Ute Dombrowski

Verlogenes Versprechen


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hat. Ich habe gar keine Ahnung, wie das alles funktioniert, darum muss ich mich erstmal schlau machen.“

      „Das kann ich doch machen!“

      Ferdinand sah Bianca so sehnsüchtig an, dass sie lachen musste. Er langweilte sich anscheinend wirklich und diese kleine Aufgabe konnte er von zuhause erledigen, also nickte sie. Ferdinand freute sich sichtlich und auch Hannes fand die Idee gut.

      „Dann kümmere du dich um die Informationen über die Einäscherung und wir leiten eine Obduktion in die Wege.“

      Ferdinand grinste.

      „Ich habe schon eine super Idee. Jetzt muss ich zum Arzt zur Abschlussuntersuchung. Ich hoffe, er erlaubt mir bald wieder arbeiten zu gehen.“

      „Was hast du vor?“, fragte Bianca.

      „Ich könnte mir ja einen Pflegedienst kommen lassen, denn schließlich bin ich sehr krank.“

      Bianca lachte.

      Hannes sagte trocken: „Na, nicht, dass du dann beim Pathologen im Eisfach landest.“

      Ferdinand zwinkerte und verließ das Büro. Bianca setzte sich an den Schreibtisch.

      „Gut, dann ruf du mal unseren Dr. Jonn an und ich fahre in die Staatsanwaltschaft wegen der Obduktion.“

      7

      Janosch saß bei Konrad Knibbel und erzählte ihm unter Tränen von der Reaktion der Professorin.

      „Sie wollte mir nicht helfen, glaube mir, sie war erst freundlich, dann plötzlich unterkühlt.“

      „Ach Janosch, sie wird viel Arbeit haben, wenn sie in der Krebsforschung tätig ist. Das heißt doch nicht direkt, dass sie nicht freundlich ist.“

      „Doch, ich bin mir ganz sicher, aber ich weiß nicht, wieso sie auf einmal so anders war. Es fühlte sich an, als hätte sie in einem Moment noch Zuversicht vermittelt und auf einmal war ich ihr egal. Kennst du die Frau? Seid ihr euch mal begegnet?“

      „Ich kenne ihren Namen, aber begegnet sind wir uns noch nie. Sie soll eine Koryphäe auf ihrem Fachgebiet sein, aber sie ist nicht Gott. Janosch, wenn sie dir nicht helfen kann, dann keiner.“

      „Vielleicht mochte sie mich nicht. Aber du … Konrad, du bist ein Arzt, kannst du sie nicht nochmal anrufen und davon überzeugen, dass sie mir hilft?“

      Janosch hatte sich die Tränen abgewischt und sah seinen Freund hoffnungsvoll an. Konrad fühlte sich schlecht und unfähig, denn er wusste, dass er seinem besten Freund nicht mehr helfen konnte. Er hatte ihm nie gesagt, dass er sich fühlte, als sei er der Verkünder und gleich auch der Vollstrecker des Todesurteils. Es war, als würde er selbst Hand anlegen und Janoschs Leben beenden. Aber Janosch war in einem schlechten Zustand, da wollte er ihn nicht noch mit seinen Alpträumen belasten.

      Wie ferngesteuert und um seinen Freund nicht noch mehr zu enttäuschen griff er erneut zum Hörer. Er horchte ins Telefon, aber niemand meldete sich.

      „Sie ist sicher im Institut um diese Zeit. Ich versuche es später noch einmal. Wollen wir heute Abend zusammen essen gehen?“

      „Essen? Seit sie mir die Hoffnung genommen hat, bleibt nichts mehr drin. Willst du zuschauen, wie ich auf den Tisch kotze?“

      „Ach Janosch, hör auf. Wir sind Freunde und die unternehmen mal was zusammen. Wenn du nicht essen willst, mach einen Vorschlag.“

      Janosch schämte sich plötzlich, weil er seinen einzigen Freund vor den Kopf gestoßen hatte und wollte es wiedergutmachen.

      „Es tut mir leid, komm doch zu mir, dann schauen wir einen Film oder spielen etwas. Du kannst dir ja eine Pizza bestellen.“

      „Gut, also bis später.“

      Konrad lächelte und nahm sich vor, gleich noch einmal bei der Frau anzurufen, um sich zu erkundigen, ob sie nicht doch in absehbarer Zeit eine Hilfs­möglichkeit sehen würde, Janoschs Leben zu retten oder wenigstens zu verlängern.

