Isabella Kniest

The sound of your soul


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Ob ich an roten Kreuzungen anhielt oder Fußgeher über Zebrastreifen passieren ließ, war mir unmöglich zu sagen.

      Dieser unwirkliche Zwischenfall war zu viel für meine Nerven.

      Unterdessen ich die Lebensmittel verstaute, nahm mein vernebeltes Gehirn stückchenweise an Fahrt auf.

      Bedeutete ich Tom tatsächlich etwas? Ging es ihm womöglich gar nicht um einen One-Night-Stand?

      Ich verwarf diesen aus Dummheit, Unbedarftheit und Wunschdenken geborenen Irrsinn.

      Hier ging es um gar nichts. Gewiss hatte ich es falsch aufgefasst – genauso wie ich in der Vergangenheit dutzende menschliche Reaktionen falsch aufgefasst hatte.

      Nach einem schmackhaften Mittagessen, welches aus gebratenem Hühnerfleisch mit einer dunklen Soße und Jasminreis bestanden hatte, hockte ich mich auf die verhasste Couch und griff nach dem Taschenbuch.

      Ein wenig lesen und ausrasten, dachte ich. Dann kümmere ich mich um die Vorhänge.

      Jäh erschien Tom mitsamt flehentlichem Gesichtsausdruck vor mir.

      Sollte ich ihn besuchen?

      Die tiefen Temperaturen und die späte Uhrzeit gingen mir gehörig gegen den Strich. Diese beiden Dinge außer Acht gelassen, liebte ich Saxofonklänge.

      Dies war einmal anders gewesen. In meiner Kindheit hatte ich dieses Instrument regelrecht gehasst. Wahrscheinlich aufgrund seines romantisch-sexuellen, verträumten Klangs. Töne, Klangfarben, Stimmen – seit jeher war ich überdurchschnittlich empfänglich für Geräusche aller Art. Ebendrum hielt ich lautes Menschengetratsche, extrem aufgedrehte Musik sowie Straßen- und Maschinenlärm nicht lange aus.

      Da Verwandte, Schulkollegen und Bekannte regelmäßig über meine Vorlieben und Meinungen hergezogen waren und Lehrer mir auf erniedrigende psychologische Weise meine Andersartigkeit – aber vor allem Dummheit – unter die Nase gerieben hatten, hatte ich gelernt, mich abzukapseln. Ich hatte gelernt, nichts über meine Wünsche oder Sehnsüchte zu verlauten. Ich hatte gelernt, keine Fragen zu stellen und nicht aufzufallen. Und ich hatte gelernt, alles zu verachten, was mit Schwäche, Romantik und zwischenmenschlichen Kontakten zusammenhing. Neben Verliebtheit und Schwärmereien fiel in diese Rubrik ebenfalls das Saxofon.

      Vor einigen Jahren hatte sich diese Aversion gelegt. Höchstwahrscheinlich trug meine Begierde nach Liebe und Geborgenheit daran Schuld sowie das Wissen, in meinem nunmehrigen Alter nicht mehr veräppelt werden zu können. Besonders dann nicht, wenn ich weiterhin nichts von meinen Sehnsüchten offenbarte.

      Ich legte das Buch in meinen Schoß und massierte mir die Schläfen.

      Manchmal hasste ich mich dafür, meiner Schwäche nachgegeben zu haben, ab und an versucht zu haben, einen Freundeskreis aufzubauen. Andauernd hatte man mich versetzt, mich stehengelassen, mich belogen, mich ignoriert, mich belächelt.

      Menschen sprachen von Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Doch wozu durchhalten und es immer wieder versuchen, wenn es in all den Jahrzehnten nie funktioniert hatte? Andere Menschen mussten sich vielleicht mit ein oder zwei Rückschlägen abfinden. Ich hingegen war nie ernsthaft gemocht worden. Hatte ich beispielsweise einen Schulkollegen nett gefunden, war der nicht an mir interessiert gewesen. Hatte ich einen Kursteilnehmer nett gefunden, war der nicht an mir interessiert gewesen. Hatte ich einen Arbeitskollegen nett gefunden, war der nicht an mir interessiert gewesen. Nun war ich dreißig Jahre alt, und alles, was ich durfte, war auf eine mich ausbeutende Beziehung zurückzublicken.

      Und dann tauchte da plötzlich Tom auf, dem ich möglicherweise ein klitzekleines Bisschen gefiel.

      Was sollte ich von alldem halten?

      Ich schloss die Lider.

      Irgendwie hätte ich Tom gerne spielen gehört. Seine introvertierte wie extrovertierte Art in einem Musikstück zu erleben, erweckte eine selbst mich überraschende Neugier in mir.

      Ach, vergiss es!

      Ich lehnte mich zurück und suchte die Taschenbuchseite, auf welcher ich letztens stehengeblieben war.

      War es Seite neunzig oder hundertzehn gewesen?

      Kommen Sie einfach um zehn, halte Toms jugendlich-sanfte Stimme durch meine Reflexbögen, weiter zu meinen Synapsen, um mir im Anschluss daran ein neues Bild von seinem durchdringend-gütigen Gesichtsausdruck zu generieren.

      Wie wertschätzend und respektvoll er mich betrachtet hatte. Auf eine absurde Weise hatte es für mich den Anschein erweckt, für ihn etwas Besonderes darzustellen. Dies wiederum klang dermaßen infantil und breithirnig, ich hatte große Lust, mir mit dem Taschenbuch zwanzig Mal gegen die Stirn zu dreschen.

      All diesen Liebesirrsinn hatten wir bereits einmal!, rügte ich mich. Sei nicht abermals blauäugig!

      Einen weiteren mich ausnutzenden Freund brauchte ich nicht. Einzig Liebe, Mitgefühl und Verständnis benötigte ich.

      Ich begann zu lesen. Doch alles, was ich vor mir sah, war Tom. Alles, was ich fühlte, war diese wundervolle Einigkeit …

      Himmelherrgottsakrament!

      Ich schleuderte das Buch auf den quadratischen Glastisch.

      Dann kümmere ich mich eben sofort um diese verfluchten Vorhänge und fange mit dem Fensterputz an!

      Aber selbst diese Tätigkeit half nicht, den Musiker aus meinen Gedanken zu verscheuchen. Alle paar Minuten sah ich sein hoffnungsvolles Flehen vor mir aufblitzen.

      Das konnte alles nicht mehr wahr sein!

      Offenbar war es wohl das Beste, Tom einen Besuch abzustatten. Dann würde ich mich dadurch bei ihm entschuldigen und meiner naiven Seele beweisen können, dass auch er mit mir spielte.

      Jawohl!

      Ich warf den Putzlappen in den Wassereimer, klappte die Stehleiter zusammen, trug diese zurück ins Bad und verräumte sie hinter der Tür. Anschließend holte ich den Eimer, entleerte diesen, trocknete ihn mit dem ausgewrungenen Lappen ab, räumte beides in den unter der Spüle befindlichen Schrank und zog mich um.

      Ausschließlich aus Erfahrung und Weisheit

      erwächst die tonnenschwere Bürde der Erkenntnis.

      Der Fantast trägt sie hoch erhobenen Hauptes,

      der Realist benützt sie als Schild und Schwert.

      Zu welcher Entscheidung uns das Leben letztendlich drängt,

      liegt nicht in unserer Hand,

      sehrwohl jedoch, diese Entscheidung unserer Mitmenschen

      zu akzeptieren und mit Empathie zu begegnen.

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