Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...
von einem Chor sprechen höre, so entsteht mir der Verdacht, daß man nicht recht wisse, wovon man rede. Der Chor der alten Tragödie ist meines Wissens seit dem Verfall derselben nie wieder auf der Bühne erschienen.
Ich habe den Chor zwar in zwei Teile getrennt und im Streit mit sich selbst dargestellt; aber dies ist nur dann der Fall, wo er als wirkliche Person und als blinde Menge mithandelt. Als Chor und als ideale Person ist er immer eins mit sich selbst. Ich habe den Ort verändert und den Chor mehrmal abgehen lassen; aber auch Aeschylus, der Schöpfer der Tragödie, und Sophokles, der größte Meister in dieser Kunst, haben sich dieser Freiheit bedient.
Eine andere Freiheit, die ich mir erlaubt, möchte schwerer zu rechtfertigen sein. Ich habe die christliche Religion und die griechische Götterlehre vermischt angewendet, ja, selbst an den maurischen Aberglauben erinnert. Aber der Schauplatz der Handlung ist Messina, wo diese drei Religionen teils lebendig, teils in Denkmälern fortwirkten und zu den Sinnen sprachen. Und dann halte ich es für ein Recht der Poesie, die verschiedenen Religionen als ein kollektives Ganze für die Einbildungskraft zu behandeln, in welchem alles, was einen eignen Charakter trägt, eine eigne Empfindungsweise ausdrückt, seine Stelle findet. Unter der Hülle aller Religionen liegt die Religion selbst, die Idee eines Göttlichen, und es muß dem Dichter erlaubt sein, dieses auszusprechen, in welcher Form er es jedesmal am bequemsten und am treffendsten findet.
Personen.
Donna Isabella, Fürstin von Messina.
Don Manuel,
Don Cesar, ihre Söhne.
Beatrice.
Diego.
Boten.
Chor, besteht aus dem Gefolge der Brüder.
Die Ältesten von Messina, reden nicht.
Die Szene ist eine geräumige Säulenhalle, auf beiden Seiten sind Eingänge, eine große Flügeltüre in der Tiefe führt zu einer Kapelle.
Donna Isabella in tiefer Trauer, die Ältesten von Messina stehn um sie her.
Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder
ISABELLA.
Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb,
Tret ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,
Heraus zu euch aus den verschwiegenen
Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz
Vor euren Männerblicken zu entschleiern.
Denn es geziemt der Witwe, die den Gatten
Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,
Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug
Der Welt in stillen Mauern zu verbergen,
Doch unerbittlich, allgewaltig treib
Des Augenblicks Gebieterstimme mich
An das entwohnte Licht der Welt hervor.
Nicht dreimal hat der Mond die Lichtgestalt
Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl
Zu seiner letzten Ruhestätte trug,
Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot,
Mit starkem Arme gegen eine Welt
Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert.
Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist
In einem tapfern Heldenpaare fort
Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz.
Ihr habt sie unter euch in freudger Kraft
Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs
Aus unbekannt verhängnisvollem Samen
Auch ein unselger Bruderhaß empor,
Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,
Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.
Nie hab ich ihrer Eintracht mich erfreut,
An diesen Brüsten nährt ich beide gleich,
Gleich unter sie verteil ich Lieb und Sorge
Und beide weiß ich kindlich mir geneigt.
In diesem einzgen Triebe sind sie eins,
In allem andern trennt sie blutger Streit.
Zwar weil der Vater noch gefürchtet herrschte,
Hielt er durch gleicher Strenge furchtbare
Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel,
Und unter eines Joches Eisenschwere
Bog er vereinend ihren starren Sinn.
Nicht waffentragend durften sie sich nahn,
Nicht in denselben Mauren übernachten;
So hemmt' er zwar mit strengem Machtgebot
Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs,
Doch ungebessert in der tiefen Brust
Ließ er den Haß – Der Starke achtet es
Gering, die leise Quelle zu verstopfen,
Weil er dem Strome mächtig wehren kann.
Was kommen mußte, kam. Als er die Augen
Im Tode schloß, und seine starke Hand
Sie nicht mehr bändigt, bricht der alte Groll
Gleichwie des Feuers eingepreßte Glut,
Zur offnen Flamme sich entzündend los.
Ich sag euch, was ihr alle selbst bezeugt,
Messina teilte sich, die Bruderfehde
Löst' alle heilgen Bande der Natur,
Dem allgemeinen Streit die Losung gebend,
Schwert traf auf Schwert, zum Schlachtfeld ward die Stadt,
Ja diese Hallen selbst besprützte Blut.
Des Staates Bande sahet ihr zerreißen,
Doch mir zerriß im Innersten das Herz –
Ihr fühltet nur das öffentliche Leiden,
Und fragtet wenig nach der Mutter Schmerz.
Ihr kamt zu mir und spracht dies harte Wort:
»Du siehst, daß deiner Söhne Bruderzwist
Die Stadt empört in bürgerlichem Streit,
Die, von dem bösem Nachbar rings umgarnt,
Durch Eintracht nur dem Feinde widersteht.
– Du bist die Mutter! Wohl, so siehe zu,
Wie du der Söhne blutgen Hader stillst.
Was kümmert uns, die Friedlichen, der Zank
Der Herrscher? Sollen wir zugrunde gehn,
Weil deine Söhne wütend sich befehden?
Wir wollen uns selbst raten ohne sie,
Und einem andern Herrn uns übergeben,
Der unser Bestes will und schaffen kann!«
So spracht ihr rauhen Männer, mitleidlos
Für euch nur sorgend und für eure Stadt,
Und wälztet noch die öffentliche Not
Auf dieses Herz, das von der Mutter Angst
Und Sorgen schwer genug belastet war.
Ich unternahm