Dr. med. Hanspeter Hemgesberg

Wenn die Seele "S.O.S." funkt


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Angststörung bezeichnet man eine Gruppe psychischer Störungen – korrekter: neurotischer Störungen –, die ihre Gemeinsamkeit in einem übersteigerten Angst-Empfinden (= übersteigerte Angst-Reaktion) hat; obwohl es hierfür keinen objektiven/ objektivierbaren Grund gibt.

      Der Betroffene kann die Angst kaum oder nicht mehr kontrollieren und auch nicht adäquat gegensteuern. Betroffene Menschen erleben ausgeprägte Angst und körperliche Angstsymptome, die i.d.R. so stark sind, dass sie das alltägliche Leben beeinträchtigen.

Angst - Bilder und Stockfotos - iStock

      Früher wurde diese Erkrankung auch mit Angstneurose bezeichnet.

      Generell kann man Angst als ein „subjektives Bedrohungs-Gefühl“ beschreiben.

      Wobei nochmals festzuhalten ist, dass Angst an sich eine nützliche/ hilfreiche Funktion hat: Sie ist ein Alarmsignal, welches dabei hilft, einer Bedrohung zu entkommen. Ist die Bedrohung vorbei, sollte aber auch die Angst verschwinden. Bei der krankhaften Angst (Angststörung) nimmt man jedoch eine Bedrohung wahr, die objektiv nicht vorhanden ist.

      Bei einer Angststörung steht das Gefühl der Angst so stark im Vordergrund, dass das alltägliche Leben in vielen Bereichen (extrem) stark eingeschränkt ist.

      Ursachen und pathophysiologische Prozesse

      Angststörungen entstehen durch „Fehl-„ bzw. „Überreaktionen“ des Körpers, der im vegetativen Nervensystem (vNS) (s. nachfolgend) auf Alarm schaltet, obwohl von außen gesehen kein Grund für eine solche Reaktion vorliegt.

      Zwischennotiz:

      Vegetatives Nervensystem (vNS) [Vegetativum] ()

      Sport-Tec Vegetatives Nervensystem Lehrtafel Anatomie 100x70 cm medizinische Lehrmittel : Amazon.de: Gewerbe, Industrie & Wissenschaft(lat. Fachname: Systema nervosum autonomicum)

      = der ursprünglich nach funktionellen Aspekten abgetrennte Teil des peripheren und zentralen Nervensystems, der den vegetativen Funktionen dient; d.h. der Regelung der unbewussten und vom Willen weitgehend unabhängig „inneren Lebensvorgänge“.

      Das vNS steuert viele lebenswichtige Körper-Funktionen. Dazu gehören zum Beispiel die Atmung, Verdauung und der Stoffwechsel. Ob der Blutdruck steigt, sich die Adern weiten oder der Speichel fließt, lässt sich mit dem Willen nicht beeinflussen. Übergeordnete Zentren im Gehirn und Hormone kontrollieren das vNS. Gemeinsam mit dem Hormonsystem sorgt es dafür, dass die Organe gut funktionieren. Über Nervenimpulse wird die Organfunktion schnell an wechselnde Anforderungen angepasst. Hormone müssen erst mit dem Blutkreislauf zum Zielorgan transportiert werden.

      Zurück zum Thema:

      A. Psychoanalytische Theorien

      Anhänger der psychoanalytischen Theorien gehen davon aus, dass innere Konflikte zu Angst führen können. Auch nimmt man an, dass die betroffene Person nicht die Fähigkeit entwickeln konnte, mit normaler Angst adäquat umzugehen.

      In Konfliktsituationen fühlt sich die Person daher überfordert, so dass alte kindliche Ängste in ihr aufsteigen können.

      Auch treten besonders bei drohendem Verlust (z.B. einer nahestehenden Bezugsperson oder sozialer Anerkennung) akute Ängste wie Trennungs-Angst auf.

      B. Das Neurotransmitter-/Rezeptor-Modell

      In der Pathophysiologie von Ängsten wird die Rolle verschiedenster Neurotransmitter-Systeme (chemische Botenstoff-Systeme) diskutiert.

      Es handelt sich dabei um …

      1. das GABA-System (Gamma-Amino-Buttersäure-System)

      2. das serotonerge System

      3. das noradrenerge System

      4. sogen. „exzitatorische“ (= Rezeptor-anregende) Aminosäuren ()

      5. andere Neurotransmitter ().

      Bei der Entstehung von Angst-Störungen spielt u.a. auch die Wahrnehmung körperlicher Symptome eine wichtige Rolle.

      Verspürt eine Person Angst, stellen sich bei ihr körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Herzrasen, Schweißausbrüche oder Zittern ein. Diese Symptome deutet der Betroffene subjektiv als Gefahr, was dazu führt, dass die Angst noch größer wird. Durch die damit verbundene Stressreaktion verstärken sich wiederum die körperlichen Symptome.

      Es hat sich auf diese Weise ein Teufelskreis der Angst gebildet, der bewirkt, dass die Angst immer weiter zunimmt.

      Die Lerntheorie kann auch erklären, warum es im Zusammenhang mit Panikstörungen zu Erwartungsängsten kommt. Tritt eine Panik-Attacke wiederholt auf, bekommt die Person Angst vor weiteren Attacken; es entsteht eine „Angst vor der Angst“.

      Wie auch immer:

      Infolge der Angst kommt es u.a. zu einer erhöhten Aktivität des aufsteigenden Noradrenergen Systems (s. unten) und auch des Locus coeruleus (s. unten).

      Zwischennotiz:

      C. Noradrenerges System/Locus coerulus

      Es hat seinen Ursprung im Locus coerulus (oder caerulus) – d.i. eine neurophysiologische Struktur und sie ist Teil der Formatio reticularis im Rautenhirn, also im Hirnstamm, gelegen in der vorderen Rautengrube und sie erstreckt sich bis zur Einmündung des Gehirn-Aquaedukts in den 4. Ventrikel; wird unterteilt in 4 Teile –.

      Das noradrenerge System projiziert in das für Emotionen besonders wichtige „Limbische System“

      Der L.c. bzw. das noradrenerge System spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Orientierung sowie der Aufmerksamkeit und auch bei Stress, Angst und Panik!

      D. Ursachen/Auslösende (Lebens-)Ereignisse

      für Ängste respektive die Angststörung können u.a. sein:

      a. Trennungserlebnisse

      b. Biographische Schwellensituationen

      c. Traumatische Ereignisse (körperlich, seelisch, geistig - auch kombiniert)

      d. Psychosoziale Probleme

      e. Körperliche (organische) Erkrankungen

      Fazit:

      Angst-Störungen entstehen meist durch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren.

      So kann in seltenen Fällen auch eine genetische Veranlagung (Vulnerabilität) vorliegen, leichter und rascher als andere Menschen mit Angst auf bestimmte Situationen oder Reize zu reagieren. Wenn dann noch weitere Faktoren – z.B. ausgeprägter/anhaltender Stress = Distress und/oder vermehrte Überforderung (physisch, psychisch, neuro-mental), Erschöpfungszustände