einmal an den Computer gesetzt, um nach Möglichkeiten für eine letzte Therapie zu suchen. Er las jeden Artikel, aber alles, was dort publiziert wurde, kam für ihn nicht infrage. In seiner langen Leidenszeit hatte er viel gelernt und sein Freund und Arzt Konrad Knibbel hatte alles gründlich mit ihm besprochen. Janosch war müde, aber da er sowieso keinen erholsamen Schlaf finden würde, recherchierte er unermüdlich weiter. Gegen Morgen war er enttäuscht und gelangweilt, sodass er sogar schon die Werbeanzeigen anklickte.
„So ein Mist, das braucht kein Mensch.“
Plötzlich strahlte ihn eine Frau an, die einen weißen Kittel trug. Der blaue Schimmer, der auf ihren Augenlidern lag, unterstrich die Farbe ihrer Augen. Ein gewinnendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Zwei kleine Grübchen gaben ihr ein angenehmes Äußeres, das natürlich und gepflegt wirkte. Das blonde Haar fiel ihr locker über die Schultern. Die Frau gefiel Janosch und so wollte er wissen, wer sie war.
„Eine Ärztin wie es scheint. Moment … hier … ah, Prof. Dr. Ramona Zackig, privates Forschungsinstitut für Onkologie und Hämatologie. Sprechen Sie mit Ihrem Facharzt über eine Überweisung. Aha, diese nette Frau könnte meine Ärztin sein.“
Er las weiter, um herauszufinden, wo sich diese Praxis befand. Über die Finanzierung machte er sich keine Sorgen, denn wofür sonst sollte er sein Geld ausgeben, wenn nicht für den Kampf ums Überleben.
Janosch gab den Namen in die Suchmaschine ein und sein Herz machte einen Sprung: Die Praxis der Ärztin befand sich in Eltville, in einer der Villen am Rande der Stadt. Er atmete hastig aus und ein, weil er das Gefühl hatte, hier die Lösung aller Rätsel gefunden zu haben.
„Mensch!“, rief er laut in die nächtliche Stille. „Sie ist eine Professorin und das auch noch in der Onkologie. Ich muss wissen, was sie für mich tun kann.“
In ihren beiden fachlichen Publikationen, die er entdeckte, ging es hauptsächlich um Leukämie, Lymphdrüsenkrebs und Knochenmarkkrebs. Warum hatte er diese Ärztin nicht längst gefunden? Irgendwie hatte er seine Suche oft schon nach drei Seiten erschöpft abgebrochen. Heute hatte er weiter und weiter gescrollt und so war er auf die Werbeanzeige gestoßen. Weiter unten stand ein anderer Name. Dr. Max Hähmann war anscheinend ihr Partner in der Forschung. Unter seinem Namen tauchten jetzt mehrere Artikel auf, die sich ausschließlich mit der Behandlung von Knochenmarkkrebs beschäftigten. Er hatte bereits zwei Medikamente erschaffen, die einen ganz neuen Ansatz zur Therapie zeigten.
Atemlos las Janosch weiter und es war schon hell, als er wieder Hoffnung auf ein Leben geschöpft hatte. Es hörte sich alles sehr wissenschaftlich an und er wollte sich dieser Wissenschaft ergeben, solange sie ihn retten konnte. Er musste sich einen Termin holen, aber so lange er auch suchte, er fand keine Telefonnummer und auch keine E-Mail-Adresse. Ebenso umsonst suchte er nach einer genauen Adresse.
„Ganz exklusiv also. Na dann, morgen werde ich nach dieser Praxis suchen und der Frau so lange auf die Nerven gehen, bis sie bereit ist, mir zu helfen.“
Janosch spürte die erdrückende Müdigkeit, die in diesem Moment die Euphorie verdrängte. Er schleppte sich ins Bett und schlief augenblicklich ein.
Am späten Nachmittag wachte er auf und als ihm einfiel, was er in der Nacht recherchiert hatte, sprang er aus dem Bett. Er fühlte sich stark und voller Hoffnung. Frisch geduscht und mit einer Scheibe trockenem Toast im Magen rief er Konrad an.
„Janosch, ist etwas passiert? Brauchst du meine Hilfe?“
„Nein, nein, es geht mir gut. Ich habe bis eben geschlafen, weil ich die ganze Nacht im Internet unterwegs war. Stell dir vor, ich habe etwas gefunden!“
„Das freut mich wirklich. Komm her!“
Konrad wohnte nur drei Straßen weiter und Janosch machte sich zügig auf den Weg. Einen Moment später saßen sie in einem gemütlichen Wohnzimmer und tranken Tee.
