Erik Kejser

Ja, so ist das Leben, eben.


Скачать книгу

„Schupf´n“, Großvater mit dunkler Sonnenbrille, Tschik in der „Papp´n“, daneben ein zerlegtes Fahrrad und ein Doppler Wein.

      Sein hartes Gesicht strahlte Autorität aus, die Mafia beginnt in Wulkaprodersdorf.

      Er war ein harter „gerechter“ Mann. Als mein Vater heiratete und überzeugt war, das der burgenländische „Haxenbeidler Wein“ zu sauer war, zuckerte er seinem Vater alle Weine etwas auf. Mein Großvater knallte ihm eine, am Hochzeitstag vor seiner Frau.

      Die Mafiaweiber gingen komplett in schwarz gekleidet, schwarzes Kopftuch war Usus, aber sie waren keine Muslime, sondern streng katholisch. Das Gebot, du sollst nicht Unkeuschheit treiben nahmen sie nicht so genau, sie hatten nicht einmal String Tangas an, zogen den schwarzen Kittel in die Höhe und „brunzten“ vor mir in den Sand.

      Mein Bruder und ich gingen fischen an die nahe Wulka, mein Bruder bastelte sich eine Art Fischreuse, mein Großvater freute sich über das Handwerkliche Geschick seines Enkels. Als er das geborgte Fahrrad, zwecks Reinigung in den Fluss tauchte, war er allerdings sprachlos, der Hitlerschnauzbart stand ihm zu Berge, aber ohne Gewalt ölte er das komplette Fahrrad.

      Er konnte ja nachsichtig sein, er war der Familienpatriarch, er soff jeden Tag einen Doppelliter Wein (ohne die geringste Schwankung), er aß seine Eierspeis. Für die Kinder gab´s eine Nahrhaften „Sterz“.

      Für unsere Familie gab es als Abschiedsdeputat, Karnickel im Karton, mit Luftlöchern. Ihr neuer Stall war jetzt unsere neue Badewanne, vom Vater eigenhändig montiert.

      (Leider war er bei den Stemmarbeiten etwas zu weit ins Stiegenhaus geraten. Ich "unterstützte" ihn natürlich bei dieser Arbeit und stemmte zwei ordentliche Löcher am Balkon, ins Gebäude. Seltsamerweise ohne nennenswerte Reaktion.

      Beides wurde schnell notdürftig verputzt und im Stiegenhaus mit meinem Wasserfarbenmalkasten, das Muster erneuert. Diese Kunstwerke sind heute noch zu bewundern).

      Solange die Kaninchen klein waren, hatte ich Spielgefährten. Eines Sonntags war Schluss damit, ich boykottierte das Mittagessen. Bis heute habe ich bei Kaninchenbraten ein trauriges Gefühl.

      Ihren Lebensabend verbrachte meine Großmutter bei uns. Nach dem Tod ihres Mannes, - im tiefsten Burgenland bahrte man die Verstorbenen, im offenen Sarg zu Hause auf (mein erster Toter), verfiel sie zusehends. Ihre letzten Tage, verbrachte sie auf meiner Couch, ich schlief mit meinem Bruder auf der Bettbank.

      Doppelbettbank, wir waren reich.

      An ihrem Todestag, öffnete sie plötzlich die Schlafzimmertüre, im weißen Nachthemd murmelte sie einige unverständliche Worte. Meinen Bruder und mir blieb das Herz stehen. Es stimmt, im Angesicht des Todes entwickeln Menschen ungeahnte Kräfte.

      Meine Schlafstätte stand den ganzen Winter auf unserem Balkon.

      Im Frühjahr bekam ich sie wieder.

      Wenn wir nicht soweit in den „Süden“ fuhren, besuchten meine Freunde und ich das Kinderfreibad. Wir ließen uns die Sonne auf den Pelz scheinen und gaben vor, im seichten Wasser bereits schwimmen zu können, auch „Hundskraulen“ genannt. Aber Übung macht den Meister, ich wurde immer schneller und berührte den Beckenboden mit den Händen nicht mehr. Meine Freunde nahmen mir nicht ab, das ich mir schwimmen beigebracht hatte. Ich zog sie in tieferes Gewässer und gab das Kommando:“ Alle „Hundskraulen“! Jetzt waren sie beleidigt.

      Am Wochenende war das Freibad geschlossen, jedoch nicht für uns. Wir kletterten über den Eisendornenzaun. Ich stützte mich dabei schlecht zwischen den Eisendornen auf, eigentlich kein Problem, ein blutiges Problem wird es, wenn das leichte Körpergewicht auf die Handflächen drückt. Ich sah aus wie Jesus Christus nach der Kreuzigung.

      So etwas merkt man sich fürs ganze Leben.

      Ich nicht. Jahre später, im Wiener Praterstadion, wollten wir die Stehplätze gegen Sitzplätze tauschen. Metallzackenzaun, - mein Freund und ich waren wieder Christuspassionsschauspieler geworden.

