Sandra Kudernatsch

Pralinen unter Palmen


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natürlich“, kreischte ich. Nun heulte ich richtig vor lauter Glück. Ich stand so unter Strom, dass ich Mike beinah umgestoßen hätte, als er mich zu sich auf den Boden zog und in seine Arme schloss.

      „Das wollte ich hören.“ Er strich mir liebevoll eine zentimetergroße Freudenträne von der Wange. „Ich habe schwer geschuftet für diesen Ring. Nur das Beste für meine Kati“, grinste Mike.

      Ich küsste sein niedliches Grübchen und bedeckte danach sein ganzes Gesicht mit leichten Schmetterlingsbussis.

      Wer hätte das gedacht? Aus mir, Katharina Bauer, würde Kati König werden. Wie gut das klang!

      Noch am selben Tag begann ich mit der Planung der Hochzeit.

      Danach vergingen zwei weitere Jahre, bis jedes noch so kleine Detail festgelegt und jedes unvorhersehbare Ereignis vorhergesehen war. Es war nicht einfach, Kompromisse zu finden, mit denen alle Beteiligten leben konnten. Hinzu kam, dass wir vor der eigentlichen Trauung verreisen mussten, weil ich zu keinem anderen Zeitpunkt Urlaub bekommen hatte.

      Viele Tage und Nächte hauten wir uns um die Ohren, weil wir uns ganz und gar nicht über das Ziel unserer Hochzeitsreise einigen konnten. Mich zog es nach Schottland. Ich stellte es mir romantisch vor, die Flitterwochen in alten Schlössern und umgeben von satten grünen Bergen zu verbringen. Mike wollte gerne in die USA, um auf der Route 66 das Gefühl von Freiheit zu genießen, das er bei der Trauung (vermutlich) verlieren würde.

      Der perfekte Kompromiss wurde erst gefunden, als meine beste Freundin Anna uns das Traumziel Seychellen vorschlug. Da es inmitten des Indischen Ozeans lag, konnte Mike sich nach Lust und Laune im Wasser tummeln und einen Sonnenbrand holen, während ich die Tage einfach nur verschlief oder bunte Vögel zählte.

      Doch auch als das Hotel ausgesucht und die Reise schließlich gebucht war, war der Hochzeitsstress lange nicht vorbei. Mike überließ mir nur allzu gern die Ehre, sich über alle möglichen ausstehenden Themen den Kopf zu zerbrechen. Die Sitzordnung, Beantragungen diverser Art, Blumen, Saalmiete, Musikwünsche sowie Speisenangebot und Brautkleid waren einfach nicht sein Ding.

      Ich kam oft an meine Grenzen und war froh darüber, dass mir Anna mit Rat und Tat zur Seite stand. Bloß einer Sache war ich mir hundertprozentig sicher: komme, was wolle, ich würde Mikes Nachnamen annehmen und voller Stolz für den Rest meines Lebens tragen.

      Die Auswahl des Brautkleids fiel mir am allerschwersten. Sowohl Anna als auch meine Mutter gaben ungefragt ihren (sicherlich) gut gemeinten Senf dazu, was mich nur noch mehr verwirrte. Aber auch ein blindes Huhn fand mal ein Korn und so entschied ich mich für ein schlichtes cremefarbenes Kleid mit Spaghettiträgern, das durch einen royalblauen Gürtel aus Samt zum Blickfang wurde. Flatterhaft und wadenlang war es perfekt für das gebuchte Fotoshooting am weißen Sandstrand. Und vor allem betonte es meine Figur. Seit ich mit Mike zusammen war, machte ich permanent Sport. Mein Aussehen hatte sich in den vergangenen Jahren zusehends zum Positiven verändert und das wollte ich natürlich zeigen…

      „Erde an Kati.“ Evas Hand wedelte vor meinem Gesicht herum und holte mich unsanft aus meiner Tagträumerei auf den Boden der Tatsachen zurück. „Sag mal, wovon träumst du denn so angestrengt?“

      Dann wischte sie verlegen am Kragen ihrer Bluse herum, den sie in der vergangenen halben Stunde vollgesabbert hatte.

      Das ignorierte ich lieber, nett wie ich war, und klatschte mir energisch auf die Oberschenkel. „Ach, ich habe an die bevorstehende Hochzeitsreise gedacht. Mittlerweile bin ich wahnsinnig aufgeregt. In drei Tagen geht es schon los.“

      Sobald ich das aussprach, bekam ich eine Ganzkörpergänsehaut und musste mich kurz schütteln.

      „So ein Quatsch, es wird superschön werden. Du wirst sehen“, beruhigte Eva mich und drückte sanft meine Hand, bevor sie aufstand, um die Kinder zu wecken. „Was soll schon schief gehen“, rief sie mir im Gehen über ihre Schulter hinweg zu.

