Sorin Mirel Constantin

Grenzen


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man nur 30 km/h fahren. Sie sind viel zu schnell gefahren.«

      Alexandru hätte gar nicht so schnell fahren können auf dieser holprigen Straße, wo man gar nicht wissen konnte, ob man noch tatsächlich auf der Straße war oder auf dem trockenen Acker, geschüttelt und gerüttelt, damit man sich sicher an die Straßen der Kindheit erinnert. Die Straßen, die so oft nirgends hinführten, wo man über alle Pfützen von Stein zu Stein springen musste, wenn man seine Schuhe und sein Gewissen sauber halten wollte.

      Nein, er sei nicht schnell gefahren, man solle lieber die Straßen reparieren, als sich darum kümmern, ob Ausländer wüssten, welches Zeichen hier am Kontrollposten, mitten in der Nacht, aufgestellt sei.

      Der Mann mit der zu weiten Uniform, sein Gesicht kann man kaum sehen – nur zwei Wieselaugen, die vergeblich versuchen, Angst in die Venen der Gefangenen zu spritzen –, ist ein Praktikant. Hinter ihm ein Polizeioffizier. Ein kurzes Zeichen, lass sie weiterfahren.

      Der Praktikant kann das nicht stehen lassen, sie einfach so weiter fahren zu lassen. Er wirft mit einer lässig entschlossenen Handbewegung die Pässe unter die Fahrertür – in den Dreck mit euren ausländischen Pässen. Alexandru muss aussteigen, bückt sich, geht in die Knie, sammelt die schmutzigen ausländischen Pässe unter dem Auto auf. Der Moment ist eine Explosion von Schimpfwörtern, Anna ist fast lauter als der brüllende Motor des Wagens, der jetzt wie ein Formel 1 Wagen startet mit quietschenden Reifen auf der staubigen Straße. Jetzt werde ich schnell fahren. Zum Trotz.

      Die Reise geht weiter durch die dunkle Nacht. Dunkel wie im Bauch einer schwarzen Kuh, keine Laternen, keine Sterne, nur die Scheinwerfer, die zwei Löcher in den schwarzen Stoff bohren. Auf einmal Straßenbahnschienen und am Rande der Straße eine Gestalt.

      »Entschuldigung, ist es noch weit bis Bukarest?« »Sie sind in Bu… Bu… Bukarest!«, antwortet eine betrunkene Stimme.

      Soll das die Hauptstadt sein? Sie können es nicht glauben, das Auto rollt weiter, langsam entlang der pechschwarzen Straße. Tatsächlich, links und rechts reihen sich Kolosse, eckig, grau, dunkel, kein beleuchtetes Fenster, nicht eines. Und so geht es bis an das andere Ende der Stadt, ans Ende der Hauptstadt dieses mythischen Landes des sagenumwobenen Titans der Karpaten.

      Zeichen am Kontrollposten

      Ein Rüssel, weiß gestreift, die leuchtenden Flügel eines Schmetterlings und die Frage, die gleiche Frage, diesmal im Sprechchor:

      »Welches Zeichen haben wir hier am Kontrollposten?«

      Ja, er wisse, dass das Schild eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h vorschreibe, er wisse aber auch, dass er nicht einmal 20 fahren konnte, die Straße, die vielen Löcher, wie Bombenkrater, hätten das nicht erlaubt. Der Polizist lächelt, sie können es nicht begreifen, wieso er das tut. Er verlangt keine Papiere, er schaut sich das Nummernschild nicht an, er sagt nur:

      »Fahren Sie weiter, aber bitte nicht schnell!«, und salutiert.

      Das Fenster bleibt offen, Alexandru sitzt da mit offenem Mund, weiß nicht, was er sagen soll, fährt nicht weiter. Eine Ewigkeit, eine ewige halbe Minute, und der Wagen beginnt sich zögerlich zu bewegen. Wird er nicht doch laut »Halt!« schreien, oder gibt es nach zwanzig Metern noch einen Schmetterling, der diese Aufgabe erledigt? Sie dürfen tatsächlich weiterfahren. Ihre Herzen pochen laut, sie atmen schnell, oberflächlich. Was passiert jetzt, etwas muss doch passieren? Der Wagen rollt langsam über die holprige Straße, das Licht der Scheinwerfer zittert eine Zeit lang mit. Sie haben sich alle beruhigt, die Straße wird glatt, wird breiter, Alexandru kann jetzt schneller fahren, sie sind auf der Autobahn. Die einzige Autobahn des Landes, einhundertachtzig Kilometer lang. Keiner von ihnen spricht, man hört nur den Motor des Wagens schnurren, eine Katze auf dem sicheren Sprung ins Ziel. Bald haben sie es geschafft.

      Plötzlich fangen sie alle laut an zu lachen. Es ist tatsächlich möglich, dass es auch auf der Autobahn Schmetterlinge gibt.

      Ein Kontrollposten mitten auf der Autobahn und ein junger Polizist, der eine bekannte Frage stellt:

      »Welches Zeichen haben wir hier am Kontrollposten?«

      »Hier darf man nur 30 km/h fahren, ich bin einhundertsechzig gefahren! Es ist ein Uhr nachts und wir möchten endlich ans Ziel kommen.«

      Der junge Polizist blickt Alexandru erstaunt an, fängt sich aber schnell.

      »Mit solchen Leuten wie Ihnen kann ich mich sehr gut unterhalten, Sie gefallen mir. Sie sind ehrlich und das ist, was zählt! Sagen Sie, woher kommen Sie?«

      Alexandru dreht sich nach hinten, greift in die Tasche auf der Rückbank und holt eine Packung Karelia heraus und drückt sie dem Polizisten in die Hand. Dieser schaut sich die Packung an und schaut dann Alexandru an, ohne etwas zu sagen, er schaut ihn einfach nur an, und Alexandru erinnert sich an diesen Blick, der sagt: Glaubst du, dass ich mich mit so viel zufriedengebe? Alexandru dreht sich erneut um, greift in die Tasche und holt eine zweite Packung von den Zigaretten, die er in Griechenland gekauft hat, und reicht sie dem Polizisten. Das Spiel der Blicke wiederholt sich, nach der dritten Packung drückt Alexandru aufs Gaspedal.

      Im Rückspiegel sieht man den jungen Polizisten regungslos, mit offenem Mund dastehen, mitten auf der einhundertachtzig Kilometer langen Autobahn, der Stolz der Bevölkerung und des Auserwählten, des ersten Sohnes des Landes.

      Er fährt schnell, er will aus diesem Alptraum mit Schmetterlingen und gestreiften Rüsseln heraus, am liebsten würde er schweißnass und zitternd aus diesem bösen Traum in seinem Bett erwachen.

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