Isabella Kniest

The sound of your soul


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hoffe ich.« Der überraschend freche Ton sowie das verschmitzte Grinsen ließen mich unwillkürlich erschauern. »Ansonsten müsste ich Ihnen dieses Verhalten nämlich noch übel nehmen.«

      Meine Hände knetend blickte ich zu meiner im Einkaufswagen liegenden schwarzen Tasche.

      Was sollte ich jetzt tun?

      Wollte er mich womöglich doch anzeigen? Wartete er darauf, mich auszunehmen?

      »Kommen Sie heute Abend in die Bar?«

      Seine mit Hoffnung getränkte Stimmlage nötigte mich dazu, mich ihm zuzuwenden. »Eigentlich habe ich keine Zeit.«

      Er zog die rechte Augenbraue nach unten. »An einem Samstag haben Sie keine Zeit?«

      »Ich plante andere Dinge ein, wie meine Vorhänge zu waschen.«

      Und mich auszuruhen, komplettierte ich gedanklich. Oder mir einen Film anzusehen, anstatt mir meinen Schlaf durch Menschenansammlungen zu vermiesen.

      Selbstredend wollte ich mich entschuldigen … ein weiteres Flirt-Gespräch wie das gestrige führen lag jedoch nicht in meiner Absicht.

      Nun krauste er die Stirn. »An einem Samstag?«

      »Ja.«

      »Sind Sie da ganz sicher?«

      »Ja.« Ich besah ihn kritisch. »Dies soll keine Ausrede darstellen, falls Sie das vermuten. Ich putze grundsätzlich am Wochenende, da ich unter der Woche zu müde dafür bin.«

      Vor allem außertourliche Reinigungsarbeiten verschob ich gerne auf meinen persönlichen Ruhetag. Zum einen, um mit der Arbeit fertig zu werden, zum anderen, um mich sonntags nicht zu sehr zu übernehmen.

      »Und in diesem Fall existiert keine Möglichkeit zu einer Ausnahme?«

      Ich wollte etwas entgegnen, da fuhr Tom fort. »Nicht einmal, wenn ich Ihnen diesen –« Er nickte zur Seite – zu der Stelle, wo ich ihn zu Boden befördert hatte. »Barbarischen Akt lediglich dann verzeihe, wenn Sie mich heute Abend besuchen kommen?«

      Ich hätte es mir sofort denken können!

      Da zeigte ich Reue – und flugs glaubte die männliche Gattung Mensch, sie könne sich jegliche Freiheiten herausnehmen.

      »Das klingt stark nach Erpressung.«

      Seine Augen erstrahlten im kindlichen Glanze. »Nun … ich weiß nicht. Erpressung besitzt einen solch harten Unterton.« Nochmals legte er die Stirn in Falten. »Nennen wir es lieber –« Er deutete Gänsefüßchen mit Zeige- und Mittelfinger an. »Den Vorschlag für eine Entschuldigung – und den Appell an Ihr Gewissen.«

      Das war die Oberfrechheit schlechthin!

      Nahm er an, ich würde ob seines delikaten Äußeren sofort spuren? Litt er unter Realitätsverlust ausgelöst durch ihn anhimmelnde Fans – falls es denn welche gab – oder glaubte er, er sei etwas Besseres, weil er Saxofon spielte?

      »Ich kann ausgesprochen gut selbst entscheiden, wie ich mich bei jemandem entschuldige.« Meinen Frust versuchte ich erst gar nicht zu verstecken, dementsprechend forsch fuhr ich ihn an. »Und am Rande erwähnt: Ich bot Ihnen an, die Kosten für die Reinigung Ihrer Wäsche zu übernehmen.«

      »Ich verlange keine Reinigung, keinen Schadenersatz – lediglich ein Gespräch in der Bar.« Sachte gestikulierte er mit der rechten Hand. »Ist das schlimm?«

      Entgegen meiner Annahme, Tom durch mein dreistes Verhalten wütend oder beleidigt gestimmt zu haben, bedachte er mich mit einem ausgeprägten Dackelblick. Ein mitten in mein kühles Herz einschlagender Anblick. Ein Anblick, derart verloren, sehnsüchtig und lieblich … ich wusste bei Gott nicht, wie ich darauf reagieren sollte.

