Isabella Kniest

Right in your heart


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war es – abermals!

      Sobald er ihr in die Augen blickte, kletterte dieses seltsame Gefühl in ihm hoch – erweckte Erinnerungen an Fehlleistungen, Sehnsüchte, Wünsche sowie Empfindungen aus Kindheitstagen.

      Und wie sie selbst darauf los plapperte, ging es ihr offenkundig keinen Deut besser.

      Und was sie erzählte!

      Über ihre Mutter, die sie und ihren Vater im Stich gelassen hatte. Ihre Kindheit, die ausschließlich daraus bestand, es dem Vater recht zu machen. Die Angst, von anderen verletzt zu werden. Das Misstrauen gegenüber Fremden. Die schmerzenden Gefühle, die dann und wann über sie hereinbrachen …

      Manchmal mutete es an, sie würde aus seinem Herzen sprechen …

      Das konnte man bloß unheimlich nennen.

      »Die Wahrheit ist«, entgegnete Evina. »Seit Lebzeiten suchte ich Geborgenheit. Da ich aber ebenso wahnsinnige Panik vor Betrug und Verletzungen fürchte, habe ich mich entschieden, alleine zu bleiben.«

      Sie und Theo flanierten den weißen Sandstrand entlang. Zarte Wellen kitzelten ihre Füße und ein lauwarmer Wind spielte mit ihren Haaren.

      »Ich habe mir eingeredet, im Alleinsein mein Glück zu finden. Funktionieren wollte es bedauerlicherweise nie.«

      »Dennoch verstehe ich nicht, weshalb du One-Night-Stands feindlich gegenüberstehst. Liebe hin oder her – genieße deine Freiheit, deine Jugend. Das gehört zum Leben dazu. Solange man ungebunden ist, kann man tun, was man will.«

      Ihr kritischer Gesichtsausdruck ging ihm durch und durch. »Ich kann das nicht. Für mich müssen wahre Gefühle im Spiel sein. Außerdem hätte ich in meinem langweiligen Dorf ohnehin niemanden gefunden. Die sind allesamt verheiratet.«

      »Und Kollegen?«

      »Alle unter der Haube. Mit Kind und Hund und Katze und Minivan.«

      Er lachte. »Das typische langweilige Landleben, hm?«

      »Ja. Einfach schrecklich! Das hat mich nie interessiert.«

      »One-Night-Stands aber ebenso wenig.«

      »Stimmt. Wie gesagt brauche ich keinen Mann, um zu kommen. Falls ich mit jemandem ins Bett springe, dann alleine mit demjenigen, der sich eine Beziehung mit mir wünscht.« Ihr Blick intensivierte sich. »Deshalb frage ich dich noch einmal: Geht es dir wirklich nicht um ein kurzes Abenteuer? Du scheinst nicht recht zu wissen, was du möchtest. Andererseits will ich dich zu nichts drängen. Genauso wenig höre ich Hochzeitsglocken – solltest du das von mir denken. Ich will bloß halbwegs in Erfahrung bringen, ob du dir mehr vorstellen kannst als einen einfachen Fick.«

      Das letzte Wort erschreckte ihn. Dabei benutzte er es selbst oft. Bei Evina hingegen – da klang es abwertend. Es hörte sich nicht einmal nach Spaß an.

      Er musste sich eingestehen: Bei ihr wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, diesen Begriff zu benutzen.

      Evina war zu besonders. Sie spielte in einer anderen Liga. Und das Wichtigste: Bei ihr konnte und wollte er sich eine längerfristige Bindung vorstellen.

      »Gehen wir es einfach ruhig an.«

      »Sicher.« Nickend griff sie sich an die Stirn. »Ich klinge wie eine Frau, die alles auf einmal will, stimmt’s?«

      Er warf ihr ein Lächeln zu. »Ja, zum Teil schon.«

      »Tut mir leid. So wollte ich nicht rüberkommen. Ich habe bloß Schiss, das ist alles … und ganz ehrlich?«

      Neugier flammte in ihm auf.

      »Wie ich es vorhin gesagt habe, könnte ich es mir vorstellen, mit dir einen One-Night-Stand zu haben. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn es mehr wird.«

      Theo fasste nach ihrer Hand. »Deshalb möchte ich es ruhiger angehen.« Er lehnte sich zu ihr, gab ihr einen kurzen Kuss und zog sie ins Meer. »Und jetzt lassen wir das Grübeln und gehen eine Runde schwimmen.« Seine Arme um ihre Hüften geschlungen, ließ er sich ins Wasser fallen – und landete mit dem Hintern im Sand.

