Sabrina Meyer

My Best Friends Guy


Скачать книгу

haben genug Tauchausrüstungen für alle dabei. Wer möchte, kann sich einweisen lassen und einen ersten Tauchgang im See ausprobieren. Ich habe mir sagen lassen, dass es genug Fische und allerlei von Menschenhand verlorene Sachen auf dem Grund des Sees zu sehen gibt. Für diejenigen wie mich, die kalte Füße haben, gibt es Ruder- und Tretboote und der Grill versorgt uns Mittags mit Nahrung. Miss Pearce hat außerdem ihren weltberühmten Salat gemacht.“ Die Gäste geben zustimmende Geräusche von sich, was Miss Pearce unwillkürlich erröten lässt.

      „Na dann, auf los geht es los“, sagt meine Mutter, während sie freudig in die Hände klatscht. Es dauert nicht lang, da taucht Sarah neben mir auf.

      „Was heißt das, du hast kalte Füße? Du wirst doch wohl mitmachen, oder nicht?“

      Lächelnd schüttele ich den Kopf.

      „Dieses Mal setze ich aus. Aber ich weiß, dass du es gern ausprobieren möchtest. Nur zu, Mum wird sich freuen, wenn ihr das gemeinsam macht.“ Ups, vielleicht sind das nicht gerade die richtigen Worte gewesen. Sarah strahlt, als ob ich ihr ein Geschenk gemacht hätte. Und zwar eines mit einer großen roten Schleife zum Geburtstag. Meine Mum kann sie wirklich gut leiden und hat wohl auch gehofft, dass wir heiraten und ihr Enkelkinder schenken würden. Was Sarah jedoch nicht weiß, ist, dass ich ein ernsthaftes Gespräch mit meiner Mutter geführt habe, als die Diagnose im Krankenhaus gestellt wurde. Ich weiß nicht, warum ich es nicht früher gemacht habe. Immerhin bin ich mir langsam sicher, zu welchem Geschlecht ich mich mehr hingezogen fühle. Und es war nicht leicht, mit ihr darüber zu sprechen. Aber zu der Zeit konnte sie sich noch an Kane erinnern und nach einigen Tränen – und ich sage nicht, ob nur einer von uns beiden geweint hat oder nicht – hat sie mich umarmt und gesagt, dass sie mich immer lieben würde und ich schon einen Weg fände, ihr Enkelkinder zu schenken. Diese Erinnerung verbinde ich mit einem glücklichen, traurigen und befreienden Gefühl. Das ist typisch meine Mutter. Worte des Komforts und gleich ein großes Abenteuer mit dran. Ich meine Kinder! Wie soll ich mit Anfang zwanzig daran denken, eine Familie zu gründen, wenn ich mein Liebesleben noch nicht in Ordnung gebracht habe? Außerdem lebe ich derzeit mit meiner Mutter zusammen. Das ist irgendwie ein großer Deal Braker für mich. Nichts desto trotz mag Mum Sarah wirklich sehr gern und daher entsprechen meine Worte der Wahrheit. Nur will ich Sarah keine falschen Hoffnungen machen. Ich beobachte, wie sie zu Kane geht und dieser den Kopf schüttelt. Sie redete kurz auf ihn ein und er schüttelt wieder den Kopf. Als sie die Lippen aufeinanderpresst und in Richtung der Tauchlehrer davonstürmt, schließe ich daraus, dass Kane diese Auseinandersetzung gewonnen hat. Ich warte ab, was passiert, bin mir aber ziemlich sicher, dass er ebenfalls keine große Lust aufs Tauchen hat. Ein Großteil unserer Gäste beteiligt sich am Abenteuer, nur die älteren Frauen, Kane und ich bleiben übrig. Während ich einige große Picknickdecken und Körbe mit gekühlten Getränken aus dem Kofferraum hole, greift Kane mir ohne zu fragen unter die Arme. Wir arbeiten schweigend zusammen. Die Stille ist zum Glück nicht unangenehm und ich kann nicht anders, als immer wieder zu ihm rüber zu schielen, während wir die Decken auf einer großen Wiese direkt neben dem Wasser ausbreiten und die Kühlboxen verteilen.

      „Hast du…möchtest du eine Runde Ruderboot fahren?“, frage ich. Fast könnte man meinen, Kane wäre erleichtert. Vielleicht wollte er das gleiche fragen? Wollte er auch mit mir allein sein, um reden zu können?

