Ewa A.

Zimt und Sandelholz


Скачать книгу

      »Mmh, das riecht gar nicht mal übel, sondern ausgesprochen appetitlich.«

      Sein Arm berührte meinen. Ich wich einen Schritt zur Seite. Lennharts körperliche Nähe verwirrte mich. »Vorsicht«, imitierte ich ihn und grinste dabei süßlich. »Sie klingen fast schon freundlich.«

      »Gott behüte, das wollte ich wirklich nicht«, entgegnete er und ich konnte seine Blicke schier auf der Haut spüren, mit denen er mich verfolgte.

      Meine Mutter kam zur Tür herein gehumpelt. »Vivien, was machst du da? Und wie bist du überhaupt ins Haus gelangt? Hast du womöglich noch einen Schlüssel?« Sie bedachte mich mit einem unwilligen Schnauben und ließ sich geschafft auf einen Stuhl fallen.

      »Ich koche das Mittagessen und zu deiner Beruhigung: Nein, ich habe keinen Schlüssel, doch ich wusste noch, wo du einen für den Notfall verwahrst.«

      »Leg ihn bloß wieder zurück. Hörst du?«

      »Ja, das mach ich nach dem Essen. Aber sollten Joan und ich nicht einen eigenen Schlüssel bekommen? Ich könnte auch welche nachmachen lassen?«

      »Warum? Das ist doch vollkommen unnötig. Ihr werdet sowieso nicht lange hier sein.«

      Ich atmete durch. Meine Mutter verstand es wie niemand sonst, einem das Gefühl zu geben, auf ganzer Linie willkommen zu sein.

      »Für die Zeit, die wir hier sind, wäre es jedoch sinnvoll. Oder willst du, dass wir ständig vor dem Haus warten müssen? Womöglich halten uns die Nachbarn irgendwann für Einbrecher und rufen noch die Polizei.«

      Lennhart Karlson enthielt sich seltsamerweise, aber meine Mutter schnaubte lauter als zuvor.

      »Na gut, wie du meinst«, gab sie schnippisch von sich. »Sag mal, was rührst du da eigentlich zusammen? Kannst du denn kochen? Ich kann mich nicht erinnern, dass du es jemals lernen wolltest.«

      Das war die Abreibung für meinen davongetragenen Sieg.

      »Ich habe es gelernt, Mutter, als ich lange Zeit als Küchenhilfe und Bedienung gearbeitet habe.«

      »Hoffentlich hast du Lenn mit eingerechnet. Er isst nämlich immer mit mir, wenn er mich gefahren hat.«

      Tatsächlich hatte ich nicht erwartet, dass Lenn zum Essen bleiben würde. Aber da ich ohnehin eine großzügige Menge vorbereitet hatte, ließ ich mir nichts anmerken.

      »Niemand wird verhungern.«

      In der Zwischenzeit hatte Lennhart angefangen, die Lebensmittel auszupacken und räumte sie ohne Rückfragen in die Schränke ein. Bewunderung, aber auch Neid, ergriffen mich gleichermaßen. Der Mann kannte sich im Haus meiner Mutter besser aus als ich. Auch wurde ihm nichts verboten anzufassen - im Gegensatz zu mir.

      »Ich esse zu Hause, Sophie«, tönte Lennhart nonchalant nebenbei. Seine Augen suchten mich für einen verschwiegenen Moment.

      »Papperlapapp. Du wirst hierbleiben und mit mir essen, so wie wir es immer gehalten haben«, kam es prompt von meiner Mutter.

      Ich zögerte, ihr beizupflichten. Ihr grimmiger Blick, der auf mich gerichtet war, forderte mich nicht nur dazu auf, sondern ebenso meinen Trotz heraus. Dank meines sehnlichen Wunsches, nicht länger von ihr zurückgewiesen zu werden, gelang es mir, eine Provokation herunterzuschlucken. Ich versuchte, Lennhart ein ehrliches Grinsen zukommen zu lassen.

      »Ich möchte das innige Verhältnis, das zwischen Ihnen und meiner Mutter herrscht, nicht stören. Bleiben Sie bitte zum Essen.«

      Lennhart nickte stumm und Mutter erhob sich mit einem mürrischen Knurren. Sie humpelte zum Küchenschrank und griff nach den Tellern, derweil er sich an mein Ohr beugte.

