Renate Dr. Dillmann

China – ein Lehrstück


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Armee – mit der Soldateska der Anfangszeit wäre ein solches Programm nicht zu verwirklichen gewesen. Klar ist auch, dass die Volksbefreiungsarmee mit ihren Erfolgen von einem ziemlich harten Idealismus und einer enormen Rücksichtslosigkeit der Kämpfer gegen sich selbst lebt. Auch wenn Mao Zedong mit seiner Strategie des Guerilla-Kriegs Militärgeschichte geschrieben hat, kann seine Armee gegen einen technisch hoch überlegenen Gegner (sowohl GMD wie Japaner) letztlich nur auf die eigene Kraft, sprich die Opferbereitschaft ihrer Truppen bauen. Deren Basis liegt vor allem in der Hoffnungslosigkeit der Verhältnisse, die sie hinter sich lassen, und dem festen Glauben an eine bessere Zukunft.Unterstützung durch die Bauern bzw. die Sowjetunion bekommt die Rote Armee immer nur im Zuge des eigenen Erfolgs. Nur indem sie sich ein relevantes Stück des Landes erobert, nur indem sie sich allmählich militärisch zu einer beachtenswerten Kraft im Krieg gegen Japan aufbaut, kann sie auf Zustimmung und Hilfe rechnen. Auch innerhalb der Partei zählt mehr als jedes Argument der brutale Realismus des praktischen Erfolgs. Dass man diesem auch nachhelfen kann, indem man Konkurrenten um die Parteiführung desavouiert und sie mundtot macht, liegt in der Logik solcher Art Beweisführung für die richtige Linie.22***Angesichts der in jeder Hinsicht desolaten Verhältnisse in China einen sozialistischen Neuanfang zu starten – das ist auf alle Fälle ein hartes Unterfangen. Was auch immer sich die Führung der kommunistischen Partei zum Zeitpunkt ihres Siegs in Gedanken oder Visionen unter Sozialismus vorgestellt haben mag – ihr Vorhaben hat zunächst nichts wirklich Freies an sich: Nicht in Bezug auf die politischen Verhältnisse, die mit der militärischen Durchsetzung längst nicht eindeutig entschieden sind. Nicht in Bezug auf die ökonomischen Grundlagen, die man sich im China des Jahres 1949 bis auf ein paar Ausnahmen gar nicht vor-industriell genug vorstellen kann. Und schließlich auch nicht in Bezug auf das, was man den subjektiven Faktor nennt. Das chinesische Volk, das sich nach Maos Worten am Tiananmen-Platz »erhoben« hatte, ist in seiner großen Mehrheit unterernährt, krank, ungebildet und abergläubisch. Die Armee, die Mao und seinen Genossen den Sieg gegen die Guomindang erkämpft hat, ist nicht viel anders zu beurteilen – auch wenn sich die Führungskader der KP einige Mühe mit Alphabetisierung und rudimentären Schulungen gegeben haben.Vergleicht man die Volksrepublik des Jahres 1976, dem Todesjahr Maos, mit dieser Ausgangslage, müsste man dem Großen Vorsitzenden nach den Kriterien bürgerlichen Denkens ziemlich unverhohlen Beifall klatschen. Er hat die Sache seiner Nation nämlich nicht nur im Krieg gegen die japanischen Besatzer standhaft verteidigt und sich im Bürgerkrieg gegen seine innerchinesischen Gegner durchgesetzt – was für bürgerliche Historiker normalerweise lässig ausreicht, um dem Erfolg in Sachen Gewalt auch eine gewisse sachliche Notwendigkeit zu bescheinigen. Mao Zedong hat es darüber hinaus verstanden, den fragilen Zusammenhalt der befreiten chinesischen Nation zu stabilisieren, ihn gegen äußere Angriffe zu verteidigen (Koreakrieg, Rückeroberungsprogramm Ciang Caisheks) und sich innerhalb des Ostblocks zu behaupten. 