Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen


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sich vier riesige, mit Benzin befeuerte Dampfkessel befinden, welche eine oder mehrere Turbinen antreiben, die wiederum den Apparat mit Strom versorgen«, erklärte er und deutete abwechselnd auf die vier Schornsteine.

      Von einer für Tom ungesund anmutenden Neugier angetrieben stapfte Wimille auf die Anlage zu, um sie genauer zu inspizieren. Tom machte Anstalten, ihm zu folgen, weil er Wimille nicht aus den Augen verlieren wollte. Vanessa blieb dagegen wie angewurzelt stehen und starrte blicklos vor sich hin. Vermutlich war sie mit ihren Gedanken sonst wo, weil sie mit dem abrupten Wechsel der Welten nicht klarkam. Tom musste sie an der Hand nehmen und führen, und sie stolperte beinahe, als sie sich zögernd in Bewegung setzte. Das schien sie ins Hier und Jetzt zurückzubringen.

      Sofort riss sie sich von ihm los. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr«, giftete sie.

      Tom schnaubte. »Nein, aber trotzdem machst du dir gleich in die Hosen.«

      Sie traten aus dem Kreis des Apparats und hielten auf das Kraftwerk zu. Die ganze Anlage der ZTC, Kraftwerk und Portal, war mit Stacheldraht abgesichert. Zwei große, eiserne Tore bildeten die einzigen Wege aus dem Verhau.

      »Das sieht aus wie im Krieg. Wer baut denn so etwas nur?«, rief Vanessa entgeistert.

      Tom musste ihr recht geben, allerdings kannte er auch schon die Antwort darauf: die Zaltianna Trading Company! Hinter dem Kraftwerksgebäude fanden sie eine Reihe gigantischer silberner Treibstofftanks, Türmen gleich, auf denen das schwarz-rote Logo der Zaltianna Trading Company prangte. Dicke metallene Rohre führten von ihnen ins Kraftwerk. Genauso gut hätte eine Warnung vor nuklearer Verseuchung draufstehen können, so einladend wirkte das alles auf Tom. Wäre es nach ihm gegangen, sie hätten sofort wieder das Weite gesucht. Er hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. Ein Kraftwerk mitten in einer Steppe und nirgendwo eine Menschenseele? Da war doch etwas faul! »In Elderwelt reitet man auf Pferden und kämpft fast überall mit Schwert, Speer, Pfeil und Bogen. Elektrischer Strom ist Zauberei oder Teufelswerk, je nachdem, in welchem Land man sich befindet. Es existiert lediglich eine einzige Insel, auf der man modernere Technologie benutzt. Dieses Wüstenland ist aber kein Teil davon«, murmelte Tom, um Vanessa einen kleinen Einblick zu geben, in was für einer Welt sie sich befanden.

      Sie hatten Wimille eingeholt. »Es hat den Anschein, als wollte die Zaltianna Trading Company das ändern«, meinte Veyrons Bruder und deutete auf ein weites Feld, auf dem fünf schneeweiße Tanks standen.

      Tom folgte Wimille, der auf die Behälter zusteuerte. Jeder von ihnen war mit zahlreichen Warnhinweisen versehen und einer blutroten Aufschrift: »UNBRAUCHBAR! ZURÜCK AN ABSENDER!« Laut Etiketten fassten diese Tanks zehntausend Liter, womit sie deutlich kleiner als die Türme am Kraftwerk ausfielen.

      »Was soll das bedeuten?«, fragte Tom und kratzte sich am Kopf.

      Wimille untersuchte einen der Tanks genauer. Dann begann er listig zu lächeln. »Ah! Wasserstoff!, aber kein Flüssigwasserstoff. Ich nehme an, darin liegt wohl das Problem. Die ZTC hat die falsche Art von Wasserstoff geliefert. Ein ganz banaler Logistikfehler. Fünfzigtausend Kubikmeter, eine ganz ordentliche Hausnummer. Ich muss zugeben, dass sich mein Mitleid mit der ZTC arg in Grenzen hält«, erklärte er und kicherte.

      Vanessa verlor rasch das Interesse an dem wirren Geschwafel von Toms verrücktem Onkel. Wimille erzählte gerade etwas über die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff – irgendwas mit Raketen oder so. Viel aufregender und faszinierender fand sie die Tatsache, dass sie tatsächlich auf magische Weise in ein fremdes Land gereist war. Vorsichtig löste sie sich von Tom und erkundete das Areal dieses seltsamen Kraftwerks auf eigene Faust. Wer immer es erbaut hatte, schien ein Faible für Stacheldraht zu haben, selbst das Dach und die Kamine des Gebäudes waren damit umkränzt. Eigentlich sah aber alles ganz normal aus; Bilder von ähnlichen Anlagen hatte sie schon gesehen. Von wegen magische Welt! Ganz sicher aber war sie eben noch auf den Schiff gewesen, und jetzt befand sie sich hier. Oder bildete sie sich das alles am Ende nur ein?

