Isabella Kniest

Right in your heart


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glaubte sie doch selbst nicht!

      »Nein«, erwidere er. »Ganz und gar nicht.«

      Er zwang sich weiterhin zur Ruhe.

      Es brachte nichts, die Nerven zu verlieren. Sie war nun einmal aufbrausend. Möglicherweise legte sich diese Charaktereigenschaft, wenn sie ihm etwas mehr vertraute.

      »Ich vermute, du hast die Nase voll von flirtenden Männern und Machos, die dich besitzen wollen. Deshalb reagierst du jedes Mal abweisend und wütend.«

      Ihre leicht erschrockenen Gesichtszüge ließen ihn kurzzeitig innehalten.

      Hatte er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen?

      »Einzig deshalb bist du frustriert. Hier geht es nicht um Sexfrust, sondern um Männerfrust. Sie kotzen dich alle an mit ihrem präpotenten Gequatsche.«

      Würde er sich damit ein paar Bonuspunkte verdienen?

      »Ich verstehe dich da sogar. In deiner Situation würde ich sicherlich ähnlich reagieren.«

      Das musste jetzt ziehen!

      Jede Frau liebte es, Recht oder Verständnis zu erhalten! Jetzt musste sie anbeißen!

      Er sah es bereits vor sich: Das leidenschaftliche, zügellose Liebesspiel in seinem weißen Himmelbett – sie mit diesem geilen Blick in ihrem erhitzten Gesicht unter ihm, während er sich rhythmisch-fordernd in sie stieß.

      Komm schon! Gib endlich nach! Du willst Sex mit mir, ich weiß es!

      Es dauerte lange, bis sie ihm antwortete. »Ja, es stimmt.«

      Ha!

      Sie legte die angebissene Hälfte ihres Brötchens auf den quadratischen Teller vor sich. »Mich frusten Männer. Aus exakt dem Grund brauchst du dich nicht weiter zu bemühen, mich mit deiner vorgespielten Freundlichkeit ins Bett zu locken.« Mit Eiseskälte in ihren schönen Augen taxierte sie ihn angewidert. »Hast du es so lange nicht mehr gemacht? Bist du derart notgeil?«

      Er wollte etwas erwidern – sie unterbrach ihn. »Ich muss ehrlich sein: Für einen winzigen Moment glaubte ich, ich hätte hier meine Ruhe. Eine Auszeit. Insgeheim habe ich mir sogar erhofft, nette Leute zu treffen und womöglich neue Freundschaften zu schließen. Wärst du nämlich nicht ein derart penetranter, überheblicher, sexbesessener Weiberer, hätten wir eventuell ein paar lustige Tage verbringen können. Aber das … das ist echt das Allerletzte.« Wort um Wort vergrößerten sich ihre Wut und ihr Frust. Er sah es in ihrem Angesicht und er hörte es in ihrer belegten Stimme. »Ich hätte es mir von Anfang an denken können, dass diese Sache zu einem Desaster ausartet … tut es schließlich andauernd bei mir.« Sie trank einen Schluck, stellte die Tasse lautstark zurück und stand auf. »Das Dinner kannst du vergessen. Und für die restlichen zwei Tage will ich meine Ruhe vor dir.«

      Damit verließ sie ihn.

      Mit einem jeden Schritt, der die Distanz zwischen ihnen vergrößerte, fühlte er sich elender und verlorener.

      Als sie schließlich komplett aus seinem Sichtfeld verschwunden war, überkam ihn ein noch niemals zuvor empfundenes intensives Gefühl der Leere.

      Fuck.

      Er besah die zweite Hälfte seines Brötchens.

      Der Appetit war ihm vergangen.

      Laut ausatmend stützte er das Kinn gegen seine Faust.

      Weshalb empfand er derart heftig?

      Üblicherweise würde er Evina vergessen und es bei der Nächstbesten probieren.

      Er nahm die besetzten Tische in Augenschein.

      Abgesehen von verliebten Pärchen und Rentnern fand er zu seinem Bedauern keine anderen Singledamen vor.

