Sabrina Meyer

My Best Friends Guy


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brauchen Bewegung, also laufe ich in meinem ehemaligen Zimmer auf und ab. Der Teppich zeigt mir dafür den Weg, den ich schon unzählige Male in meiner Jugend gelaufen bin.

      „Ja, er steht auf Männer.“

      Any schnaubt frustriert, ehe der Groschen bei ihr fällt.

      „Willst du damit sagen, sie bringt einen falschen Freund mit nach Hause, um dich eifersüchtig zu machen?“

      „Jupp. Zumindest denke ich das.“

      „Und sie scheint nicht zu wissen, dass Kane Probleme haben wird, ein verliebtes Pärchen mit Küssen und Handanlegen zu mimen?“

      Ich zucke bei diesen Worten zusammen und atme hörbar tief durch.

      „Ich weiß es nicht.“ Ich kann richtig sehen, wie Any auf ihrer Unterlippe kaut und sich alle Fakten durch den Kopf gehen lässt.

      „Also, ich fasse mal zusammen. Du hast mit Sarah Schluss gemacht, bevor es ernst wurde, weil du dir endlich eingestanden hast, dass du Gefühle für Kane hast. Deinen besten Freund aus der Kindheit. Doch bei deinem letzten Besuch habt ihr euch gestritten, weil du seinen Freund nicht ausstehen konntest. Dann bist du nach Hause geflüchtet, hast mit Sarah betrunken geknutscht und bist immer noch mit ihr befreundet. Aber dass du nicht bei einer Frau landen möchtest, sondern lieber bei den Herren der Schöpfung, hast du beiden bisher noch nicht gesagt.“ Ich beiße die Zähne zusammen. Any scheint das telepathisch zu spüren, denn sie fährt fort: „Und deine Mutter kennt Kane, kann sich durch ihre Demenz aber nicht mehr an ihn erinnern.“

      Wieder nicke ich.

      „Das ist ja besser als meine Seifenopern im Fernsehen.“

      „Any!“

      Sie lacht und fragt: „Was ist? Stimmt doch.“

      „Und was soll ich jetzt machen?“

      „Spiel mit.“

      Ich runzele die Stirn und nehme mein Handy vom Ohr, um es anzustarren. Warum um Himmels Willen sollte ich so etwas machen? Diesmal kam die Telepathie nicht durch, also drücke ich mein Handy ans Ohr und wiederhole laut: „Warum sollte ich das machen?“ Any schnaubt.

      „Weil es Spaß machen würde?“

      Mir liegen etwa fünfzig Erwiderungen auf der Zunge, die von Sarkasmus bis Wut reichen. Also beiße ich mir auf die Zunge und werfe mich aufs Bett. An die Decke starrend warte ich auf eine Erklärung.

      „Sean, hör zu. Es gibt einen Grund, warum er das macht. Keine Ahnung welchen, aber er ist bestimmt nicht heut Morgen aufgestanden und hat sich gesagt: Hey, heute spiele ich mal den Freund von der Exfreundin meines guten alten Freundes Sean. Und das hört sich nicht nur blöd an, weil in diesem Satz dreimal das Wort Freund vorkommt. Du hattest doch sowieso vor, nächsten Monat zu Kane zu fliegen, oder? Und du möchtest Sarah als Freundin behalten. Wenn du sie bloßstellst, dann hat sich das erledigt. Glaub mir, Frauen sind nachtragend. Versuch ihn irgendwo abzufangen und mit ihm zu reden. Oder versuch ihn in eine Ecke zu drängen und zu küssen. Dann weißt du endlich Bescheid. Und ich kann sagen: Ich habe es dir doch gleich gesagt.“

      „Any!“ Bei dem erneuten Kichern in der Leitung muss ich unwillkürlich grinsen. Der Knoten in meinem Magen hat sich endlich gelöst und Anys Worte setzen sich in meinem Kopf fest.

      „Sarah ist nur eine Woche hier, bevor sie wieder in die Stadt fährt.“

      „Na siehst du, ein paar Tage hältst du doch durch, oder? Lass sie ihr Gesicht wahren, mach gute Miene zum bösen Spiel und alles wird gut.“

      Nachdem Any aufgelegt hat, nagen weiterhin Zweifel an mir. Ich finde es eigentlich immer gut, einfach meine Meinung zu sagen. Das spart einem viel Drama.

      „Sean?“, erklingt die Stimme meiner Mutter aus dem Erdgeschoss. Pflichtbewusst rappele ich mich auf und laufe die Treppen wieder runter. Meine Mutter steht in der Küche und sieht sich ratlos um.

      „Schatz, hast du schon die Snacks rausgebracht? Und ist genug Wein im Kühlschrank?“ Ich gehe zu ihr und drücke ihre Schultern, die viel zu zerbrechlich wirken.