      Sie biss sich in die Hand, wie sie es immer tat, wenn sie etwas aufregte oder sie zu träumen glaubte. Der stechende Schmerz, den ihre eigenen Zähne verursachten, machte ihr deutlich, dass nichts von all dem um sie herum Illusion war. Sie war wirklich hier, an diesem seltsamen Wüstenort, sie hatte Tom Packard wirklich gegen drei bullige Typen kämpfen sehen. Das alles war die Wirklichkeit – der echte Wahnsinn! »Wow«, flüsterte sie und musste unweigerlich lächeln. Wenn sie das ihren Freundinnen erzählte …

      Inzwischen hatte sie sich fast ein Dutzend Meter von Tom und Wimille entfernt. Der seltsame Kauz referierte gerade über die Unzulänglichkeiten dieser Wasserstofftanks und wie man sie besser und sicherer bauen könnte. Er klang dabei wie ein Lehrer. Echt langweilig.

      Dann entdeckte sie am Boden etwas, das ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm. Kleine, runde Hügel, eher nur Kuppeln aus Sand oder Geröll in der Größe halber Fußbälle. Sie war sich sicher, dass die bis vor einem Moment noch nicht da gewesen waren. Vorsichtig näherte sie sich ihnen, um sie genauer zu untersuchen. Hatte es nur den Anschein, als würden sich diese Dinger bewegen – oder wirkte es nur so, weil es dunkel war?

      »Hey«, rief sie Tom und Wimille zu. »Seht euch mal das an.«

      Als hätte sie damit ein Stichwort gegeben, explodierten die Kuppeln in Wolken aus Sand und Staub. Heraus sprangen schwarz gekleidete Ungeheuer. Vanessa war im ersten Moment starr vor Schreck, sie schienen aus dem Boden zu wachsen wie groteske Pilze: menschlich von Größe und Gestalt, die Gesichter jedoch grausige Fratzen. Für einen Augenblick schien die Welt stillzustehen. Überdeutlich sah sie die Bestien, deren Hautfarbe von Aschgrau bis Schwefelgelb changierte. Wulstige Narben glänzten im Mondlicht, und mit Entsetzen sah sie, dass einige von ihnen auf schlecht verheilten Knochenbrüchen daherschlurften. Die Augen der Monster glommen in der Dunkelheit wie die von Raubtieren, schleimiger Sabber glänzte auf gelben, teilweise verfaulten Zähnen, als sie ihre schwarzen Münder aufrissen und hechelten, als freuten sie sich bereits auf die Mahlzeit. Scheiße, die fressen mich auf, dachte Vanessa in heller Panik. Kreischend wirbelte sie erneut herum und rannte. Die geifernden, fauchenden Unholde waren sofort hinter ihr her, schwangen Dolche und schartige Säbel in ihren Klauen.

      Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch Wimille und Tom von diesen Unholden angegriffen und zurückgetrieben wurden. Eine ganze Gruppe der Bestien schnitt Vanessa den Weg ab. Verzweifelt sprang sie auf Tom zu und klammerte sich an ihm fest. Wimille Swift, der sich eben noch gewehrt hatte, schien plötzlich zur Salzsäule erstarrt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Ungeheuer an, als könne er vor Angst keinen Muskel rühren. »Tom, was sind das? Was sind das für Monster?«, heulte sie verzweifelt.

      »Schrate«, rief Tom ungläubig. Die Kerle umkreisten sie, fauchten und grölten, lachten und drohten ihnen mordlüstern mit ihren Waffen. Wo waren die auf einmal hergekommen?

      Er wollte schon das Daring-Schwert zu sich rufen, überlegte es sich jedoch anders. Wenn er jetzt zu den Waffen griff und die Unholde niederstreckte, würde ihre Tarnung auffliegen. Vielleicht gab es einen anderen Weg aus dieser Klemme. Cool bleiben, entschied er. Wimilles leichenblasses Gesicht deutete darauf hin, dass von ihm diesmal kaum Hilfe zu erwarten wäre. Also musste er nun die Rolle spielen, die ihm von Anfang an zugedacht war.

      »Die sehen aus wie Orks«, meinte Vanessa voller Angst.

      Das empörte die Schrate, einer sprang vor, um sie anzugreifen, seine scharfen, schiefen Zähne fletschend. Tom schob sich schützend vor Vanessa.

      »Ein Ork sollte dich mal in die Finger kriegen, du kleines Miststück!«, kreischte der Schrat. »Er würde dir das Gedärm rausreißen!«

      »Genau, du dreckiges Flittchen! Wir sind nämlich zivilisiert und anständig«, fauchte ein anderer.

      »Hey, beruhigt euch«, brüllte Tom die Schrate an, die daraufhin überrascht zurückwichen. »Seht ihr nicht, wer wir sind? Das hier ist Direktor Swift vom Management Control Department!«

      »Und wir sind die Schwarze Horde«, konterte ein großer, bulliger Schrat-Hauptmann, dessen Unterkiefer arg in die Breite wucherte. Seine Zähne ragten wie Hauer aus dem Maul und reichten fast bis unter seine krumme Nase.

      »Wir