      »Nun … tief ist es hier nicht«, stellte er lachend fest.

      Das Wasser ging ihm eben einmal bis zu den Achseln – sitzend.

      Evinas süßes Kichern entfesselte in seiner Magengegend ein leichtes Prickeln. »Ich glaube, jetzt fängt die Ebbe an.« Sie drückte ihn etwas nach hinten, legte ihre Arme um seinen Nacken – wie Saphire funkelten ihre blaugrauen Augen in der Sonne. »Wir müssen ein wenig weiter hinaus, dann klappt es vielleicht mit dem Schwimmen.«

      »In Ordnung.« Er schob seinen rechten Arm unter ihre Kniekehlen und legte den linken um ihren Oberkörper.

      »Du wirst jetzt nicht –«

      Ehe sie weitersprechen konnte, hatte er sich bereits mit ihr in den Armen erhoben.

      Neues, aufgeregtes Kichern drang aus ihrem Mund. »Was wird das?«

      »Ich trage dich in tiefere Gewässer.«

      Sie sich an seinen Oberkörper gepresst, schritt er bedächtig hinaus. Und tatsächlich, keine zehn Meter weiter war es ihm möglich, sich mit ihr ins Wasser gleiten zu lassen, ohne erneut im Sand stecken zu bleiben.

      Langsam ließ er sie los, sie hingegen antwortete mit einer innigen Umarmung – und einem innigen Kuss, der ihm den Atem raubte.

      Meine Fresse!

      Diese Zärtlichkeit … diese Umsicht … und erst ihre Unsicherheit, die sie zu unterdrücken versuchte …

      Das machte ihn schlicht und einfach geil.

      Unvermittelt ließ sie von ihm ab.

      »Ist es in Ordnung für dich?« Zweifel in Form von zusammengezogenen Augenbrauen traten in Erscheinung. »Oder klammere ich dir zu viel?«

      Was?!

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Nun … mein Ex-Freund wollte nie kuscheln oder herumblödeln. Deshalb dachte –«

      »So ein Boofke! Weshalb war der überhaupt mit dir zusammen? Da mache ich mit meinen One-Night-Stands mehr, als der in einer Beziehung!«

      Diese Welt war vollgestopft mit Arschlöchern …

      Evinas Miene spiegelte reine Fassungslosigkeit wider. »Ernsthaft? Ich … das –«

      Um ihre ohnehin nichtssagende Stotterei zu beenden, erwiderte er ihren Kuss.

      Dieses Mal ließ er sich wieder mehr Zeit.

      Wie köstlich sie schmeckte! Wie gut sie sich anfühlte! Ihr heißer Körper, die kuscheligen Haare, ihre knackige Kehrseite, die sanften Lippen … ihre Zunge, die zögerlich die seine berührte, ihre lieblichen seinen Bart kraulenden Finger, welche irgendwann weiterwanderten, ihm durchs Haar glitten …

      Es war, als würde Theo von etwas hinfortgezogen werden.

      Lag dies an den Gezeiten, oder hatte es mit Evina zu tun?

      Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich lieber auf diesen erregenden Kuss, der ihn allmählich seiner Sinne zu berauben drohte.

      »Wenn du mich auf diese Weise weiter küsst –«, keuchte sie glückstrunken. »Werde ich ernsthaft nicht mehr lange warten können.«

      Er lehnte seine Stirn an ihre. »Ich werde dir noch dermaßen einheizen – du wirst mich anbetteln, es heute Abend mit mir zu machen.«

      »Also darum geht es!« Mit einem gezielten dennoch behutsamen Tritt und einem Stoß gegen seinen Oberkörper brachte sie ihn aus der Balance und unter Wasser, infolge dessen er sie an ihrer Taille packte, auftauchte und eine überraschend leise Evina über seinem Kopf hielt, welche sich an seinen Schultern festkrallte und die Beine horizontal von sich streckte – wie eine Rock 'n' Roll Akrobatin.

      Er hatte gedacht, sie würde wenigstens irgendetwas von sich geben – und