Isabella Kniest

Right in your heart


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zu wirken – die Betonung lag auf »versuchte«. Richtig zufrieden mutete er keineswegs an. »Die letzten Jahre tat ich ausnahmslos das, was ich wollte. Ich habe mich keinen gesellschaftlichen Zwängen gebeugt, keine Chancen ungenützt gelassen.« Er seufzte. »Manchmal ist es dennoch hart.«

      Und damit wurde es interessant.

      »Speziell dann, wenn man einmal alleine zu Hause hockt und merkt, wie sehr die Nähe eines netten Partners fehlt.« Jäh versteifte sich sein Körper und Theo begann wilde Handgesten zu vollführen. »Aber … das ist natürlich blödes Memmengerede. Wahrscheinlich liegt es an dem Wetter hier oder dem Ambiente … oder so. Letztlich ist es immer besser, alleine seinen Weg zu gehen.«

      Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hand auf seine linke Schulter – und Theo warf mir einen unmöglich zu deutenden Blick zu.

      Es wurde Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.

      Fakt war: Ich hatte mich jahrelang belogen – und Theo sich ebenso.

      »Ich glaube, wir wissen beide, wie die Wahrheit wirklich aussieht.«

      Seine Lippen verzogen sich zu einem griesgrämigen Lächeln. »Ich würde dir gerne widersprechen, doch irgendwie funktioniert das nicht. Und irgendwie befinde ich mich eben in einer dermaßen bescheuerten Verfassung, sodass ich dir Sachen erzähle, die ich nicht einmal meiner Mutter erzählt hätte.«

      »Das ist verrückt.« Ich nahm meine Hand von ihm, worauf er danach fasste und mich zu sich zog.

      Ich konnte nichts dagegen tun – vielleicht wollte ich auch nichts dagegen tun … Auf alle Fälle schlang Theo die Arme um mich und legte seine Lippen auf meine.

      Es wurde mir glühend heiß, mein Herz raste und mein Unterleib pochte. Das schönste Empfinden allerdings war diese Vollständigkeit, die sich in mir ausbreitete.

      Ich fühlte mich komplett, lebendig, glücklich.

      Das erste Mal seit Jahren rauschte mir pures Glück durch die Adern. Es riss mich hinfort, nahm mir alle Sorgen, Ängste und Zweifel, welche sich seit dem Seitensprung meines Ex in meinem Herzen einquartiert hatten. Als Konsequenz dieser Gefühlsstürme schaltete sich meine Vernunft zur Gänze ab.

      Ich musste zugeben, Theo hätte mich nehmen können. Er hätte einfach alles mit mir anstellen können.

      Das Einzige, was er jedoch tat, war mich zu küssen.

      Langsam, unvergleichlich langsam tanzten seine weichen Lippen über meine.

      Ich vermochte ein leises Seufzen ebenso wenig zu unterdrücken wie meine Arme um seinen Nacken zu schlingen.

      Sein Oberkörper an meinen gepresst, spürte ich einen jeden einzelnen seiner stahlharten Muskeln, die heiße glatte Haut und seine zärtlichen Hände, die mich auf seinen Schoß zogen und im Anschluss daran meinen Hintern sanft kneteten.

      Wie gerne hätte ich laut aufgestöhnt!

      Doch ich hielt mich zurück.

      Ich wollte ihn nicht zu sehr anstacheln oder ihn zu etwas verleiten, das wir womöglich bereuen würden – obgleich ich mir insgeheim nichts anderes mehr wünschte …

      Irgendwann bemerkte ich seine Zunge und wie diese mich zu erforschen begann. Liebevoll berührte sie die meine, liebkoste meinen Gaumen, tänzelte mir über die Lippen. Das durch seinen kurzen Bart ausgelöste Kitzeln in meinem Gesicht kurbelte meinen Puls nochmals kräftig an … und seine fähigen Hände – Himmel, Arsch! Dieses Geschick, diese Behutsamkeit, diese fokussierte Vehemenz … Wenn Theo einer Frau nicht innerhalb einer Minute einen Höhepunkt zu entfesseln gelang, fraß ich einen Besen.

      Ein liebliches Saugen an meiner Unterlippe trieb mein Verlangen in schwindelerregende Höhen.

      Verflucht.

      Ich wollte ihn. Ich wollte ihn … jetzt sofort … Er sollte mich nehmen, gegen die Poolwand pressen, mir den Bikini vom Leib reißen und sich in mich stoßen …

      Theo indessen machte ausschließlich mit seinem Kussspektakel weiter.

