Levi Krongold

Viktor


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»Das war in der Tat etwas mühsam. Wissen Sie, dass Sie kurz davor standen, in einer Arrestzelle zu landen?«

      Ich verneinte, denn mein Unterkiefergelenk schmerzte zu sehr, um es mit unnötigen Worten zu foltern.

      »Erst durch den Iris- und Daumenscan konnten wir Ihre Identität ermitteln. Wo sind denn ihre Identitätsnachweise geblieben? Sind Sie ausgeraubt worden?«

      »Scheint so«, flüsterte ich.

      »Sie haben offenbar ganz schön was abbekommen«, fuhr er fröhlich fort. »aber keine Angst, es ist zum Glück nichts gebrochen. Wir erwarten keine bleibenden Schäden. Allerdings haben sie einige unschöne blaue Flecken im Gesicht.«

      Ich betastete meinen Kopf, an dem ich nun ein dickes Mullpflaster über dem linken Auge feststellen konnte. Je mehr ich wieder zu mir kam, desto mehr schmerzende Stellen stellte ich stöhnend überall am Körper fest.

      »Möchten Sie ein Schmerzmittel haben?«, fragte er nach.

      Als ich nickte, ordnete er etwas dem im Hintergrund wartenden Krankenpfleger an, der sich daraufhin rasch entfernte.

      »Gut, Herr Kollege, ich lasse Sie jetzt mit der netten Dame von der Sicherheit alleine, die hat noch einige Fragen an Sie, nicht wahr?«

      Die Dame von der Sicherheit, eine Polizistin in Zivil, stellte sich als Frau Meyerring vor. Sie hatte einen unangenehm nach saurem Schweiß riechenden Körpergeruch, was wohl auch von ihrem erheblichen Übergewicht herrührte. Das maskenhaft geschminkte Gesicht mit den nach oben ausgezogenen tätowierten Augenbrauen und dem Permanent Make-up der Augenlider und der schmalen Lippen passten insgesamt zum negativen Eindruck, den sie auf mich machte.

      »Herr, ähem, Krongold, richtig?«

      Ich nickte.

      »Ich muss Ihnen einige Fragen stellen.«

      Diesmal verzichtete ich auf das Nicken. Sie fuhr allerdings auch bereits mit der Fragerei fort.

      »Sie haben uns gebeten, einen gewissen Raskovnik in Ihrem Amt zu benachrichtigen?«

      Wieder nickte ich brav.

      »Nun«, hüstelte sie und sah mich streng an. »Ein solcher Herr ist dort nicht bekannt.«

      Hä? Ich glaubte mich verhört zu haben.

      »Tut mir leid. Er ist im Personalverzeichnis ihrer Dienststelle nicht aufgeführt.«

      »Nicht meine Abteilung, Referat Gefährdung und Sicherheit«, korrigierte ich sie.

      »Ja, ja, das haben wir schon verstanden, nein, auch dort ist er nicht aufgeführt.«

      »Ich bitte Sie, ich treffe ihn jeden Tag in der Cafeteria!«, entgegnete ich entrüstet, was ich sofort bereute, da es in meinem Kopf unangenehm zu brummen begann.

      »Tut mir leid, aber könnten Sie den Namen falsch ausgesprochen haben?«

      »Raskovnik, nein absolut nicht! Ich habe sogar eine Nachricht in der Eingangsbox, warten Sie!« Ich war gerade im Begriff mein Handgelenks-Pad zu aktivieren, als mir einfiel, dass es nicht da war. In diesem Zusammenhang fielen mir plötzlichen wieder mein Auftrag und andere Dinge ein, das französische Restaurant, der Wirt und irgend so ein bulliger Boxer, der mich wohl ins Jenseits befördern wollte.

      Erschöpft ließ ich mich wieder zurück sinken. »Könnte ich bitte eine Schmerztablette bekommen?«

      Die Securitydame klingelte nach dem Pfleger, der wohl schon vor der Tür gestanden haben musste, dem Tempo nach zu urteilen, mit dem er gleich ins Zimmer stürmte.

