Auch der Gebrauch von Birkenpech war ihm unbekannt. ITZ bestand darauf die Spitze des Speeres mit gefetteten Lederstreifen zu montieren. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Speerende. Dort schnitzte er eine Kerbe. Diese verglich er immer wieder mit seinem seltsamen wohlbehüteten Stock. ORDU, mein Gefährte, machte einige abfällige Bemerkungen über den „Kinderspeer“. Doch unsere ATOA bedeutete ITZ, den Speer auszuprobieren. ORDU holte die Haut eines Wildschweines und stopfte sie mit Moos aus. Das Ganze band er mit einem Lederstreifen zu einem Paket. Nun bedeutet er ITZ, mit seinem Speer zustoßen. Zu unserer Verblüffung ging ITZ eine ganze Anzahl von Schritten zurück. Dann legte er den Speer auf den Stab und warf ihn mit überraschender Geschwindigkeit in das Paket. Der Speer prallte von der Haut ab. ORDU begann zu grinsen. Doch als er die Haut besah, war die Spitze aus Feuerstein tief im Inneren des Bündels. Mit einer Geste auf die lederne Schleuder am Gürtel von ORDU, versuchte uns ITZ etwas mitzuteilen. ORDAIA kam ITZ bei seinen Erklärungsversuchen zu Hilfe. Es stellte sich heraus, dass der Stab eine Art Schleuder darstellte, mit der er dem Speer hohe Geschwindigkeit geben konnte. ORDU versuchte ihm mitzuteilen, dass er die Spitze besser montieren solle. ITZ schüttelte aber nur den Kopf. Mit einem kleinen Stein begann er im Sand zu zeichnen. Bald verstanden wir, dass der Stab kostbar sei und nicht beschädigt werden sollte. Die Steinspitze hingegen konnte leicht ersetzt werden und sollte sich deshalb nach dem Wurf vom Stab lösen. Unsere Anführerin fand dieses Vorgehen sehr vernünftig. Hier im Winterlager waren gerade gewachsene Holzstäbe zwar keine Seltenheit, doch an der Eisgrenze fand man kaum einen Strauch mit nur halbwegs geraden Ästen. ORDU kam zu dem Schluss, dass ITZ nicht wuki, sondern nur einfach anders sei.
In den darauffolgenden Tagen baute ORDU heimlich auch eine Speerschleuder und einen Speer nach diesem Vorbild. Doch seine Versuche, den leichten Speer zu werfen schlugen leider fehl. ORDAIA bemerkte dies und musste es wohl ITZ zur Kenntnis gebracht haben. Denn bald darauf bot ITZ ORDU an, ihm den Umgang mit dieser seltsamen neuen Waffe zu zeigen. Er erklärte ihm seinen Fehler. Der Stab, mit dem der Speer geschleudert wurde, musste eine geeignet geformte „Nase“ haben. Bald beherrschte ORDU die Technik einigermaßen, doch er konnte er sich damit nicht so recht anfreunden. Seine Treffsicherheit ließ immer noch zu wünschen übrig. Als ITZ sich erholt hatte, begann er besonders stark brennendes Nesselkraut, mit einem Stück Fell zum Schutz um seine Hand gewickelt, zu sammeln. Nachdem die Pflanzen getrocknet waren, schlug er sie mit einem Knüppel und weichte sie im Bach ein. Diese Tätigkeit wiederholte er so lange bis er saubere Pflanzenfasern bekam. Unsere Auffassung ist, Wukies eine Zeit lang nur zu beobachten aber sie nicht zu belästigen. Schließlich hat jeder von uns auch einen kleinen Wuki im Gehirn. Solange jemand die anderen Clanmitglieder nicht stört, darf er tun was ihm beliebt. ITZ erbat von einem unserer Jäger ein Stück Geweih und bohrte es an. Dann begann er mit einer seltsamen Tätigkeit. Mittels eines Stabes in der Scheibe aus Geweih begann er aus den Fasern der Nesseln einen Faden zu spinnen. Unsere ATOA fand das interessant und förderte den Fremden. Er war sehr stolz, als er unserer Anführerin einen langen Faden vorweisen konnte. Ein junges Mädchen versuchte den Faden. Er war leichter handzuhaben, aber im Vergleich zu den Sehnenstücken, die wir sonst zum Nähen verwenden, viel schwächer. Der Fremde wollte nun aufgeben. Doch unsere Anführerin bedeutete ihm, es mit Bienenwachs und Pech zu verstärken. Das Ergebnis war brauchbar. Aber erst als er die Haare eines Schaffells zu einem Faden verspann, war das Ergebnis perfekt. Unsere Anführerin rief sogar eine Beratung ein, ob wir bis an die Eisgrenze wandern sollten, um ein Wollhaarmammut zu erlegen. Sie glaubte, dass die Haare eines Mammuts noch besser geeignet wären.
Kurz darauf kam ein anderer Clan vorbei. Dessen Anführer war ein alter Mann. Eine seltene Ausnahme, da Männer durch die Gefahren der Jagd nie so alt und weise werden wie die Frauen. Die Ältesten mit der größten Erfahrung führen den Clan. Zwar sterben manche Frauen sehr viel früher bei einer Geburt. Erreichen sie aber das Alter jenseits der Schwangerschaften, so werden sie meist sehr alt und oft Anführerinnen ihres Clans. Dieser Anführer war von den Fäden so begeistert, dass er uns eine ausreichende Menge von Schaffellen versprach. Da unsere Leute fast alle zur Eisgrenze aufgebrochen waren, überließ uns der Anführer genug junge Leute, welche dann auch die Felle zu unserem Winterlager brachten. Ja, und so sitze ich jetzt da und spinne „Wolle“. Diesen Namen für die gesponnenen Fäden aus den Haaren der Schafe hat der alte Anführer ATOA vorgeschlagen. Ja, Wolle klingt eigentlich sehr gut. Dieses Wort lässt die Vorstellung von „weich“ entstehen und das war sie auch wirklich. Eng gedreht war sie fast so fest wie Tiersehnen, doch konnte man sich an deren Spitzen stechen, was bei Wolle nicht der Fall war.