„Schieß los!“, forderte Konrad seinen Freund auf.
„Kennst du eine Professor Doktor Zackig? Sie hat ein Institut hier in Eltville.“
„Ja, ich kenne den Namen. Doch das ist keine Arztpraxis. Sie behandelt dort keine Patienten, die vorbeikommen und man bekommt auch keinen Termin, als wenn man normal zum Arzt geht.“
„Das ist mir egal, kannst du dafür sorgen, dass sie mich anhört? Du erzählst ihr, dass ich fast schon tot bin und überzeugst sie davon, dass sie mir hilft.“
„Ich kann gerne mal nachfragen. Aber mach dir nicht so große Hoffnungen. Diese Frau arbeitet hauptsächlich in der Forschung.“
„Wenn sie mir damit das Leben rettet, kann sie gerne an mir herumforschen.“
„Warte, ich probiere es. Die Onkologie in Wiesbaden hat ihre Nummer.“
Konrad griff zum Telefon, rief zuerst seinen Kollegen in Wiesbaden und danach die Wissenschaftlerin an. Nach einer halben Stunde, in der Konrad Janoschs Krankheit ausführlich beschrieb, legte er auf.
„Sie sagt, sie ist nicht die richtige Ärztin für dich. Aber sie hat mir drei Kollegen empfohlen.“
Janosch sprang auf und lief auf und ab.
„Was soll das heißen? Wie will sie denn nur von Telefon her wissen, dass sie mir nicht helfen kann? Das ist unterlassene Hilfeleistung!“
„Janosch, bitte beruhige dich. Lass uns morgen früh gleich die drei Ärzte kontaktieren, vielleicht können sie etwas für dich tun.“
Konrad machte sich Sorgen um seinen Freund, der sich hier wohl in etwas verrannt hatte. Janosch setzte sich wieder erschöpft in den Sessel. Sein Atem ging schwer und kalter Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Mühsam versuchte er sich zu beruhigen.
Dann rollten Tränen der Verzweiflung über seine eingefallenen Wangen und tropften auf seine Knie.
„Sie will mir nicht helfen. Was ist das für eine Ärztin? Was kann man denn noch falsch machen bei mir? Ich krepiere doch so oder so!“
Seine Schultern bebten und Konrad sah ihn voller Mitleid und Schmerz an. Er würde seinem Freund so gern helfen, aber es gab wirklich nichts mehr. Jede neue Chemotherapie oder gar eine Immuntherapie würden ihn töten. Er ging hinüber zum Sessel und legte einen Arm um Janosch.
„Bitte mach, was wir gestern besprochen haben. Genieße die letzte Zeit! Und ich erkundige mich morgen nach den drei Spezialisten. Einverstanden?“
Janosch nickte und erhob sich. Er zog sich die Jacke an und verabschiedete sich. Langsam schlenderte er durch die Stadt. Seine Füße trugen ihn automatisch zu den Villen am Stadtrand. Welches Haus konnte es sein? Irgendwann blieb er stehen und sah durch die schmiedeeisernen Gitter eines großen Tores. Es war längst dunkel. Am Klingelschild stand „R.Z.“ und ein Schauer lief über Janoschs Rücken.
„Das muss es sein. R … Z … Ramona Zackig. Frau Professor, ich komme morgen wieder.“
Er sah das Licht in den Fenstern im Erdgeschoss. Mit einem Seufzen lief er heim.
4
Der Samstagmorgen begann mit viel Licht, das in Biancas Schlafzimmer fiel. Sie hatte vergessen, die Rollläden herunterzulassen. Um zwei Uhr war sie heimgefahren und ins Bett gefallen. Das Gespräch mit Ferdinand hatte ihr gutgetan und sie war bereit für Eric. Es war acht Uhr, in zwei Stunden würde er zurückkommen von der Nordsee und sie musste sich der Angelegenheit stellen.
Eine halbe Stunde später sprang sie aus dem Bett, duschte, machte eine Haarkur, während deren Einwirkzeit sie sich Kaffee kochte und zwei Scheiben Toast in den Toaster schob. Es duftete köstlich und wie zur Bestätigung des schönen Morgens brach die Sonne durch die Wolken.
„Das kann ja nur gut werden“, murmelte sie, als sie den Tisch deckte.
Sie setzte sich und frühstückte. Dabei las sie noch einmal Erics Nachrichten auf dem Handy und versuchte, irgendwelche Worte und Sätze zu entdecken, die ihr Angst machen könnten. Nichts, dachte sie,