber; sonst bist du verloren. - Und doch, zwanzig Kugeln will ich lieber mit dem blonden Schäfer über dem Schnupftuch wechseln, als einen Kampf der Verstellung mit Alicen wagen. Genug der Reflexionen. Es ist die höchste Zeit zum Handeln. - "Carl!" - rief er mit lauter und ruhiger Stimme. -
Die Thüre öffnete sich. Landsfeld war überrascht, als er statt seiner frühern Geliebten eine männliche Gestalt über die Schwelle schreiten sah. Ein zweiter schärferer Blick überzeugte ihn jedoch, daß er sich in seiner Erwartung nicht getäuscht habe. Es war Alice. Sie war in Männerkleidern, über die sie einen weiten, faltigen Mantel geworfen. Schweigend wies Landsfeld auf das Sopha. Sie ließ den Mantel fallen und stand vor ihm da in jener geschmackvoll phantastischen Tracht, die Landsfeld für sie in Venedig nach eigener Er-findung hatte fertigen lassen und in der sie so oft mit ihm Ausflüge auf die Lagunen gemacht.
Eine dunkelblaue, kurze, mit goldenen Schnüren besetzte Sammetkasawaika, die, durch einen schmalen goldenen Gürtel gehalten, den schlanken Leib umschloß, reichte bis zu dem vollen biegsamen Hals hinauf, der von einem einfach, aber sehr fein gestickten Brüsseler Kragen umschlossen war, und sich glatt, aber ungezwungen über das blaue Kleid legte. Weite und faltenreiche weiße seidene Beinkleider fielen bis auf den