Sandra Kudernatsch

Pralinen unter Palmen


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vorerst bei euch untergekommen bin. Und ...“ Ich machte eine Kunstpause, um mir ihre volle Aufmerksamkeit zu sichern. „... ich habe gestern Abend meinen Verlobungsring verkauft. Für sage und schreibe 3.500 Euro.“

      Zur Untermauerung des Gesagten klopfte ich auf die Tischplatte. Mein Gesicht glühte vor Freude und ich wurde bei dem Gedanken an so viel Geld wieder ganz aufgeregt.

      Mutter jedoch sah mich an, als hätte ich von ihr verlangt, dass mich dieses Jahr der Weihnachtsmann wieder beschenken sollte.

      „Den Ring“, fragte sie mit einer extra großen Portion an ungläubigem Unterton, als sie die Sprache wiedergefunden hatte.

      Sie liebte den Klunker noch mehr als ich und hatte allen Nachbarn, Verwandten, flüchtigen Bekannten und völlig Fremden lang und breit davon erzählt. Sie gehörte eindeutig zu den Menschen, die Bling-Bling mit Liebe gleichsetzten. Wenn dein Mann dich wirklich liebte, verwöhnte er dich mit materiellen Dingen. In ihren Augen war das ein Garant für seine Hingabe und eine langanhaltende Beziehung. Aber auch meine Mutter konnte sich mit Sicherheit mal irren.

      „Katharina, das hast du nicht wirklich getan.“

      Das war eine rhetorische Frage. Als ich nicht antwortete, setzte Gewissheit ein. Ihre Augen wurden immer runder, als sie an meinem Gesichtsausdruck keinerlei Anzeichen für einen Scherz entdeckte und realisierte, dass ich es ernst meinte.

      „Nun…“, forderte sie mich zu weiteren Ausführungen auf. Dabei zog sie ihre rechte Augenbraue in die Höhe, sodass diese sich beinah in Stirnmitte befand. Ob ich ihr zum nächsten Geburtstag einen Botox-Gutschein schenken sollte? Immerhin hatte sie die Hälfte der Falten wegen mir.

      Ich mochte auf keinen Fall in Erklärungsnot kommen, also fuhr ich fort: „Naja, mir fiel gestern Nacht auf, dass ich den verfluchten Verlobungsring noch trug. Also wollte ich ihn kurzerhand entsorgen, aber dann kam mir eine bessere Idee.“

      Bei dem Gedanken daran, grinste ich hämisch. „Ich habe ihn bei eBay angeboten und dazu einen schnittigen Text über Mike verfasst, weil ich so wütend war – streng genommen immer noch bin.“ Nicht abschweifen, ermahnte ich mich. „Ich habe doch nicht wirklich geglaubt, dass sich jemand auf die Anzeige meldet. Und schon gar nicht für den hohen Preis“, endete ich und wedelte aufgeregt mit den Händen durch die Luft.

      Der entgeisterte Gesichtsausdruck meiner Mutter veränderte sich während der ganzen Geschichte nicht. Wenn überhaupt, versteinerte sich ihre Miene zusehends, passend zu ihrer Körperhaltung. In ihren Augen war ich komplett durchgedreht.

      Darum holte ich erneut aus: „Versteh doch mal, ich kann das Ding nicht tragen und immer an Mike erinnert werden. Ich sehe jedes Mal seinen nackten Hintern über Anna hängen.“

      Bilder im Kopf hervorzurufen konnte nicht schaden, um meine Tat zu rechtfertigen und meiner Mutter die Motivation begreiflich zu machen.

      „Weißt du, ich wollte ihn auch verletzen. So schlimm, wie er mich getroffen hat. Ich ahne doch genau, wie hart er gearbeitet und wie viele Überstunden er gemacht hat, um sich den Brilli überhaupt leisten zu können.“

      Ich hoffte, endlich zu ihr durchgedrungen zu sein.

      Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich merklich und ihr Ausdruck wurde milder. Aber sie wäre nicht sie, wenn sie jetzt aufgeben würde. Sie versuchte es wieder: „Dann hättest du den Ring doch erstmal in irgendeine Schublade tun können. Da siehst du ihn nicht.“

      Das konnte doch nicht wahr sein? Konnte sie mich nicht einfach in den Arm nehmen, pusten und mir sagen, dass gleich wieder alles gut sein würde? Warum war sie denn bitte schön auf Mikes Seite? Er war doch der Schuldige in dem filmreifen Szenario?

      Langsam wurde es mir echt zu bunt und ich sprang auf.

      „Du willst mich nicht verstehen oder“, fauchte ich sie leise über den Tisch hinweg an. Ich schob meinen Suppenteller abrupt von mir weg und der rote Inhalt schwappte über den Tellerrand hinaus, bis er in einem großen Klecks auf der Tischdecke landete. Meine gute Laune ging langsam, aber sicher, den Bach herunter.

