Alexandra Eck

Between the fronts


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»Na, mein Kleiner. Jetzt fahren wir zum Tierarzt«, erklärte ich ihm. Schon im Geografie-Unterricht hatte ich eine Praxis in der Nähe gegoogelt. Die nächste Klinik war in Virginia Beach. Ich lief noch kurz in die Küche, schnappte mir eine Schüssel und eine Flasche Wasser, rannte wieder hoch und legte den Vogel samt T-Shirt in die Schüssel. Dann setzte ich mich gleich wieder in den Honda. Schon fünf Kilometer vor den Tunneln, die durch das Meer führten, war Stau. Das bedeutete es würde noch etwas dauern und ich spürte schon wie die Hitze sich im Auto breit machte. Deshalb hatte ich das Wasser für mich und den Vogel dabei. Ich öffnete die Flasche und tröpfelte etwas davon in meine Hand und führte sie zum Schnabel des Tieres heran. Dieser trank etwas davon. Auch ich selbst nahm einen großen Schluck.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit, die mindestens zwei Stunden dauerte, und nachdem 20-mal derselbe Song im Radio gelaufen war, kam ich an der Tierarztpraxis an. Es war ein großes Backsteingebäude, auf dem die Aufschrift Danny´s Klinik prangte. Ich parkte auf einem kleinen Parkplatz, der sich vor der Praxis befand. Dann stieg ich aus und lief über den kleinen Grünstreifen, der mit Stachelpalmen bepflanzt war. Ich schnappte mir den Vogel und den Geldbeutel. Im Inneren des Hauses erwartete mich eine Rezeption. »Hallo. Wie kann ich ihnen helfen?«, fragte mich die Dame hinter dem Tresen. Sie war um die fünfzig Jahre alt, hatte goldenes hochgestecktes Haar und trug eine Brille auf ihrer spitzen Nase. »Ähhm … Ich habe diesen Vogel hier gefunden und wollte ihn mal durchchecken lassen«, erklärte ich ihr. Sie blickte mich misstrauisch mit ihren braunen Augen an und beugte sich leicht über die Theke, um den Eichelhäher besser betrachten zu können. »Name?«, fragte sie. »Jessica Flynn«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. »Wohnort?«, kam sogleich die nächste Frage. »Hampton Virginia. Santa Clara Drive 118.« Sie schrieb alles auf und bedeutete mir im Wartezimmer Platz zu nehmen. Es war nicht sehr geräumig aber hatte einen gewissen Charme. Ich setzte mich auf einen der fünf schwarzen Lederstühle und wartete. In der Mitte des Raums war ein Tischchen, auf dem Zeitungen lagen. Kaum saß ich drei Minuten, wurden wir auch schon wieder aufgerufen. Die Empfangsdame zeigte auf eine Tür, die gegenüber des Pults lag und in die ich eintrat. Drinnen stand eine Doktorin, die mich anlächelte. Sie war mittelgroß und hatte einen roten Lockenkopf. »Mein Name ist Dr. Müller«, sie machte einen freundlichen Eindruck. »Ich bin Jess. Diesen Vogel hab ich beim Joggen gefunden und bin so schnell wie möglich hierhergekommen.« Die Frau begutachtete den Flügel und schmunzelte. »Wie ich sehe haben Sie Erste Hilfe geleistet. Haben sie das schon öfter gemacht?« Ich verneinte. Sie nahm die Verbände ab, röntge den Flügel und diagnostizierte einen Bruch. Wie ich vermutet hatte. »Ich gebe Ihnen ein Medikament mit, das er morgens und abends einnehmen muss«, erklärte sie mir. Da ich nicht wusste, was Vögel fressen, nutzte ich die Gelegenheit. »Entschuldigung, jetzt da ich mich um das Tier kümmern muss, wäre es gut zu wissen, was er frisst«, sagte ich unsicher. Dr. Müller antwortet: »Der Eichelhäher frisst Körner aber er braucht auch unbedingt Würmer, damit er Proteine bekommt. Außerdem benötigen seine Knochen Mineralien, um zusammenzuwachsen.« Sie begleitete mich noch bis zur Rezeption. Die Sprechstundenhilfe wartete bereits mit einer Packung auf mich. »Sie wissen, wie man es einnehmen muss?«, fragte sie mich mit strenger Stimme. »Ja«, bejahte ich. »Gut. Das macht dann 65 Dollar Arztkosten und 50 Dollar für die Medikamente«, sagte sie. Mir blieb der Atem weg. 115 Dollar insgesamt! »Entschuldigung, haben Sie gerade 115$ gesagt?«, fragte ich vorsichtshalber noch mal nach. »Ja«, erklärte sie mir nun mit einfühlsamerer Stimme. Also zahlte ich 115 Dollar für ein beknacktes Vieh, das mir nicht einmal gehörte.

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      Kapitel 3

      Während ich heute in Bio den Worten von Mr. Hellington lauschte, wanderte ein Zettel zu mir. Zu mir wanderte normalerweise kein Zettel. Als ich ihn las, blieb mir fast das Herz stehen.

