Silke May

Das Mädchen von Nachtland


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uns den Tisch in der Küche her, den ihr immer zum Essen benutzt. Decke ihn für meinen Sohn und mich.«

      Das Mädchen eilte mit großen Schritten in die Küche.

      Abner saß seiner Frau gegenüber und starrte sie an.

      »Das ist jetzt nicht dein Ernst?«

      »Und ob das mein Ernst ist, komm Sant wir gehen. Du kannst allein auf deinen Sohn warten.«

      Ava stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und erhob sich. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Brix kam herein.

      »Ihr habt ja wohl nicht ohne mich angefangen, oder?«

      »Natürlich nicht mein Sohn«, gab Abner von sich und sah stolz den jungen muskulösen Mann mit seinem schulterlangen Haaren an, der sich dem Tisch näherte.

      Ava sah Brix böse an.

      »Dein Bruder und ich mussten deinetwegen hungrig bleiben und jetzt wirst du auf unsere Anwesenheit verzichten müssen, denn Sant und ich, wir werden unser Essen in der Küche zu uns nehmen. Dort hat die Küchenmagd für uns einen Tisch gedeckt. Guten Appetit!«

      Sie gab Sant mit der Hand ein Zeichen, dass er ihr folgen sollte.

      Während Ava und ihr leiblicher Sohn den Raum verließen, blickte ihr Abner entsetzt und zugleich wütend nach.

      »Was hat dich aufgehalten, mein Sohn, dass du so spät kommst?« Brix grinste und zwinkerte seinem Vater schelmisch zu.

      »Es müsste heißen, wer mich aufgehalten hat. Es war Oscha, die Tochter des Bürgermeisters. Sie konnte einfach nicht von mir lassen«, gab er vielsagend von sich.

      »Dann hast du ja sicher jetzt eine Stärkung nötig«, sagte sein Vater schmunzelnd.

      »Oh ja, ich hab einen Bärenhunger. Was ist eigentlich mit Mutter los, sie hat doch noch nie ohne uns gegessen?«

      »Das sind Launen, mein Sohn, auch du wirst dich mit den Launen der Frauen eines Tages auseinandersetzen müssen.«

      »Oscha ist nicht so, sie ist sehr angenehm, sie frisst mir fast aus der Hand.«

      »Sei froh, denn du wirst sie ehelichen müssen. Du bist ihr versprochen, damit der Bürgermeister uns immer gut gesonnen ist. Merke dir, es schadet nie, einen der zweitmächtigsten Männer hinter sich zu haben. Jetzt iss, damit du bald ins Bett kommst, dir schaut der Schlaf schon aus den Augen.«

      Brix nickte und schaufelte förmlich das Essen in sich hinein. Anschließend erhob er sich und stellte sich neben seinen sitzenden Vater. Er legte ihm seine Hand auf die Schulter.

      »Sei nicht so streng mit Mutter, sie ist eine gute Frau. Gute Nacht Vater.«

      »Gute Nacht Brix. Keine Sorge, ich werde Milde walten lassen. Sie ist nicht mein Eigentum und ist mir schon seit fünfundzwanzig Jahren ein treues Weib.«

      Inzwischen hatten Ava und Sant ihre Speise zu sich genommen und standen auf. Sie verließen die Küche und gingen hinaus auf den Korridor. Der große schlanke junge Mann, mit seinen blonden Haaren, lächelte seine Mutter an.

      »Das könnten wir öfters machen«, sagte Sant zu seiner Mutter.

      »Was meinst du?«

      »Das nur wir zwei miteinander speisen. Es war ein schönes gemeinsames Essen. Es war so herrlich still, man konnte sich richtig auf das gute Essen konzentrieren.«

      »Ach Sant, das ist leider nicht möglich, das wird hoffentlich eine Ausnahme bleiben.«

      »Warum ist Vater so besonders rücksichtsvoll Brix gegenüber?«

      »Weil er sein Nachfolger sein wird, er wird der zukünftige Fürst von Sonnland werden.«

      »Aha, ich dachte schon, dass Vater mich nicht liebt.« Ava sah ihren Sohn erschrocken an. »So etwas darfst du nicht einmal denken Sant. Dein Vater liebt dich gleichermaßen wie Brix, nur ist er sein unmittelbarer Nachfolger, deshalb drückt er bei ihm öfter einmal ein Auge zu. Dafür lieb ich dich umso mehr, mein geliebter Sohn.« Ava umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange. »Jetzt geh schlafen, die Nacht ist schnell herum, schlaf gut Sant.«

      »Danke Mutter. Ich denke, es gibt keine zweite Mutter, die so viel Güte, wie du besitzt. Ich hab dich sehr lieb. Schlaf gut Mutter.«

      Jeder ging in sein Schlafgemach und das Fürstenhaus versank bald in dunkler Stille.