      „Warum sollte ich den Klunker aufheben? Ich werde ihn nie wieder tragen können. Und warum auch? Mike hat unseren Traum zerstört und auf unsere gemeinsame Zukunft geschissen.“ Dabei erhob sich meine Stimme mit jedem Wort, sodass sich die Leute an den umliegenden Tischen nach uns umdrehten.

      Als ich die neugierigen Blicke und meine aus Frust aufsteigenden Tränen (hello again!) bemerkte, setzte ich mich lieber wieder an meinen Platz. Um mich abzulenken, wischte ich wie verrückt mit meiner Serviette an dem Suppenfleck herum. Ich rubbelte die Stelle noch, als die Tischdecke längst die Farbe der Serviette abgenommen hatte.

      Währenddessen holte meine Mutter ein paar Mal tief Luft. Sie wollte etwas sagen, aber ich merkte an ihrer Schnappatmung, dass sie sich auf die Zunge biss. Stattdessen winkte sie schließlich die Bedienung heran und bestellte für mich ein Schokoladeneis mit extra viel Schokosoße. Das war ihr erster Schritt in Richtung Versöhnung, indem sie Papas Taktik aufnahm. Kein schlechter Schachzug, denn Zuckerhaltiges beruhigte mich nun mal am besten.

      Eine Szene im Restaurant war Mutters schlimmster Albtraum, da fütterte sie lieber das Kind kugelrund.

      Die Überbleibsel meiner mittlerweile kalten Suppe blieben unberührt auf dem Tisch stehen. Dafür löffelte ich das himmlische Eis in Rekordschnelle restlos auf und kriegte mich wieder ein. Meine Mutter sprach weiterhin nicht mit mir, aber ihr brannte etwas auf der Zunge.

      Erst als wir wieder angeschnallt im Auto saßen und sie keine weitere Szene meinerseits zu befürchten hatte, traute sie sich, mir ihre Überlegungen mitzuteilen. „Ist die Reise auf deinen Namen gebucht? Dann spricht absolut nichts dagegen, dass du fliegst. Ihr habt so eisern gespart und euch gefreut. Lass dir deine Träume und dein Leben nicht von einem Dummkopf kaputt machen“.

      Wow, hatte sie das wirklich gesagt oder saß ein Alien neben mir? Es war, als kam plötzlich die über Jahre zurückgehaltene Nettigkeit mit einem Male zum Vorschein.

      „Du verdienst es, glücklich zu sein“, setzte sie nach und drückte sanft, aber kurz meine Hand. So einen Gefühlsausbruch hatte ich bei meiner Mutter noch nie erlebt.

      Für eine Sekunde dachte ich fieberhaft nach. „Klar, den Urlaub habe ich gebucht. Du glaubst doch nicht, dass Mike mit im Reisebüro war. Sowas überlässt er doch mir. Bezahlt ist auch alles bis auf den letzten Cent.“

      Ich dachte laut nach und begann, in meiner riesigen Handtasche zu wühlen. Ja, Frauen und ihre Überlebensbeutel.

      „Und in weiser Voraussicht habe ich die Reiseunterlagen schon eingesteckt, als die mit der Post kamen, damit ich auch bloß nichts vergesse. Und meinen Reisepass.“ Triumphierend zog ich die zerknitterten Dokumente hervor, blätterte kurz darin herum, stellte fest, dass alles da war und ließ alles wieder in meiner Tasche verschwinden.

      Neurosen waren manchmal unheimlich praktisch.

      Es wäre so verdammt einfach, morgen in den Flieger zu steigen und alles hinter mir zu lassen. Sollte ich oder sollte ich nicht? Sollte ich oder sollte ich nicht? Ich sollte es tun. Mike würde schon sehen, was er davon hatte, mich zu betrügen. Doch, ich sollte nicht alles kaputt denken und es einfach tun. Sonnencreme hatte ich ja genug, daran sollte es nicht scheitern.

      Derweil musterte meine Mutter mich eingehend, konnte aber keinen Grund zur Besorgnis feststellen. „Also, was sagst du“, wollte sie wissen.

      „Du hast Recht. Ich lasse mir die Reise nicht entgehen.“ Das war das erste und einzige Mal, dass ich ihr Recht gab, schwor ich und stopfte meine widerwillige Handtasche zwischen meine Füße. „Lass uns shoppen gehen. Ich brauche Bikinis, Koffer und Strandklamotten“, kreischte ich.

      Sofort war mir leichter ums Herz. Ich schob es gerne vor mir her, Entscheidungen zu treffen und machte mir dann permanent Gedanken darüber.

      „Du willst alles kaufen? Was ist denn mit deinen Sachen? Wollen wir nicht lieber bei dir zuhause anhalten und abholen, was du brauchst“, schlug Mutter vor.

      „Nein, da kriegen mich keine