      »Bitte kommen Sie heute vorbei.« Sein bettelnder Tonfall war nicht eben hilfreich, meinen Mitleidspegel und in weiterer Folge mein Reuegefühl zu mindern.

      »Das Gespräch letzte Woche gefiel mir sehr«, übergoss er seine Überredungskünste mit Zuckerguss. »Ich fand es schade, dass Sie so schnell verschwanden.«

      Ich seufzte.

      Was sollte ich machen?

      Einerseits lag er im Recht. Ich hatte ihn zu Boden geworfen. Andererseits war es eine Frechheit, dies auf eine solche unverschämte Methode einzufordern.

      Und dann erst dieser Dackelblick!

      Bestimmt war es ihm genauestens bewusst, wie sehr seine Gesichtsakrobatik bei Frauen zog.

      Verdammt noch einmal!

      »Wie lange wollen Sie mich derart intensiv anstarren?«

      »Bis Sie nachgeben.«

      Ha! Da hatten wir es! Alles ein perfekt kalkuliertes Schauspiel!

      Aber okay. Ich würde ihm diese Bitte erfüllen. Danach war jedoch Schluss. Kein weiterer Lokalbesuch mehr, keine Gedankenspielereien über Tom mehr. Gar nichts mehr!

      »Nun gut.« Ich kratzte mich an der Nase. »Ich werde kommen.«

      In Toms Angesicht ging die Sonne auf. »Wirklich? Ja? Das freut mich unwahrscheinlich!«

      »Aber mehr brauchen Sie nicht einzufordern.«

      »Natürlich nicht.« Beschwichtigend hob er die Hände. »Ausschließlich dieser Abend.«

      »In Ordnung. Wann soll ich vorbeischauen?«

      »Ab zehn.«

      »So spät?«

      Ich war kein Nachtmensch. Ganz und gar nicht. Bereits deshalb ging ich abends äußerst ungern außer Haus.

      »Wann öffnet die Bar denn?«

      »Um neun. Doch ab fünfzehn nach neun spiele ich für eine knappe dreiviertel Stunde.« Unbeholfenes Herumfuchteln seiner rechten Hand evozierte eine sachte Nervosität in mir. »Da ich mich mit Ihnen unterhalten möchte, ist es somit besser, wenn Sie erst ab zehn Uhr eintreffen.«

      Weshalb wollte Tom nicht vor mir spielen? War er solcherweise schlecht?

      »Schämen Sie sich, vor mir zu musizieren?«

      Offenkundiger Schock flog über seine Züge und wurde unmittelbar darauf von eklatanter Unsicherheit verdrängt. Hiervon bezeugten seine sich wellenden Augenbrauen wie der sich senkende Blick Richtung Boden. »Nun … ich mag es nicht sonderlich, wenn Leute mir zuhören, die mich kennen.«

      Hä?

      »Ihnen ist bewusst: Es gibt Stammgäste im Lokal, oder?«

      Er errötete. »Ja, allerdings spreche ich in diesem Fall nicht von diesen.«

      Aha …

      »Von welcher Klientel sprechen Sie dann?«

      »Für Personen, welche sich nicht sonderlich für meine Wenigkeit interessieren –« Er stockte. »Oder für Personen, welche mich nicht sonderlich interessieren, spiele ich grundsätzlich gerne. Bei allen anderen dagegen nimmt der Druck zu große Ausmaße an. Dadurch passieren mir Fehler. Ich hasse es, wenn mir Fehler passieren.« Die letzten drei Sätze ratterte er in einem irrsinnigen Tempo herunter, ich wäre beinahe nicht mitgekommen. »Kommen Sie einfach um zehn.« Dies gesprochen drehte er sich um und eilte davon.

      Was, zur Hölle, sollte das nun bedeuten?

      Anscheinend hatten einige Kunden unser Gespräch belauscht, starrten diese mich gefühlsmäßig genauso verdattert an wie ich dem davoneilenden Tom.

      Wie war das gewesen … was hatte Tom exakt erwidert? Er spielte einzig für Leute gerne … die sich nicht für ihn interessierten … oder für die er sich nicht interessierte?

      Allmählich begann ich zu verstehen – womit eine brutale Hitzewelle über mich herniederbrach.

      Interessiert Tom sich für mich … ?

      Hatte ich das richtig deduziert?

      Gesenkten