      Meine ersten Freundinnen waren alle wesentlich älter als ich, vermutlich waren es eigentlich die Freundinnen meines Bruders. Aus welchem Grund auch immer, standen sie auf mich. Erika, fünf Jahre älter als ich, (gestern hab ich sie zufällig getroffen, eigentlich noch ganz resch, aber was mach ich mit so an alten Weib), also diese Erika legte ihre gesamte Barschaft aus und kaufte mir eine Spritzpistole, genau das richtige in einem heißen Sommer Sie stand mein Leben lang hoch im Kurs bei mir, vielleicht lade ich sie doch auf einen Kakao ein. Mit den anderen Mädels, Christa, Inge konnte man seine ersten Erfahrungen sammeln.

      Aber eigentlich war das Abenteuerleben wichtiger. Es gab damals noch einen zweiten parallelen Eisenbahntunnel neben der heutigen Schnellbahn, der vom Gürtel bis in den zehnten Bezirk führte, fast bis zum Amalienbad. Wir konnten also in ca. zwanzig Minuten, schneegeschützt, baden gehen. Der Tunnel ist schon jahrelang von Außen zugeschüttet, aber falls ich jemals einen guten Fluchtweg benötige, ich weiß einen.

      Gegensprechanlage in den Bauten gab es eine Einzige, ich denke, weil wir kleinen Jungs sie bei einer so genannten „Glöckerlpartie“ missbrauchten. Wir läuteten schnell bei mindestens Zehn Parteien an, die ersten beiden unterhielten sich noch gegenseitig, dann schwere Beleidigungen, aber da waren wir schon um die Ecke.

      Die Haustore waren noch alle unversperrt, man konnte fast alle städtischen Vierkanthöfe innen durchqueren. In einen dieser grünen Innenhöfe gab es eine alte Werkstatt, um über die nächste Mauer klettern zu können, musste man über ein Holzdach. Klein und behände kletterten wir Regenrinnen rauf und liefen vorsichtig über das morsche Holzdach. Es war schon dämmrig, als ausgerechnet bei mir Leichtgewicht die Holzbalken des Daches einbrachen. Blitzschnell konnte ich mich gerade noch an einem noch intakten Balken klammern. Geschockt und mit Einsatz aller Kräfte zog ich mich hoch. Meine Freunde schauten gespannt zu, in die Nähe der morschen Balken wagte sich jedoch keiner. Ein drei Meter Absturz, womöglich auf eine Hobelbank, keine Ahnung, wann man mich gefunden hätte.

      Ich war Weltmeister im Gemeindebau Geländer rutschen. Auf dieser fragilen Konstruktion konnte ich ohne abzusetzen, vom vierten Stock „talwärts“ rutschen. Einzige Ausnahme, ein Holzzapfen im zweiten Stock. Einmal darüber gerutscht, gleich gemerkt.

      Kriminell waren eigentlich die anderen, z.B. die Gerlgassebande. Sie verhauten ein „Gangmitglied“ von uns, dass schrie nach Blutrache. Mit Steinen und Erdbrocken bewaffnet überfielen wir diese Mafiosos, die Straße in ihrem Revier musste renoviert werden. Natürlich war ich nicht nur ein Mitglied in einer gewalttätigen Jugendgang, ich war auch literarisch interessiert, ich hatte ein Micky Mouse Abonnement.

      Fußball spielten wir beim FC Rennweg, die Löcher in den Leibchen waren größer als das Shirt. Später kaufte mich der Wiener Sportklub (Rapid, Austria, Wacker Innsbruck, Sportklub waren die Primgeiger), in den Ferien jeden Tag Training, war mir zu blöd, ich ging lieber baden.

      Mit meinem Bruder hatte ich es lustig, ich stand kurz vor ihm auf, doch der Kerl war nicht wach zu kriegen. Erst ein kleiner Trick erlöste mich:“ Rudi, acht Uhr is, hast verschlafen?“ Das erzählte ich ihm jeden Tag um seinen Blutdruck zu steigern.

      Bei einer Polsterschlacht nahm er mir das etwas krumm, er verdrosch mich ordentlich mit seiner Superdaune, leider holte er bei einem Schlag etwas zu weit aus und zerbröselte unseren Retroluster. Er sauste in ein Papierwarengeschäft besorgte sich Klebstoff und wir fügten in stundenlanger Arbeit das größte Puzzle der Welt wieder zusammen. So perfekt, dass es erst registriert wurde, als wir es, als erwachsene Männer beichteten.

      Ich war immer schon ein Gourmet. Da meine Mutter bis heute der Meinung ist, dass ich zu wenig esse, vereinbarte sie mit unserem Greisler, Hr. Ellinger, dass ich mir Wurstsemmeln kaufen und „anschreiben“ lassen könne. Eine Extrawurstsemmel mit fünf „Blattln“ kostete immer zwei Schilling, jedoch gab es jedes Jahr ein „Blattl“ weniger. Ich registrierte schnell, dass man auch Schokobananen, Punschkrapf`n etc., anschreiben lassen kann. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, doch meiner Mutter wäre es sicher recht gewesen. Hauptsache Viel, Süß und der Bua nimmt endlich zua.

      Ein unbeschwertes Leben, auch wenn ich meinen Haustürschlüssel