      „Ja, klar.“

      Also suchen wir uns ein Boot aus. Aufgrund der Erfahrung jahrelanger Freundschaft setze ich mich an die Spitze, während Kane in der Mitte Platz nimmt, mit dem Rücken zu mir, um die Ruder zu übernehmen. Er ist eindeutig stärker als ich und ich muss gestehen, dass der Anblick seiner muskulösen Arme in dem T-Shirt es wert ist, in der prallen Sonne in einem Boot auf den See zu fahren. Ich kann Sarahs erstaunten Blick sehen, als wir davonfahren, doch damit würde ich mich später auseinandersetzen. Eine halbe Stunde später sind außer Sichtweite um eine Biegung des Sees gelangt . Keiner von uns spricht. Ob aus Angst, Angespanntheit oder einfach um den Frieden noch etwas länger zu wahren, kann ich gar nicht genau sagen. Schließlich lässt er das Boot an einer flachen Stelle auflaufen und dreht sich zu mir um. Zwei Libellen fliegen um uns herum und Kane beobachtet sie staunend. Er scheint so im Reinen mit sich zu sein, dass ich die letzten Monate schmerzhaft als tiefe Leere in meinem Innersten wahrnehme. Ich weiß nicht mehr, was in seinem Leben vorgeht. Ist er noch mit diesem Pete zusammen? Warum diese ganze Scharade? Und obwohl ich diese Themen ansprechen sollte, spreche ich das Erste aus, was mir wie ein ungefährliches Thema vorkommt: „Ich hätte mein Notizbuch mitnehmen sollen. Es ist lange her, dass ich dich zeichnen konnte. Du siehst so in dir ruhend aus, wie die Yogalehrerin meiner Mutter sagen würde.“

      „Du machst neuerdings Yoga?“, fragt Kane mit einem eher schiefen Lächeln, das seine Augen jedoch nicht erreicht.

      „Nein. Meine Mutter hat damit vor zwei Monaten angefangen und seitdem muss ich zweimal die Woche aus dem Haus flüchten, um meine Augen zu schonen und die schrill laute Stimme der Lehrerin nicht bis oben zu hören.“

      „Ich habe mich schon gewundert, dich weder gestern noch heute mit deinem Buch zu sehen. Noch vor Kurzem hast du alles gezeichnet, was deine Aufmerksamkeit eingefangen hat.“

      Das stimmt nicht ganz. Achtzig Prozent meiner Zeichnungen hatten Kane als Motiv und einige Wenige seinen Freund Pete mit Teufelshörnern und na ja eben einigen anderen nicht sehr schmeichelhaften Körperteilen. Der Fantasie sei hier keine Grenze gesetzt.

      „Um ehrlich zu sein bin ich kaum noch zum Zeichnen gekommen. Ich habe im Frühjahr einen großen Auftrag für eine Kinderbuchreihe abgeschlossen und der nächste Auftrag ist für den Herbst geplant. Bis dahin genieße ich die Zeit mit meiner Mum. Obwohl ich im nächsten Monat zwei Wochen Urlaub eingeplant habe. Ich wollte dich besuchen kommen, mich bei dir entschuldigen für mein Verhalten auf der Party und dir von meiner Mum erzählen.“ Als Kane mich mit seinem Blick auf meinem Platz festnagelt, krampft sich mein Magen zu einem nervösen Ball zusammen. Ich schlucke und sein Blick huscht zu meinem Adamsapfel. Und so schnell seine Anspannung aufgetaucht war, verschwindet sie auch schon wieder. Sein Körper wird weicher und als er sich zur Seite beugt und eine Hand ins flache Wasser hält, versuche ich mich innerlich zusammenzureißen.

      „Dann kann ich ja einen Punkt auf meiner Liste abhaken. Ich dachte schon, du würdest länger brauchen, um dich für dein Verhalten zu entschuldigen.“

      Mein erleichtertes Aufseufzen bringt das Lächeln zurück in sein Gesicht.

      „Da wir das geklärt haben, willst du mir nicht verraten, was diese ganze Sache mit Sarah soll?“ Kane lehnt sich zurück und als ich den Schalk in seinen Augen sehe, weiß ich, dass ich meinen besten Freund zurückhabe. So war es früher immer zwischen uns. Wir waren auf einer Wellenlänge, konnten den anderen lesen und es gab keine verkrampften Momente. Bis zum Tag X zumindest. Oder, wenn ich ehrlich war, auch schon einige Male davor.

      „Ich beantworte ein paar Fragen, wenn du mir meine beantwortest. Aber die Auflösung muss ich Sarah überlassen.“

      Ich nicke zustimmend. So oder so, ich würde rausfinden, warum er Sarahs Freund spielte. Und, was noch wichtiger ist, ich würde meine Gefühle näher ergründen. Also frage ich: „Na dann, schieß los. Wie lautet deine erste Frage?“

      Kane überspielt sein Lachen mit einem Brummen und antwortet: „Warum hast du mich nicht angerufen, als du die Diagnose deiner Mum bekommen hast?“

      Für diese Antwort musste ich nicht lang überlegen.

      „Weil ich sauer auf dich war. Schon vor meinem Besuch bei dir zeigte sie Anzeichen. Ich hatte Angst, es beim Namen zu nennen. Eigentlich wollte ich dir gleich am Anfang von meinen Befürchtungen erzählen. Aber als du deine Tür geöffnet hast und mir gleich nach unserer Begrüßung Pete vorgestellt hast, war mein Plan wie weggewischt. Wir sind beste Freunde seit dem Kindergarten. Selbst unser Umzug hat daran nichts geändert. Wir waren auf dem gleichen College und haben uns ein Zimmer geteilt. Als Pete laut und deutlich sagte, dass er mich nicht leiden kann und du ihn auch noch verteidigt hast, da konnte ich einfach meinen Mund nicht halten. Und trotzdem tut es mir leid, dass er in den Pool gefallen ist. Und dass ich ihn beschimpft habe und dass ich ihm Salz in seinen Joghurt getan habe.“ Meine Stimme wurde immer defensiver, doch Kane lachte jetzt so laut, dass