1972 hat er der imperialistischen Weltmacht Nr. 1, den USA, eine gewisse Anerkennung seiner Volksrepublik abgerungen, Taiwan aus den UN verdrängt und seinem roten China einen Sitz im Weltsicherheitsrat erobert. Nach innen hat Maos Staatsprogramm innerhalb kürzester Zeit eine deutliche Verbesserung der Lebensverhältnisse in Stadt und Land zustande gebracht und die Industrialisierung Chinas enorm vorangetrieben – eine Leistung, die besonders im Vergleich zu Indien, einem Land mit ähnlich gelagerten Ausgangsbedingungen, eine Zeit lang im Westen allem Antikommunismus zum Trotz sogar eine gewisse Anerkennung findet. Die Fortschritte, die das große sozialistische Entwicklungsland in wenigen Jahren in der medizinischen Versorgung, der Alphabetisierung, bei der Befreiung der Frauen und der Herausbildung eines allgemein politischen Bewusstseins seines Volkes gemacht hat, sind historisch noch immer ohne Parallele. Vom heutigen Ende her könnte man sogar als bittere Ironie der Weltgeschichte vermerken: Die Voraussetzungen, auf die China heute bei seiner Karriere als kapitalistisch erfolgreiches Staatswesen zurückgreifen kann, verdankt es niemand anderem als dem Kommunisten Mao Zedong!In Sachen Sozialismus fällt die Bilanz der Mao-Zeit erheblich bescheidener aus. Eine geplante Produktion zum Nutzen ihrer Produzenten einzurichten; einen Staat überflüssig machen, der als gewaltsame Klammer die in seiner Gesellschaft existierenden Widersprüche zusammenzwingt und im Sinne des nationalen Erfolgs betreut; eine Gesellschaft von Zwang, Aberglauben und Dummheit zu befreien – das alles kann sich die sozialistische Volksrepublik nicht zugutehalten. Die KP Chinas hat, vor allem in den ersten Jahren der VR, viel existentielle Not beseitigt; dann aber hat sie ihre Massen zunehmend für ein nationales Kampfprogramm in Anspruch genommen, ihnen viel harte Arbeit aufgehalst und wenig an materiellem Ertrag geboten. Sie hat ihr Volk von alten familiären Zwängen, religiösem Aberglauben und Unwissenheit befreit; sie hat es allerdings sehr total, politisch wie moralisch, in die Pflicht genommen, sich am Aufbau des neuen China zu beteiligen, und dafür immer mehr an Dummheit und Zwang für nötig gehalten. Nachdem sich die sozialistische Volksrepublik mit der »Kulturrevolution« an den Rand eines Bürgerkriegs bewegt hat, hat die Führung der KP nach Maos Tod eine schnelle Wende zu außenpolitischer Öffnung und immer schnellerer Revision ihrer sozialistischen Wirtschaftsplanung vorgenommen.Warum hat das für viele Kommunisten so hoffnungsvolle und begeisternde Projekt des roten China diesen Weg genommen und warum ist es zu diesem Ende gekommen? Die Antwort auf diese Frage hat zwei wesentliche Bestandteile, die in einem inneren Zusammenhang stehen:1. Die chinesischen Kommunisten haben versucht, Vorstellungen zu Zielen und Wegen eines sozialistischen Aufbauprogramms in die Tat umzusetzen, die viel Respekt vor dem verraten, was doch radikal überwunden werden sollte: Respekt vor den vermeintlich guten Seiten kapitalistischer Ökonomie und bürgerlicher Staatlichkeit. Chinas sozialistisches Experiment ist nicht an den immanenten Widersprüchen und angeblich notwendigen Verfallserscheinungen einer jeden sozialistischen Planwirtschaft gescheitert, sondern viel mehr daran, dass die chinesische Ökonomie eine Planwirtschaft nur in einer sehr halbherzigen, verballhornten Form war. Das Programm der chinesischen Kommunisten ist nicht die Beseitigung von Eigentum und Staat gewesen; statt dessen wollte die KPCh dafür sorgen, dass Eigentum und Staat »dem Volke dienen«.2. Die kommunistische Bewegung Chinas ist von Anfang an untrennbar mit dem Willen zu einem nationalen Wiederaufstieg verknüpft. Was in den Zeiten des Kampfs als Antiimperialismus auftritt, weil es um die Befreiung einer nicht souveränen Nation geht, bleibt nach dem Sieg existentieller Bestandteil des sozialistischen Aufbauprogramms: die polemische wie affirmative Ausrichtung an starken Nationen im Wettbewerb um Weltgeltung. Das ist in den verschiedenen Etappen und »Sprüngen« der maoistischen Zeit innen- wie außenpolitisch sehr deutlich nachvollziehbar.Der Nationalismus der chinesischen Kommunisten siegt letztendlich über ihren staatsidealistischen Sozialismus – beim Großen Vorsitzenden ebenso wie bei seinem kleinen Nachfolger Deng, der für diesen Zweck 1978 mit der Öffnung des Landes den Systemwechsel einleitet.

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