      Er stand auf und begleitete Janosch zur Tür. Die Sprechstundenhilfe sah ihn an und wartete auf sein Nicken, dass der Arzt den nächsten Patienten sehen wollte, aber Konrad schüttelte den Kopf und hob die Hand. Er ging zurück ins Behandlungszimmer und drückte die Wahlwiederholung. Dieses Mal ging Prof. Dr. Zackig dran.

      Konrad erklärte, warum er anrief.

      „Es tut mir sehr leid für Ihren Freund“, sagte Ra­mona und Konrad spürte deutlich ihre Distanz.

      „Ich weiß, dass Janoschs Leben bald vorbei sein wird und habe ihn gebeten, noch einmal zu leben und das zu tun, was er immer schon mal machen wollte, aber ich denke, dazu hat er jetzt schon keine Kraft mehr. Bitte, Frau Professor, wenn es auch nur ein Prozent Hoffnung gibt, dann helfen Sie ihm.“

      „Ich habe Ihrem Freund schon genauestens geschildert, dass wir kein Mittel haben, das zu seinen Krankendaten passt.“

      „Können Sie ihm wenigstens Zeit verschaffen? Einen Aufschub?“

      „Gott gibt auch keinen Aufschub, wenn er denkt, dass das Ende kommt, aber ich werde mir noch ein weiteres Mal die Akten ansehen. Ich melde mich bei Ihnen, wenn mir etwas einfällt. Und jetzt muss ich weiterarbeiten.“

      Sie legte auf, ohne weiter auf Konrad einzugehen. Nach dem Telefonat war er erschüttert. Genauso wie Janosch hatte nun auch er das Gefühl gehabt, dass er mit einer eiskalten Person geredet hatte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Wie konnte man als Ärztin so sein? Sie hatten alle einen Eid geschworen, aber der Frau Professor waren wohl Ehrfurcht und Menschlichkeit verloren gegangen. Seufzend beschloss er, Janosch nichts von dem Gespräch zu erzählen, solange sie sich nicht meldete. Er rief in seiner Lieblingspizzeria an und bestellte für halb acht eine große Salamipizza, die sie zu Janosch liefern sollten. Zufrieden, wenigstens den Abend mit seinem Freund verbringen zu können, ließ er den nächsten Patienten aufrufen.

      Janosch hatte sich unterdessen auf den Heimweg gemacht. Es war erst Mittag und bis zum Treffen mit Konrad war noch viel Zeit, also beschloss er, zur Villa von Prof. Dr. Zackig zu fahren und sie im Auge zu behalten. Er nahm sein Auto und stellte sich auf ein paar Stunden Beobachtung ein.

      Ein winziges Lächeln flog beim Einparken über sein Gesicht, fühlte er sich doch sofort wie ein Detektiv, der eine wichtige Observation durchführte. Er trank einen Schluck Wasser und sah auf das große Tor. Eine Weile passierte nichts, nur ein Eichhörnchen lief emsig hin und her, um für den Rest des Winters vorzusorgen.

      „Bald kommt der Frühling … ob ich den noch erlebe?“, murmelte Janosch, als sich plötzlich das Tor öffnete und eine dunkle Limousine herausfuhr.

      Er bildete sich ein, Ramona hinter den getönten Scheiben erkannt zu haben. In einem Anflug von Neugier folgte er dem Wagen bis ins Erbacher Indus­triegelände, wo er hinter einem anderen undurchdringlichen Gittertor wieder verschwand. Es war zur Seite gefahren und schloss sich in dem Moment, als Janosch die Handbremse anzog.

      Voller Enttäuschung sah er, dass aus dem Auto nicht Ramona ausstieg, sondern ein drahtiger Mitvierziger, der seinen Anzug glattstrich, die Aktentasche unter den Arm klemmte und in einem flachen Gebäude verschwand.

      Janosch wusste nicht, wer er war und was er dort tat, also fuhr er zurück zur Villa, um gerade noch zu sehen, dass Ramonas Sohn mit dem Moped auf das Grundstück fuhr. Es war ein Uhr und er schien aus der Schule zu kommen. Janosch starrte Haus und Tor an, aber in den nächsten zwei Stunden kam nur noch die Post und ansonsten passierte nichts. Er wollte eben nach Hause fahren, da traten Ramona und ihr Sohn aus dem Haus, setzten sich ein einen Sportwagen und einen Augenblick später sah er, wie das Fahrzeug durch das Tor rollte. Mutter und Sohn schienen guter Laune, denn er sah, wie sie lachend den Kopf zurückwarf.

      Janosch spürte einen Stich im Herzen. Es war Eifersucht - auf das Glück der beiden Menschen, auf ihre Fröhlichkeit, ihre Unbeschwertheit, aber besonders auf ihr LEBEN, das sicher noch lange dauern würde.

      Irgendwann, lange vor