      „Das habe ich schon vor zwei Stunden gemacht, Mum. Mach dir keine Sorgen.“ Fahrig fährt sie sich mit zitternden Händen durchs Haar.

      „Achso, gut. Dann habe ich das wohl vergessen.“

      Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Meine Mutter ist noch keine sechzig. Das würde sie erst in wenigen Tagen sein. Und mittlerweile vergaß sie selbst kleine Dinge und nicht nur Menschen oder vergangene Ereignisse. Und das mindestens dreimal. Das Leben spielt einem manchmal Streiche, die nicht zum Lachen sind. Aber heute möchte ich auf keinen Fall in Selbstmitleid verfallen. Stattdessen schiebe ich meine Mum zur Tür.

      „Geh ruhig raus und unterhalte dich. Schau mal, es sind noch mehr Nachbarn gekommen. Sag doch Hallo und ich kümmere mich um alles.“ Meine Mutter schenkt mir ein dankbares Lächeln und folgt meinem Rat. Die Planung der Feierwoche hatte sie schon nach ihrer Diagnose aufgenommen, sodass eigentlich alles glatt laufen sollte. Seit einigen Monaten hat sie ihren Job als Innenarchitektin aufgegeben und findet sich mittlerweile gut in das Leben ohne festen Arbeitsplan ein. In einer Ecke der Küche befindet sich ein großer roter Fleck, den einer unserer Gäste hinterlassen hat. Ich weiß, dass meine Mutter keine Unordnung oder Flecken auf ihren kostbaren Fliesen duldet, also laufe ich in den Flur, um Putzzeug aus der Kammer zu holen. Doch als ich mich gerade hinunter beuge, um den Eimer samt Wischmopp aufzuheben, werde ich ins Innere gedrängt. Nachdem die Tür zugefallen ist, wird es stockdunkel.

      „Sean…“ Kane beendet seinen Satz nicht und ich höre ihn tief einatmen.

      „Ist das dein Ernst? Du sperrst uns hier im Dunkeln in einer Kammer ein und kannst dann nicht mal mit mir reden?“ Oha, da war es wieder, mein freches Mundwerk. Hallo Freund, wo hast du nur gesteckt? Kane stößt ein zittriges Lachen aus. Weil wir so nahe beieinanderstehen, spüre ich, wie er seinen Arm hebt. So wie ich ihn kenne, fährt er sich mit den Fingern durch seine ordentliche Frisur. Als er merkt, was er da tut, nimmt er seinen Arm schnell wieder runter. Schmetterlinge in meinem Bauch führen einen Tango auf und ich nenne mich in Gedanken einen Narren.

      „Du hast recht. Aber ich habe einfach reagiert. Sarah lässt mich keine Minute aus den Augen. Unter dem Vorwand, mal ins Bad zu müssen, habe ich mich davonstehlen können.“

      „Und, musst du mal ins Bad? Denn ganz ehrlich, dann haben wir ein Problem.“

      „Warum?“ Kanes Stimme ist seltsam tief. Ohne es zu wollen, spannt meine Hose und nun bin ich froh, dass es in der Kammer kein Licht gibt.

      „Weil der Türknauf kaputt ist. Es gibt nur einen draußen und naja, wir sind hier drin.“ Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Unter der Tür kommt ein schmaler Lichtschein durch, sodass ich sehen kann, dass Kane sich gegen die Tür lehnt.

      „Wie kommt es, dass ich mit dir immer in solchen Situationen lande?“ Zum Glück hörte man seiner Stimme das Lächeln an.

      „Hey, es ist nicht meine Schuld, dass du mich hier reingeschubst hast.“ Kane schweigt und meine Gedanken wandern in die Vergangenheit.

      „Und die Sache mit dem verschlossenen Schuppen kannst du mir auch nicht vorwerfen. Ich meine, woher sollte ich denn wissen, dass der Parkwächter abends kommt und alle Türen verriegelt.“

      Kane lacht leise, aber angespannt.

      „Und was war mit dem Klassenzimmer in der Grundschule? Oder dem Kajak Laden am See?“, fragt er herausfordernd.

      Mir wird warm ums Herz und mit einem Mal ist es mir egal, dass wir hier eingeschlossen sind.

      „Die Übernachtung in der Schule hast du auch für eine gute Idee gehalten. Wir hätten vielleicht unseren Eltern Bescheid geben sollen, aber die Sache mit dem Kajak Laden war doch gar nicht so schlimm. Wir hatten genug zu knabbern und für unsere Rettung brauchten sie nur eine Stunde.“ Zum Glück stand damals ein Telefon auf dem Tresen und Kane hatte die Nummer seiner Eltern im Kopf. Von uns beiden war er immer der verantwortungsvollere,