      Nahezu in Slow Motion verwöhnte er mich – lutschte, saugte, knabberte … offensichtlich wollte er unseren Kuss zu einer Art Kunst erheben.

      Ein Akt der puren Einigkeit und Liebe – intimer als jeder Geschlechtsverkehr.

      Eben wollte er sich zurücklehnen, da ergriff ich die Initiative und nagte an seiner Unterlippe. Zärtlich, beinahe zögerlich schob ich meine Zunge in seinen Mund, umfasste seine Kinnbögen, kraulte seine weiche Gesichtsbehaarung.

      Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus seiner Kehle – schlug brachial in meinem Unterleib ein.

      Theo klang noch unendlich viel schöner … satt, rau, heiser, entschlossen, wild, untergeben, willig …

      »Warte.« Keuchend ließ er von mir ab – und damit verschwanden Einigkeit und Vollständigkeit gleichermaßen schnell wie sie aufgetaucht waren.

      Ich seufzte seinen Namen – sehnsüchtig, begierig.

      Ich wollte Theo noch nicht loslassen. Ich wollte ihn nie mehr loslassen.

      Nach Atem ringend blickten wir uns an.

      »Ich habe es dir gesagt«, presste er mühsam hervor. »Ich will dich nicht verletzen. Ich bin kein Arschloch. Doch falls wir es jetzt miteinander machen, würdest du dir mehr erhoffen, oder?«

      Seine Worte zogen mir das Herz zusammen und trieben mir Tränen in die Augen.

      »Warum hast du mich dann geküsst?«

      Theo starrte mich eine angefühlte Ewigkeit an. Seine Pupillen huschten unruhig hin und her.

      »Ich weiß es nicht.«

      Er rutschte weiter zurück.

      Mit einem jeden verdammten Zentimeter fühlte ich mich verlassener, einsamer, hoffnungsloser.

      Verdammt noch einmal!

      Das konnte nicht wahr sein!

      »Ich weiß nicht, wieso, doch ich sehe, wie sehr du Geborgenheit suchst … das wiederum kann ich dir nicht geben.«

      »Aber vorhin hast du –«

      »Das heißt gar nichts.« Er vollführte eine aggressive Handgeste. »Ich will frei sein. Ich will … ich –« Er erhob sich und verließ den Pool. »Tut mir leid. Das hatte ich echt nicht so geplant.«

      Flott drehte er sich um und schritt Richtung Wohnzimmer.

      »Warte!« Ich jagte ihm hinterher, riss ihm seine eben aufgehobenen Klamotten aus den Händen und warf sie auf die Couch.

      Einerseits erkannte ich große Wut, andererseits lag da mehr in seinem Mienenspiel – etwas Tiefgründiges, etwas Undefinierbares.

      »Was wird das?«

      »So schnell lasse ich dich sicherlich nicht gehen.«

      Wenn du dir hundertprozentig sicher bist, dann lass den Mann, der dir etwas bedeutet, nicht mehr los.

      »Ich will dir nicht das Herz stehlen und darauf herumtreten.« Der deprimierte wie verzweifelte Unterton in seiner Erwiderung traf mich mitten in die Seele. »Das habe ich einmal getan.« Abrupt verstummte er – und reine Verzweiflung brach über ihn herein. »Bei einem Mädchen. Ich war blutjung gewesen. Sie hat sich Hals über Kopf in mich verliebt.« Er blickte zu Boden, legte die rechte Hand auf seine rechte Gesichtshälfte. »Sie hatte mich genauso angeblickt wie du eben. Sie wollte mich. Sie wollte mit mir zusammen sein. Und ich habe diesen Umstand ausgenutzt und sie flachgelegt … Dann bin ich abgehauen.« Eine lange Pause entstand. »Ein paar Wochen später erfuhr ich über ihren Selbstmordversuch.« Langsam fand sein Blick zurück zu mir. »Tabletten. Sie stopfte sich mit Schlaftabletten voll. Gott sei Dank fand ihre Mutter sie rechtzeitig.« Unvermittelt liefen Tränen über seine Wangen, welche er schnellstmöglich wegzuwischen versuchte. »Das habe ich nie gewollt. Nie hatte ich vermutet, es würde ihr derart nahegehen.« Er atmete tief durch, straffte die Gestalt.