Edward Bulwer

Das Geschlecht der Zukunft


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meiner Zuhörer, daß meine Beschreibung nicht den guten Eindruck machte, den ich erwartet hatte. Lebhafter fuhr ich fort und ich schilderte eingehend die vortrefflichen demokratischen Einrichtungen und wie sie die Stabilität und das Vertrauen der Regierungspartei zustande gebracht haben. Ich schilderte ferner die Art und Weise, wie Zufriedenheit selbst in die größere staatliche Gemeinschaft gebracht wird, dadurch, daß jedem einzelnen Bürger Gelegenheit gegeben wird, in bezug auf Erziehung und Charakter das Bestmöglichste zu entwickeln. Glücklicherweise rief ich mir den Schluß einer Rede über den läuternden Einfluß der amerikanischen Demokratie und ihre Verbreitung über die Erde in das Gedächtnis zurück, die ein beredter Senator gehalten hatte, für dessen Wahlstimme in den Senat eine Eisenbahngesellschaft, zu der meine beiden Brüder gehörten, eben erst 20 000 Dollars bezahlt hatte. Begeistert wiederholte ich seine Prophezeihungen über die glänzende Zukunft, die der Menschheit entgegenstrahle, wenn die Fahne der Freiheit über einem ganzen Festlande wehen und zweihundert Millionen gebildeter Bürger, von Jugend auf an den täglichen Gebrauch der Revolver gewöhnt, ein sinkendes Universum der Lehre des Patrioten Monroe anheim stellen werde.

      Als ich zu Ende war, schüttelte mein Wirt leise den Kopf und versank in sinnendes Nachdenken, indem er mir und seiner Tochter durch ein Zeichen zu verstehen gab, daß wir uns ruhig verhalten möchten. Nach einer Weile hob er in ernstem, feierlichen Tone an: »Wenn Sie, wie Sie sagten, glauben, daß Sie, obgleich ein Fremder, Gutes von mir und den Meinigen empfangen haben, so beschwöre ich Sie, daß Sie keinem aus unserem Volke etwas aus jener Welt, aus der Sie kommen, offenbaren, wenn ich Ihnen nicht die besondere Erlaubnis dazu gebe. Wollen Sie mir diese Bitte gewähren?«

      »Gewiß, ich gebe mein Wort darauf« sagte ich, einigermaßen verwundert, und reichte zum Handschlag meine Rechte hin. Er aber legte meine Hand sanft auf seine Stirn und seine Rechte auf meine Brust, wie das bei diesem Volke Brauch für alle Arten von Versprechungen und mündlichen Verbindlichkeiten ist. Dann wandte er sich an seine Tochter: »Und Du, Zee, wirst Niemandem wiederholen, was dieser Fremde uns von seiner anderen Welt gesagt hat oder noch sagen wird.« Zee erhob sich, küßte ihren Vater auf die Schläfe und sagte lächelnd: »Die Zunge einer Gy ist lebhaft, aber die Liebe kann sie fesseln. Und selbst wenn Du fürchtest, mein Vater, daß ein unbedachtes Wort von Dir oder mir unsere Gemeinde gefährden könnte, indem es in ihr das Verlangen weckt, eine Welt, die über uns ist, zu erforschen, würde nicht ein Strom des Vril, richtig geführt, selbst die Erinnerung an das, was wir von dem Fremdling erfuhren, aus unserem Gedächtnisse wischen?«

      »Was ist Vril?« fragte ich.

      Nun gab mir Zee eine Erklärung, von der ich sehr wenig verstand, denn keine der Sprachen, die ich kenne, hat ein Wort, das gleichbedeutend mit Vril ist. Ich würde es Elektrizität nennen, doch begreift es viele andere Naturkräfte in sich, die in unserer wissenschaftlichen Sprache verschiedene Namen haben, wie Magnetismus, Galvanismus usw. Dieses Volk hier glaubt, daß Vril alle Naturkräfte in sich vereinigt, deren Vorhandensein viele unserer Philosophen vermutet haben und über deren gegenseitige Beziehungen der berühmte Faraday, der so viel experimentiert hat, sich in folgenden vorsichtigen Worten äußert: »Ich bin gleich vielen anderen Naturwissenschaftlern der Meinung gewesen, daß die verschiedenen Formen, in denen die betreffenden Kräfte sich zeigen, einen Ursprung haben, oder mit anderen Worten: sie sind so nahe miteinander verwandt und so voneinander abhängig, daß man eine in die andere umwandeln und so eine gleiche Wirkung mit ihnen erzielen kann.«

      Diese unterirdischen Philosophen behaupten daß sie durch eine Anwendung des Vril, den Faraday vielleicht atmosphärischen Magnetismus nennen würde, die verschiedene Temperatur, einfacher gesagt: das Wetter beeinflussen können; daß sie durch Vril-Leiter auf Geist eine dem Mesmerismus, der Elektro-Biologie und anderen Kräften verwandte Operation auf animalische und vegetabilische Körper einen Einfluß ausüben könnten, der keine Fabel unserer Mystiker nahe kommt.

