Asmodina Tear

Christmas Time


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Nicken ist ihre Antwort. »Dann hab ich News für dich. Es funktioniert nicht.«

      ****

      Bevor ich die Küche betrete, atme ich noch mal tief durch und richte meine Haare. Scheiße, bin ich nervös. Ich fühle mich, als hätte ich ein erstes Date und müsste einen guten Eindruck hinterlassen. Das Problem ist nur, dass der Zug schon lange abgefahren ist.

      »Willst du noch lange da draußen stehen bleiben?«, durchdringt Jordan die Stille.

      Amy ist mit Grace und ihren Geschwistern im Wohnzimmer, da er mich unbedingt alleine sprechen wollte. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ich weiß es nicht.

      Nach einem Räuspern betrete ich die Küche und bin mir nicht sicher, was ich sehe.

      Jordan, Amys Onkel Sam und Georg, Amys Großvater, stehen mir gegenüber, alle mit einem Gesichtsausdruck, den ich absolut nicht deuten kann.

      Na klasse. Jeder Einzelne der Williams Männer ist schon angsteinflößend, aber alle auf einem Haufen sorgen dafür, dass ich am liebsten flüchten möchte. Doch das kann ich nicht, denn das würde bedeuten, dass ich Amy verlassen muss, aber diesen Gefallen werde ich ihnen nicht tun. Und daran ändert auch nichts, dass Sam ein Gewehr in der Hand hält. Ein Gewehr? Was zum Teufel haben die vor? Wollen die mich umbringen und anschließend im Wald verscharren?

      »Liebst du meine Enkeltochter, Shane?«, beginnt Georg ein Gespräch, als wäre es vollkommen normal, den Freund der Enkelin mit einer Flinte zu bedrohen – am Morgen des 24. Dezember.

      »Ja, Sir«, kommt es kratzig aus meiner Kehle, weshalb ich mich erneut räuspere und meine Worte nun fester wiederhole. »Ja, Sir. Ich liebe Amy.«

      Jordan kneift die Augen zusammen, Sam umfasst das Gewehr fester und Georg verschränkt die Arme vor der Brust.

      »Würdest du auch für sie töten?«, fragt nun Sam.

      Erst möchte ich lachen, weil ich vermute, dass das nur ein Scherz sein kann. Aber als ich den Muskel in seinem Kiefer zucken sehe, wird mir klar, dass er diese Frage ernst meint.

      Scheiße, was sage ich denn jetzt? Wenn ich Ja sage, denken sie vielleicht, dass ich immer noch der Shane bin, den sie kennengelernt haben. Der Sohn eines Kriminellen und der Typ, der Amy damals … fuck, wenn ich daran denke, was ich ihr alles angetan habe, wird mir immer noch schlecht. Aber der bin ich nicht mehr. Ich habe mich verändert. Für Amy. Für mich.

      Wenn ich aber Nein sage, denken sie, dass ich sie doch nicht so sehr lieben könnte, wie ich ihnen weismachen will.

      »Denk nicht so viel nach, Junge. Beantworte einfach die Frage. Ja oder Nein?«, will nun Georg wieder wissen. Jordan hat noch keinen Ton gesagt, seit ich die Küche betreten habe, trotzdem ist er es, dem ich bei meiner Antwort in die Augen sehe, denn ich möchte, dass er sieht, wie ernst mir meine Worte sind.

      »Ja. Ich würde mein Leben für sie geben. Und ja. Ich würde für sie töten.«

      Einen Moment lang ist es still in der Küche, bevor Jordan antwortet: »Gut. Dann hast du gleich die Möglichkeit, es zu beweisen.«

      ****

      Wir fahren tatsächlich in den Wald. Ich sitze auf der Laderampe von Jordans Pick-up und friere mir den Arsch ab, während aus der warmen Fahrerkabine Jingle Bells zu mir nach hinten schallt, in voller Lautstärke wohlgemerkt. Georg fährt und die zwei Williams Brüder singen lautstark mit, als wären sie zwei Jungs, die auf Santa Claus warten. Die haben doch echt einen Knall.

      Die wären nicht so gut gelaunt, wenn sie mich um die Ecke bringen würden, oder doch?

      Amy hat mich mit einem mitleidigen Blick angesehen, als wir gefahren sind und mir »Viel Glück« gewünscht. Das lässt mich jetzt auch nicht gerade Luftsprünge machen.

      »Ist alles okay bei dir?«, ruft Sam nach hinten, woraufhin ein Lachen von meinem zukünftigen Schwiegervater kommt.

      »Alles bestens!«, ist meine sarkastische Antwort, während ich zeitgleich meinen Mantel enger um mich ziehe.

