Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...
zu einem Edelknecht, der hereintritt.
Was gibts?
EDELKNECHT.
Ratsherrn von Orleans flehn um
Gehör.
KARL.
Führ sie herein.
Edelknecht geht ab.
Sie werden Hülfe fodern,
Was kann ich tun, der selber hülflos ist!
Dritter Auftritt
Drei Ratsherren zu den Vorigen.
KARL.
Willkommen, meine vielgetreuen Bürger
Aus Orleans! Wie stehts um meine gute Stadt?
Fährt sie noch fort mit dem gewohnten Mut
Dem Feind zu widerstehn, der sie belagert?
RATSHERR.
Ach Sire! Es drängt die höchste Not, und stündlich wachsend
Schwillt das Verderben an die Stadt heran.
Die äußern Werke sind zerstört, der Feind
Gewinnt mit jedem Sturme neuen Boden.
Entblößt sind von Verteidigern die Mauern,
Denn rastlos fechtend fällt die Mannschaft aus,
Doch wen'ge sehn die Heimatpforte wieder,
Und auch des Hungers Plage droht der Stadt.
Drum hat der edle Graf von Rochepierre,
Der drin befiehlt, in dieser höchsten Not
Vertragen mit dem Feind, nach altem Brauch,
Sich zu ergeben auf den zwölften Tag,
Wenn binnen dieser Zeit kein Heer im Feld
Erschien, zahlreich genug, die Stadt zu retten.
Dunois macht eine heftige Bewegung des Zorns.
KARL.
Die Frist ist kurz.
RATSHERR.
Und jetzo sind wir hier
Mit Feinds Geleit, daß wir dein fürstlich Herz
Anflehen, deiner Stadt dich zu erbarmen,
Und Hülf zu senden binnen dieser Frist,
Sonst übergibt er sie am zwölften Tage.
DUNOIS.
Saintrailles konnte seine Stimme geben
Zu solchem schimpflichen Vertrag!
RATSHERR.
Nein, Herr!
Solang der Tapfre lebte, durfte nie
Die Rede sein von Fried und Übergabe.
DUNOIS.
So ist er tot!
RATSHERR.
An unsern Mauern sank
Der edle Held für seines Königs Sache.
KARL.
Saintrailles tot! O in dem einzgen Mann
Sinkt mir ein Heer!
Ein Ritter kommt und spricht einige Worte leise mit dem Bastard, welcher betroffen auffährt.
DUNOIS.
Auch das noch!
KARL.
Nun! Was gibts?
DUNOIS.
Graf Douglas sendet her. Die schottschen Völker
Empören sich und drohen abzuziehn,
Wenn sie nicht heut den Rückstand noch erhalten.
KARL.
Du Chatel!
DU CHATEL zuckt die Achseln.
Sire! Ich weiß nicht Rat.
KARL.
Versprich,
Verpfände was du hast, mein halbes Reich –
DU CHATEL.
Hilft nichts! Sie sind zu oft vertröstet worden!
KARL.
Es sind die besten Truppen meines Heers!
Sie sollen mich jetzt nicht, nicht jetzt verlassen!
RATSHERR mit einem Fußfall.
O König, hilf uns! Unsrer Not gedenke!
KARL verzweiflungsvoll.
Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?
Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?
Reißt mich in Stücken, reißt das Herz mir aus,
Und münzet es statt Goldes! Blut hab ich
Für euch, nicht Silber hab ich, noch Soldaten!
Er sieht die Sorel hereintreten, und eilt ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.
Vierter Auftritt
Agnes Sorel ein Kästchen in der Hand, zu den Vorigen.
KARL.
O meine Agnes! Mein geliebtes Leben!
Du kommst, mich der Verzweiflung zu entreißen!
Ich habe dich, ich flieh an deine Brust,
Nichts ist verloren, denn du bist noch mein.
SOREL.
Mein teurer König!
Mit ängstlich fragendem Blick umherschauend.
Dunois! Ists wahr?
Du Chatel?
DU CHATEL.
Leider!
SOREL.
Ist die Not so groß?
Es fehlt am Sold? Die Truppen wollen abziehn?
DU CHATEL.
Ja leider ist es so!
SOREL ihm das Kästchen aufdringend.
Hier, hier ist Gold,
Hier sind Juwelen – Schmelzt mein Silber ein –
Verkauft, verpfändet meine Schlösser – Leihet
Auf meine Güter in Provence – Macht alles
Zu Gelde und befriediget die Truppen.
Fort! Keine Zeit verloren!
Treibt ihn fort.
KARL.
Nun, Dunois? Nun, Du Chatel! Bin ich euch
Noch arm, da ich die Krone aller Frauen
Besitze? – Sie ist edel, wie ich selbst
Geboren, selbst das königliche Blut
Der Valois ist nicht reiner, zieren würde sie
Den ersten Thron der Welt – doch sie verschmäht ihn,
Nur meine Liebe will sie sein und heißen.