      »Uh, ich wette, das Bitte hat Ihnen fast einen Zacken aus dem Krönchen gebrochen.«

      Gelassen wandte ich mich seinem Gesicht zu, das dicht vor meiner Nase schwebte. Seine braunen Augen erinnerten mich wieder an heiße, dunkle Schokolade. »Es wird Sie überraschen, aber weder besitze ich irgendeine Krone noch ist es mir schwergefallen, Sie zum Essen einzuladen.«

      Nachdenklich zog er seine Brauen zusammen. Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ts, Frau Vanderblant, es macht keinen Spaß, Sie zu provozieren, wenn Sie nicht darauf eingehen.«

      Kommentarlos nahm ich den Nudeltopf und ließ Lennhart Karlson stehen. Ich war es leid, mit ihm im Clinch zu liegen. Meine Mutter kostete mich genügend Kraft. Ich schüttete das Wasser ab und brachte danach die Nudeln zum Tisch. Stumm füllte ich die Teller, die Mutter bereitgestellt hatte. Kaum hatte ich die Soße aufgetragen und mich zu ihnen gesetzt, bemängelt meine Mutter den ersten Bissen.

      »Mein Gott, die Soße ist ja völlig fade und die Nudeln noch halbroh. Du hast wohl nicht oft kochen müssen bei deinem Anwalt, was?«

      Langsam hob ich den Blick von meiner Mahlzeit. »Doch, Mutter. Warum sollte ich nicht selbst unser Essen zubereitet haben?« Verwundert über mich selbst, weil meine Antwort schroffer geklungen hatte als ich beabsichtigte, schaute ich verstohlen zu Lennhart hinüber. Der linste allerdings nur stumm zwischen Sophie und mir hin und her. Schließlich räusperte er sich.

      »Also ich finde es lecker. Die Nudeln sind al dente und die Soße ist nicht versalzen.«

      »Letzteres ist auch das einzig Gute daran«, kicherte meine Mutter gehässig.

      »Tut mir leid, dass es dir nicht schmeckt, Mutter«, entgegnete ich und schlang hastig meine Spaghetti hinunter, um schnellstmöglich den Raum verlassen zu können. Ohne einen der beiden weiter zu beachten, räumte ich meinen Teller in die Geschirrspülmaschine und die Töpfe zurück auf den Herd. Mein Körper stand unter Spannung, denn ich erahnte ihre Blicke auf mir und die Schadenfreude meiner Mutter, mich gedemütigt zu haben. Eilig zog ich mich in mein Zimmer zurück, öffnete die Fenster und ließ die frische Herbstluft herein. Während ich die Betten machte, hörte ich die Türklingel und kurz darauf zwei Stimmen: Lennhart und Joan, die von der Schule zurückgekehrt war. Ich ging wieder hinunter und fand Joan alleine in der Küche vor.

      »Na, mein Schatz, wie war dein Tag?«

      »Geht so«, maulte Joan zwischen zwei Bissen. »Ist nicht so toll, die Neue zu sein.«

      »Ja, kann ich mir denken«, sagte ich und nahm ihr gegenüber Platz.

      »Und, bist du die Klamotten losgeworden?«

      »Ja, und nicht nur das. Ich habe auch einen Job gefunden.« Freudig strahlend berichtete ich ihr von Claudia und ihrem heißen Tipp, der mir einen Arbeitsvertrag beschert hatte.

      »Wenn du damit einverstanden bist, würde ich die Stelle in der Bar annehmen. Du wärst abends ab sieben Uhr bis nach Mitternacht und auch am Wochenende allein. Wäre das okay für dich?«

      »Das ist kein Problem. Großmutter ist ja auch noch da. Ich bin also nicht allein.«

      Einerseits fiel mir ein Stein vom Herzen, andererseits ...

      »Wir werden aber hier nicht für immer wohnen.« Zerknirscht erinnerte ich sie an unsere unsichere Zukunft.

      Joan griff über den Tisch nach meiner Hand. »Mama, mach dir um mich keine Sorgen. Wenn du den Job willst, dann nimm ihn an.«

      Ich drückte ihre schmalen Finger, ließ sie los und grinste. »Du bist eine tolle Tochter, weißt du das?«

      Sie lachte. »Ja, und du bist eine klasse Mama.«

      Ihre Worte heilten ein wenig die Wunden, die die Sätze meine Mutter mir zuvor zugefügt hatten, und ich schmunzelte traurig. »Wo sind eigentlich Großmutter und ihr Freund abgeblieben?«

      »Lenn ist gegangen, als ich kam, und Oma wollte einen Mittagsschlaf halten.«

      »Du nennst Herrn Karlson beim Vornamen?«, fragte ich überrascht, weil ich meine Tochter gelehrt hatte, nie einen fremden Erwachsenen ohne dessen Erlaubnis zu duzen.

      Joan zuckte mit den Schultern. »Er bot es mir an. Ich glaube, er ist eigentlich ganz cool, wenn er nicht gerade auf arschig macht.«