      Alles super hier hinten. So bequem und kuschelig, denke ich mir meinen Teil. Ist ja nicht so, als wäre auf der Rückbank des geräumigen Pick-ups nicht noch ein Platz für mich frei gewesen.

      »Dann ist ja gut. Wir hatten schon Angst, dass du uns da hinten erfrierst.« Keine Ahnung, ob die Worte nun von Sam oder Jordan kommen. Wieder Gelächter.

      Genervt rolle ich mit den Augen.

      Sie haben mich gefragt, ob ich für Amy töten würde. Ob sie es mir sehr übel nehmen wird, wenn ich mit ihnen anfange?

      Gerade, als ich antworten möchte, verlassen wir die befestigte Straße und biegen auf einen Waldweg ab. Also doch verscharren. Ich habe es gewusst.

      Auf der anderen Seite würde niemand nach mir suchen, außer Amy, denn ich habe niemanden mehr. Mein Vater, oder besser gesagt mein Erzeuger, wurde erschossen, meine Mutter hat sich umgebracht und ansonsten habe ich keine Verwandtschaft, da beide keine Geschwister hatten. Die Freunde, die ich hatte, habe ich alle in den Wind geschossen, da sie sowieso nur wussten, wo ich war, wenn sie etwas von mir wollten. Und sie wollten alle dasselbe: Geld.

      Tja, Geld macht aber nicht glücklich. Wenn das jemand weiß, dann ich.

      Nur am Rande bekomme ich mit, dass wir immer tiefer in den Wald fahren, sosehr bin ich in meinen Gedanken versunken.

      Ich hatte nie das Gefühl, eine Familie zu haben.

      Weihnachten war bei uns ein Tag wie jeder andere, deswegen kann ich nicht verstehen, dass Amy dieses Fest so viel bedeutet. Bei uns gab es kein Baum schmücken, Plätzchen backen, Lieder singen, Geschenke unter den Baum legen. Kein Baum fällen. Baum fällen! Das wird es sein. Deswegen nehmen die mich mit in den Wald. Aber was hat das damit zu tun, ob ich für Amy töten würde?

      »Da wären wir!« Mit diesen Worten springt Jordan aus der Fahrerkabine und klopft mir auf die Schulter. »Komm schon, lass es uns hinter uns bringen.«

      Widerwillig stehe ich auf und springe von der Ladefläche, indem ich mich mit der rechten Hand auf dem Rand abstütze und seitlich meine Beine drüberschwinge.

      »Wen muss ich töten?«, frage ich nur halb im Scherz und nehme Sam das Gewehr aus der Hand, das er mir schon entgegenhält.

      »Trudy!«, ist die trockene Antwort von Jordan, als er schon an mir vorbeimarschieren will, doch ich halte ihn am Handgelenk auf.

      »Missus Shoumaker?«, stoße ich entsetzt aus, was dafür sorgt, dass alle in schallendes Gelächter ausbrechen.

      »Nein, du Idiot, nicht Missus Shoumaker, sondern Trudy, den Truthahn.«

      Jordan legt seinen Arm um meine Schulter, wohlwissend, dass ich ein Gewehr in der Hand habe. Er scheint meine Gedanken zu erraten, denn er fährt fort: »Keine Sorge, die ist nicht geladen. Oder denkst du wirklich, dass mein Bruder dir einfach eine geladene Waffe in die Hand drückt?«

      »Was machen wir hier?«, will ich nun wissen, obwohl ich inzwischen eins und eins zusammenzählen kann.

      »Was denkst du wohl?« Jordan sieht mich von der Seite an, den Arm immer noch um meine Schulter gelegt. »Da meine Tochter dich anscheinend wirklich liebt und ich dich wohl nicht mehr loswerde, wird es Zeit, dich in die Williams-Männer-Familientradition einzuführen. Du willst zur Familie gehören? Dann ist es heute deine Aufgabe, den Truthahn für unser Weihnachtsessen zu schießen. Und ich warne dich, wir haben Hunger, also sieh zu, dass du nicht so einen Mickerling erwischst, von dem niemand satt wird. Am besten sogar zwei, denn wenn die aus dem Ofen kommen, ist nur noch die Hälfte übrig.«

      ****

      »Und ihr seid euch wirklich sicher, dass hier Truthähne rumlaufen?«, frage ich, da ich mir kaum vorstellen kann, dass die hier einfach so durch den Wald laufen und darauf warten, für den Weihnachtsbraten geschossen zu werden.

      »Das will ich für dich hoffen, sonst gibt es morgen nur Süßkartoffelauflauf