Der Anführer des anderen Clans war, vermutlich wegen seines Alters, nicht gewillt an der Eisgrenze Wollhaarmammuts zu jagen. Doch er versprach uns, wenn möglich Haare einzutauschen und uns diese zur Verarbeitung zu schicken. Die Rentiere sind um diese Jahreszeit natürlich schon lange fortgezogen und mit ihnen ein großer Teil unserer Leute. Doch lebten wir Zurückgebliebene von den immer mehr werdenden Schweinen und Früchten des großen Waldes sehr gut.
ORDU hatte eine Idee. Er verkleidete sich in der Haut eines Ebers und konnte so ein Wildschwein ausgezeichnet vortäuschen. Er ließ sich von einem echten männlichen Wildschwein als „Gegner“ angreifen. Unsere Jäger warteten dann natürlich schon gut versteckt im Hintergrund um den so angelockten Eber zu erlegen. Gelegentlich wurden auch Bachen auf ORDU neugierig. Waren sie allein, so wurden sie unsere Beute. Wenn die Bache aber Junge hatte, versuchte ORDU sie durch lautes Geschrei zu vertreiben, denn er wir wollen den Fortbestand der Wildschweine nicht gefährden. Meist ergriff die Bache mit ihren Ferkeln dann die Flucht.
Mit einer Lieferung von Schaffellen brachte der alte Anführer des anderen Clans uns auch seltsame schwarze Brocken mit. Er behauptete, dass diese ein besonderer Genuss seien. Tatsächlich waren die feinen Streifen, die er von den Brocken schnitt, etwas ganz Besonderes. Sie waren köstlich in ihrem Geschmack und man konnte lange auf ihnen kauen. Der alte Mann machte aus der Zubereitung kein Geheimnis. Dies sei Wildschweinfleisch, eingelegt im zum Trinken ungenießbaren Wasser einer speziellen Quelle. Die Idee kam ihm, als er Rentiere am Rande der Quelle lecken sah, wie sie es sonst nur mit unserem Urin taten. An den Rändern der Felsen sah er weiße Kristalle in einem aufgetrockneten Wasserbecken. Sie waren fremdartig im Geschmack, aber doch auch sehr anziehend. Er sammelte einige Kristalle. Er legte ein Stück Fleisch in das Becken und entzündete daneben ein Feuer. Danach briet er das Fleisch und als es durch war, freute er sich über den hervorragenden Geschmack. Auch im Rauch über dem Feuer getrocknet, war diese köstliche Speise lange haltbar. Der alte Anführer ließ daraufhin sofort die interessanten Kristalle von den Kindern seines Clans sammeln. Mittels heißer Steine die er in das Wasserbecken warf, brachte er das Wasser zum Verdampfen und konnte so die Ausbeute an Kristallen stark steigern. Mittlerweile war sein so zubereitetes Schweinefleisch eine gute Handelsware. Er hatte auch schon eine ganze Ladung davon zur Eisgrenze geschickt und hoffte bald Haare vom Mammut dafür einzutauschen.
ORDAIA beginnt zu lachen. Ich blicke auf und sehe ITZ, so will der Fremde genannt werden, kommen. Er streicht ORDAIA über das Haar. Dann bückt er sich, damit sie sein Haar kraulen kann. Sie quiekt vor Freude. ITZ lächelt. Dies ist seine Art der Kommunikation. Mit dem Erlernen unserer Sprache hat er noch immer Schwierigkeiten. Seltsamerweise versteht er auch die alte Zeichensprache der Jäger nicht. Dies ist außergewöhnlich, denn alle die wir getroffen haben beherrschten diese Zeichen. Auch Wanderer aus ganz weit entfernten Gebieten konnten sich so mit uns verständigen. Auch wenn sie sonst eine ganz andere Sprache hatten, war mit Hilfe der Zeichen eine Unterhaltung möglich. Wie gesagt, ITZ ist schon etwas wuki. Er spricht schnell in seiner singenden Sprache auf mich ein. Dann zeigt er mir zwei flach geschliffene Holzstücke. Erst als er auf die von mir versponnene Wolle zeigt, begreife ich, dass er etwas davon haben will. Ich gebe ihm ein kleines Knäuel. Sofort wickelte er die Wolle auf das schmälere Holz. Dann will er noch mehr Wolle. Also gebe ich ihm ein weiteres Knäuel. Davon schneidet er einige Fäden ab und verknotet deren Enden. Den Knoten gibt er ORDAIA in die Hand. Die Kleine ist begeistert. Ich konzentriere mich wieder auf meine Arbeit. Doch mit einem Blick zur Seite erkenne ich, dass ITZ über das breitere Brettchen Knoten schlingt. Auf meinen fragenden Blick bedeutet er mir, dass ich noch etwas Geduld haben sollte. Nach geraumer Weile stößt ITZ mich an. Breit grinsend zeigt er mir sein Werk. Ich sehe ein breites Band aus Knoten. Mit einem Grinsen zieht ITZ das Geflecht auseinander. Zuerst erblickte ich nur Löcher. Doch als er eine wedelnde Handbewegung macht, begreife ich, dass dieses seltsame Gebilde zum Fangen von