      Hi, Jess, vielleicht hast du ja Lust, mit mir auf ein Date zu gehen

      K.B.

      Kevin Ballister hatte mich zu einem Date eingeladen! Er hatte an den Seiten kurz geschorenes Haar und in der Mitte lange schwarze Haare, die er zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen band. Außerdem hatte er braune Augen und war ein Basketballspieler an unserer Schule. Deshalb war er auch sehr durchtrainiert. Letztes Jahr hatte ich ihm sogar Nachhilfe in Mathe gegeben. Das war auch der Grund, warum wir uns näher kannten. Aber ich hätte nie gedacht, dass er sich für mich interessieren würde! Ich schaute zu ihm hinüber und er blickte mir genau in die Augen. Sofort wandte ich meinen Blick ab. Jetzt war meine Konzentration vollkommen hinüber. Ich war so vertieft in Gedanken über Kevin, dass ich gar nicht bemerkte, wie die Schulglocke klingelte, und sich der tollste Typ auf mich zu bewegte. »Hi, Jess. Ich hol dich dann heute so gegen sieben Uhr ab. Okay?«, er warf mir ein süßes Lächeln zu. Ich konnte ihn nur anstarren und nicken. Woher wusste er wo ich wohnte? Wir hatten uns doch sonst nur in Starbucks getroffen. Er ging und zwinkerte mir zu. »Sabbere dich nicht voll Flynn, das macht dein Outfit kaputt. Aber was rede ich denn da, bei dir kann man eh nichts mehr kaputt machen!«, hörte ich das Gackern von Vanessa und ihrer Crew. Heute beachtete ich sie erst gar nicht. Warum auch? Ich hatte ein Date! Noch dazu mit einem der nicht gerade unbeliebtesten Jungen der Schule. In der nächsten Stunde hatte ich Musik. Wir schauten glücklicherweise einen Film und in der sechsten Stunde hatten wir Mathe. Miss Miller ließ uns zwei Seiten im Unterricht rechnen, dann war die Schule vorbei. Ich schnappte mir meine Sachen zusammen und lief lächelnd durch die Flure zum Parkplatz. Am Parkplatz wartete eine Traube an Schülern auf mich. Natürlich waren Matz und Nessi unter ihnen. »Na, wie geht’s unserer kleinen Jungfrau?«, fragte eine Freundin von Vanessa. Doch heute waren sie mir egal. Das einzige, was ich erwidern konnte, war: »Sorry, ich hab heute echt keine Lust auf euch Pussys.« Ich öffnete einfach mein Auto und stieg ein. Die Leute starrten mich verdutzt an. Dann ließ ich den Motor anspringen und fuhr los. Als sie mich durch die Seitenfenster anschauten konnte ich mir nicht verkneifen ihnen lächelnd den Mittelfinger zu zeigen. Ich fuhr nicht gleich nach Hause, sondern bog an der Michael Street nach rechts ab, um zu Petko und Wallmart zu gelangen, denn ich benötigte noch Wimperntusche und Würmer für Mr. Duddle, so hatte ich den Vogel getauft.

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      Kapitel 4

      Mr.Duddle gab fröhliche Laute von sich, als ich ihm einen Wurm vor die Füße legte. Zuvor hatte ich ihn auf den Schreibtisch gesetzt, damit er nicht mein Bett voll sabbern konnte. »Na, schmeckt es dir?«, auch ich biss genüsslich in einen Apfel. Nachdem wir gegessen hatten, nahm ich den Eichelhäher auf den Arm und ging mit ihm an die frische Luft. Irgendwann mussten ja auch Vögel aufs Klo und besser draußen, als in meinem Zimmer. Konnte man mit fliegenden Tieren überhaupt Gassi gehen? Na ja, ich tat es einfach. Ich ließ ihn in meinem Garten herumhüpfen. Dieser erblühte in allen möglichen Farben, weil meine Mutter Blumen liebte. Wir hatten sogar ein kleines Gemüsebeet in dem Tomaten und Zucchini wuchsen. Auf unserer Holzterrasse stand nicht nur ein Grill, sondern auch zwei Liegen. Ich setzte mich auf eine Hollywoodschaukel, die sich perfekt unter die große Buche einfügte und schaute mich nach dem Vogel um. Er hüpfte ein wenig herum und verschwand kurzzeitig unter einem Busch, wahrscheinlich um sein Geschäft zu verrichten. Er wirkte happy draußen zu sein. Die Sonne schien immer noch. »Mr.Duddle, komm wieder her, ich muss jetzt schauen, was ich anziehen möchte«, rief ich dem Tier zu. Das Vogelvieh hob den Kopf, als würde er verstehen. Deshalb hüpfte er mir wahrscheinlich auch nach. Ich ging über die Terrasse in das Wohnzimmer und über das Wohnzimmer zurück in meinen Raum. Der Eichelhäher folgte mir ohne zu zögern. Das war vielleicht ein komischer Vogel. Nachdem ich (natürlich ohne Duddle) geduscht hatte, stand ich vor meinem Kleiderschrank, um ein passendes Outfit zu finden. Zuerst versuchte ich es mit einem schönen hellblauen, luftigen