      Womöglich fühlte er sich deshalb durch den Wind?

      Der letzte Sex lag länger zurück … und hier konnte er seine gesamte aufgestaute Energie alleine auf eine einzige Frau richten – und die wollte nichts von ihm wissen.

      Entweder musste er sie ignorieren, das würde bereits bezüglich der Örtlichkeit scheitern. Eine schätzungsweise sechstausend Quadratmeter große Insel bot nicht viele Möglichkeiten, Evina erfolgreich aus dem Weg gehen zu können.

      Des Weiteren wollte er sie nicht ignorieren.

      Besonders jetzt nicht!

      Sie war Polizistin! Ein Umstand, welchen er sich ein Leben lang sehnlichst gewünscht hatte: Eine Freundin … Partnerin, die denselben Beruf ausübte wie er!

      Besser ging es nicht. Besser konnte und würde es niemals mehr werden!

      Durch ihren Job verstand sie seine Launen, seine Reisebereitschaft und seine selbst für ihn manchmal altmodischen Werte: Loyalität, Respekt, Ehre, Zusammenhalt, bedingungsloses Vertrauen. Oder um es mit Rambos Worten auszudrücken: »Ich decke dir deinen Arsch – und du deckst meinen.«

      Theo beendete sein Frühstück und erhob sich.

      Bei seiner Aufgekratztheit würde sich ein erneuter Appetit nicht mehr einstellen. Da war es besser, eine Runde zu drehen und nachzudenken.

      Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte er den weichen Sandstrand entlang. Er betrachtete die üppige Vegetation, die einzelnen Strandliegen und Palmen, die in der Ferne stehenden Bungalows und Strandhäuser, den azurblauen Himmel und das weite, glitzernde Meer. Der Ausblick erinnerte ihn stark an eine Wolkenlos-Folge. Ein kicherndes, etwas weiter links flanierendes Pärchen leitete seine Gedanken zurück zu Evina – und ihre für ihn unverständlichen Reaktionen.

      Weshalb war sie andauernd sauer? Dermaßen viel Wut … und dann diese Kälte und beinahe erzwungene Distanz, als rechnete sie jede Sekunde mit einem Suckerpunch – jemand, der ihr in den Rücken schoss oder stach.

      Herrgott!

      Was stimmte mit dieser Frau nicht?

      Und was konnte er jetzt noch tun, um ihr näherzukommen?

      …

      Wie sie aufgestanden und weggegangen war …

      Sein Herz zog sich zusammen.

      Fuck und nochmals Fuck!

      Er raufte sich die Haare.

      Was hatte sie mit ihm angestellt?

      Derart rührselig und überdreht hatte er sich noch bei keiner Frau zuvor gefühlt. Besonders nicht bei einer ihm gänzlich Unbekannten …

      Er war schließlich der Macho! Er wollte Spaß … und Sex … und saufen … und …

      Eine Partnerin.

      Eine andere Hälfte zum Anlehnen.

      Jemand, der da war … ohne viel zu sagen … wo ein Blick reichte, um ihn zu beruhigen.

      Jemand, in dessen Arme er sich fallenlassen durfte.

      Evina.

      Wenn sie es nicht war, gab es niemanden mehr, bei dem dieser zugegebenermaßen infantile Wunschtraum wahr werden würde.

      Je mehr er über sie nachdachte, desto größer wurde das Verlangen, sie bei sich zu wissen.

      Dieses Gefühl wiederum hatte er das letzte Mal …

      Nein.

      Auf diese Weise hatte er noch nie empfunden.

      Er hatte sich auf Weiber eingelassen … aber sein Herz verloren? Nein, niemals. Niemals so sehr, wie es hier im Begriff war, zu geschehen.

      Laut ausatmend setzte er sich in den Sand.

      Die funkelnden kleinen Wellen des Ozeans schienen mit Diamanten bestückt. Es erinnerte ihn an seine Kindheit, in der seine Mutter und er des Öfteren ans Meer gefahren waren.

      Lignano