      Och, da fielen mir genügend Dinge ein. Darüber sollte ich mir lieber nicht den Kopf zermartern.

      Nachdem endlich auch das letzte hinterbliebene Kind, der kleine Nils, von seiner Mutter abgeholt worden war, machte ich mich mit dem Rad auf den Heimweg zu Mike. Ich trug noch immer die ungleichen Ringelsocken und das sonnengelbe Kleid unter meinem dicken Wintermantel. Mikes große Lederschuhe hatte ich aber gegen meine eigenen Turnschuhe getauscht. Das Pippi-Langstrumpf-Kostüm hatte in unserer vorhochzeitlichen Geldknappheit nahe gelegen, denn die roten Haare und unzähligen Sommersprossen waren mir in die Wiege gelegt worden.

      Ich freute ich mich über den Feierabend und ein kleines bisschen auf den bevorstehenden Urlaub und trällerte während der Radfahrt ein Lied für mich und den Plüschaffen Herrn Nielson, der vorne im Körbchen am Lenker saß.

      An unserem kleinen Reihenhäuschen wurde ich im Vorgarten schon freudig von meinem schwarz-weißen Kater Moses begrüßt.

      „Hallo mein Stromer, hattest du einen schönen Tag hier draußen trotz der Kälte?“

      Moses strich um meine Beine, als ich mein Rad abstellte und miaute kläglich. Da war wohl jemand beinah erfroren und hatte einen Bärenhunger.

      „Nanu, der Katzenpapa ist wohl auch schon zuhause? Wie kommt das denn“, fragte ich mehr an mich selbst als an den Kater gewandt. Trotzdem miaute er und kniff die Augen zusammen, während er neben mir herlief. Mike war eine richtige Nachteule und kam morgens nur schwer aus den Federn. Als IT-Nerd hatte er Gleitarbeitszeit und konnte so länger schlafen. Der Nachteil war, dass er dafür auch immer erst spät Feierabend machte.

      Ich schloss die Haustür auf und stolperte fast über Moses, der es eilig hatte, ins Warme und an seinen Fressnapf zu kommen.

      „Hey, immer mit der Ruhe. Es ist genug Futter da“, klärte ich ihn lächelnd auf.

      Ich liebte meinen Kater einfach über alles.

      Doch bei dem Anblick, der sich mir als nächstes bot, blieb mir das Lachen im Halse stecken. Ich erstarrte vor Schock.

      „Mike? Anna? Was ist denn hier los“, flüsterte ich.

      Das war ganz klar eine rhetorische Frage, denn die Sachlage war ziemlich eindeutig.

      Den Schlüssel noch in der Hand und die Eingangstür hinter mir sperrangelweit geöffnet, hatte ich vom Flur aus eine freie Sicht in unser Wohn- und Esszimmer. Wie sehr man es auch drehte und wendete, es gab nur zwei Erklärungen für das, was vor sich ging. Entweder sie praktizierten Nacktyoga oder… mein Verlobter besorgte es meiner besten Freundin auf unserem runden Esstisch aus Massivholz. Was zur verfluchten Hölle?

      Ich war in einer Sekunde von null auf hundert.

      „Du ekelhaftes Schwein!“

      Nach einer weiteren Sekunde warf ich den mitgebrachten Plüschaffen mit voller Wucht gegen Mikes entblößten Allerwertesten. Anna lag nackt unter ihm auf dem blanken Tisch.

      Sie hätten wenigstens eine Decke unterlegen können. Das gab doch Abdrücke und Kratzer auf dem Holz.

      Ich hielt mir den Kopf. Oh Gott, ich war verrückt geworden.

      Dort, wo die Plastikaugen des Affen meinen Verlobten am haarigen Hintern getroffen hatten, bildeten sich zwei rote Flecken. Ich hoffte, es tat richtig schön weh!

      „Kati!“ Mike erwachte aus seiner Schockstarre und sprang von Anna weg, sodass ich genau zwischen ihre weit gespreizten Beine sehen konnte. In seinem Sprung stolperte er über Moses, der aufschrie wie am Spieß und fluchtartig das Weite suchte.

      Wie gern hätte ich es ihm gleichgetan.

      Um seinen Fall abzufangen, griff Mike nach Annas Bein und zog sie mit sich auf den Fußboden. Es gab einen lauten Knall, der mir durch Mark und Bein ging. Hoffentlich hatte meine Freundin sich etwas getan. Hoffentlich hatte sie sich richtig dolle wehgetan – so wie sie mir hiermit weh tat.

      Karma konnte ruhig einmal mir zuliebe arbeiten.

      Mikes Penis war in Windeseile in sich zusammengeschrumpft und hing traurig zwischen seinen langen