      Ich dachte über ihre Worte nach, während ich den Becher mit Wasser leerte, den er mir hinhielt, um die Tablette zu schlukken. Natürlich, durchzuckte es mich. »Er ist ein ‚Grauer‘!«

      »Ein bitte was?«

      »Ein Grauer, er ist nicht offiziell aufgeführt. Ein Geheimdienstler!«

      Der Art, wie sie versuchte, ihre Augenbrauen hochzuziehen, was wegen einer Botoxliftung offenbar nur unvollständig gelingen mochte, entnahm ich, dass sie mir nicht glaubte.

      Sie räusperte sich vernehmlich. »Wir werden das nachprüfen. Was wollten Sie denn nachts in diesem Viertel, Herr Krongold?«

      Die Art, wie sie meinen Namen aussprach, als habe sie auf etwas Saures gebissen missfiel mir eindeutig. Dennoch beschloss ich, es mit einer wahrheitsgemäßen Antwort zu versuchen.

      »Ich wollte etwas essen!«

      »Nachdem Sie sich bereits etwas aus dem Nutri-Shop nach Hause bestellt hatten?«

      »Woher...?«

      »Wir haben Nachforschungen angestellt!«, antwortete sie triumphierend, als habe sie gerade einen berufsmäßigen Lügner überführt und erwartete deshalb eine Beförderung.

      »Sie glauben mir nicht?«

      »Sagen wir es einmal so, vielleicht fällt Ihnen noch eine bessere Antwort ein!«

      Ich wurde langsam ungeduldig, was sich unangenehm auf meine Kopfschmerzen auswirkte.

      Erschöpft ließ ich mich in mein Kopfkissen zurücksinken.

      »Ich arbeite an einem Fall und habe versucht eine Klientin dort ausfindig zu machen«, versuchte ich es nochmals mit der Wahrheit.

      »Eine Klientin? Dort? Nachts? Nach Dienstschluss?«, fragte sie, jedes Wort wie einen Pfeil auf mich abschießend.

      »Ja!«, antwortete ich pampig.

      »Finden Sie das nicht auch ein bisschen ... seltsam?«

      Zugegeben, wenn ich es mir recht überlege, fand ich es auch ungewöhnlich, wenn nicht sogar eigentlich völlig meschugge. Wie hatte ich mich nur auf einen derartigen Quatsch einlassen können?

      »Raskovnik hat mich darum gebeten ...«, versuchte ich eine Rechtfertigung, merkte aber, kaum dass ich die Worte ausgesprochen hatte, dass ich einen kapitalen strategischen Fehler gemacht hatte.

      »Raskovnik? Ja? Der, wie sagten Sie noch, ‚Graue‘?« Sie sah mich mit demselben schrägen Blick an, den man geflissentlich aufsetzt, wenn man am Verstand seines Gegenübers ernsthaft zweifelt, dies jedoch aus taktischen Gründen nicht offen aussprechen möchte.

      Wie um diesen Blick noch verbal zu unterstreichen setzte sie noch nach. »Raskovnik, den es in Ihrem Amt nicht zu geben scheint.«

      Ich zuckte mit den Schultern.

      »Sie sind Psychiater, nicht wahr?«, fuhr sie gnadenlos fort.

      »Wie Sie wissen.«

      »Sie sind mit der Untersuchung der geistigen Zurechnungsfähigkeit von Menschen beschäftigt, die eine Gefahr für die Allgemeinheit sein könnten, nicht wahr?«

      Ich zog es vor, nicht zu reagieren, sondern starrte statt dessen trotzig auf den Monitor an der Wand.

      »Wann war denn ihr letzter Gesundheits-Check up, ihre letzte Personaluntersuchung?«

      »Was soll das heißen?«, fuhr ich hoch.

      »Wann?«, wiederholte sie und ihr Blick bekam etwas Lauerndes.

      »Soweit ich mich erinnere vor einem Jahr ...«, versuchte ich mich zu erinnern.

      »Vor 13 Monaten«, korrigierte sie mich.

      »Wenn Sie es wissen, warum fragen Sie dann?«

      »Ich stelle hier die Fragen!«, herrschte sie mich an.

      »Wou«, entgegnete ich. »ich liebe dominante Frauen!«

      »Die Scherze werden Ihnen gleich vergehen, Herr Krongold! Wann war ihre letzte Impfung gegen das Zoga Virus?«

      »Sagen Sie es mir?«

      »Es hätte vor zwei Monaten sein sollen. Warum sind Sie nicht hingegangen?«

      Ehrlich gesagt, mochte ich dieses Impfgedöns nicht besonders. Es regte sich,