      Kapitel 6

      Im Morgengrauen verließ Kasota ihr Zuhause, um Dorian noch zu erreichen, bevor ihr Vater sich mit ihm zum gemeinsamen Fischen traf. Eiligen Schrittes lief sie den steinigen Weg vom Berg hinunter zum Ufer des schwarzen Flusses. Schon von Weitem konnte sie Dorian sehen, wie er sich mit den Fischernetzen beschäftigte. Die Augen der Sternländer hatten sich der ewigen Dunkelheit angepasst, sodass sie auch bei sternenklarer Nacht, oder in den frühen Morgenstunden, wenn der Mond als schmale Sichel am Himmel stand, gut sehen konnten.

      »Guten Morgen, Dorian!«, rief sie ihm entgegen, während sie lachend auf ihn zu rannte.

      »Guten Morgen Kasota, was treibt dich schon so früh am Morgen aus deinem Bett?«

      »Ach Dorian, ich wollte dich nur besuchen.«, dabei legte sie ihren Kopf zur Seite und sah ihm bei der Arbeit zu. Dorian sah Kasota skeptisch an, er ahnte, dass das nicht der Grund ihres morgendlichen Besuches war.

      »Kasota, du möchtest mir jetzt nicht weismachen, dass du nur gekommen bist, um mir beim Netze einholen zuzusehen? Ich bin gespannt, was dein Vater sagt, dass du schon so früh am Ufer bist.«

      »Der weiß nichts davon, er hat noch geschlafen, als ich losgegangen bin.«

      »Ha, das glaubst aber auch nur du, dass er nichts weiß! Ich sehe ihn nämlich schon kommen, er hat soeben den Bergweg verlassen und kommt direkt auf uns zu.«

      Kasota erschrak und drehte sich schnell herum, um sich zu vergewissern, dass Dorian sie nicht angeschwindelt hatte.

      »Das wird ein Donnerwetter geben«, murmelte sie leise vor sich hin. Dorian nickte zustimmend. »Mit Sicherheit, nachdem du weißt, dass er dich früh am Morgen nicht am Ufer sehen möchte.«

      Ihr Vater näherte sich mit großen Schritten.

      »Guten Morgen Dorian, du bist schon fleißig bei der Arbeit, oder lässt du dich von Kasota von der Arbeit abhalten?« Dorian lachte kurz auf.

      »Das schafft sie nicht, Onur. Konntest du dich gut vom gestrigen Arbeitstag erholen?«

      »Ja, wir gingen nach dem Abendessen sehr früh schlafen und ich hatte einen tiefen Schlaf.« Onur's Blick wanderte zu seiner Tochter.

      »Wer hat dich denn schon so früh aus deinem Schlaflager geworfen?«

      »Ich, ich wollte nur kurz nach Dorian sehen«, gab Kasota stotternd von sich und drehte sich sofort herum, um wieder heimzulaufen.

      »Halt hier geblieben meine Prinzessin, nachdem du schon einmal hier bist, kannst du uns ja beim Fischen zur Hand gehen.« Kasota war über Onur's Worte genauso überrascht, wie Dorian.

      »Was, was soll ich machen?«, stotterte sie.

      »Du kannst unsere Fische gleich ausnehmen und die Innereien in den Fluss werfen, das erspart uns eine Menge Arbeit.« Geschockt starrte sie ihren Vater an.

      »Was soll ich, das ist aber jetzt nicht ernst gemeint, oder?«, gab sie entsetzt von sich. Dorian schmunzelte vor sich hin.

      »Doch mein Kind, das ist es. Du bist jetzt schon erwachsen, in zwanzig Vollmondtagen wirst du Dorian heiraten und von ihm zur vollkommenen Frau gemacht, also kannst du schon einmal mit dieser Arbeit anfangen.«

      »Das kann ich nicht, außerdem weiß ich nicht, wie man das macht?«

      »Ich werde es dir schon zeigen, keine Angst, Prinzessin.«

      »Nein, das ist außerdem