      Für alle diese Wirkungen haben sie die allgemeine Benennung Vril. Zee fragte mich, ob es in meiner Welt bekannt wäre, daß alle Kräfte des Geistes durch Verzückungen und Visionen zu einem in wachem Zustande unbekanntem Grade angefeuert werden könnten, daß die Gedanken des einen Hirnes dann in ein anderes übertragen werden können und dadurch eine rasche Verständigung möglich sei. Ich entgegnete, daß man sich bei uns von dergleichen erzähle, und daß ich oft gehört und gesehen hätte, in welcher Weise man solche Verzückungen und Visionen künstlich hervorruft, z. B. durch Mesmerische Hellseherei; daß derartige Operationen jetzt aber bespöttelt und nur noch selten in Anwendung gebracht würden, teils wegen der groben Betrügereien, zu denen sie Anlaß gegeben haben, teils weil die Wirkung selbst da, wo sie bei einzelnen außergewöhnlichen Konstitutionen eine wahre gewesen war, sie bei genauer Prüfung und Analyse doch nur unbefriedigend erschien. Es ließ sich keine Wahrheit darauf begründen und keine praktische Anwendung darauf aufbauen und sie gereichte den Abergläubischen nur zum Schaden.

      Zee lauschte meinen Worten mit wohlwollender Aufmerksamkeit und entgegnete, daß anfangs auch bei ihnen dergleichen Aberglauben und Mißbräuche vorgekommen wären und man die Kraft des Vril falsch angewendet hätte; sie behalte sich jedoch ein weiteres Besprechen dieses Gegenstandes vor, bis ich fähiger würde, darauf einzugehen. Sie begnügte sich damit, hinzuzufügen, daß ich, nachdem man mich in einen Zustand der Verzückung versetzt hatte, durch die Wirkung des Vril mit den Anfangsgründen ihrer Sprache bekannt gemacht worden sei, und daß sie und ihr Vater - die Einzigen in der Familie, die sich der Mühe unterzogen hatten, das Experiment zu beobachten - dabei meine Sprache besser kennen gelernt hätten, als ich die ihrige; teils weil meine Sprache viel einfacher sei als ihre eigene, und teils, weil ihre Organisation ursprünglich viel lenkbarer und befähigter sei, sich Kenntnisse anzueignen, als die meinige. Ich bezweifelte das im Stillen. Da ich im Laufe eines praktischen Lebens sowohl zu Hause wie auf Reisen viel Gelegenheit gehabt hatte, meinen Geist zu bilden, so konnte ich nicht annehmen, daß meine geistige Organisation weniger ausgebildet sein sollte, als die eines Volkes, das sein ganzes Leben bei Lampenlicht zubrachte. Aber während ich so dachte, deutete Zee mit ihrem Zeigefinger auf meine Stirn und ich versank in Schlaf.

      Achtes Kapitel

      Als ich wieder erwachte, erblickte ich an meinem Lager den Knaben, der das Tau und die Enterhaken in das Haus gebracht hatte, in dem man mich zuerst aufgenommen hatte und das, wie ich später erfuhr, der Wohnort des obersten Magistrates war. Der Knabe namens Taë, war der älteste Sohn meines Wirtes. Ich bemerkte, daß ich während dieses letzten magnetischen Schlafes noch größere Fortschritte in der Sprache dieses Landes gemacht hatte und mich mit Leichtigkeit ziemlich fließend unterhalten konnte.

      Dieser Knabe war selbst unter der schönen Rasse, der er angehörte, auffallend schön. Sein für seine Jahre sehr männliches Antlitz trug einen lebhafteren, energischeren Ausdruck, als ich ihn bisher in den heiteren, leidenschaftslosen Gesichtern dieser Menschen gesehen hatte. Er brachte mir das Blatt, auf das ich die Art meines Abstieges und den Kopf des Ungetümes, das mir den Leichnam meines Freundes raubte, gezeichnet hatte. Taë deutete auf die letzte Skizze und fragte nach der Größe und Gestalt des Ungetümes, und nach der Höhle oder Kluft, aus der es aufgetaucht war. Er interessierte sich so sehr für meine Antworten, daß die Neugier, etwas über mich und meine Vorfahren zu erfahren, für eine Zeit zurückgedrängt wurde. Aber zu meiner großen Verlegenheit begann er, als er bemerkte, wie ich mich gegen meinen Wirt verpflichtet fühlte, mich auszufragen, woher ich käme, als glücklicherweise Zee eintrat. Da sie die Frage gehört hatte, sagte sie: »Taë, gib unserem Gaste jede Auskunft, die er wünscht, Du aber befrage ihn über nichts. Ihn fragen, wer er ist, woher er kommt, was er hier will, wäre ein Überschreiten des Gesetzes, das mein Vater für dieses Haus gegeben hat.«

      »So sei es«, sagte Taë, indem er seine Rechte auf das Herz legte; und bis zu dem Augenblicke, wo ich den Knaben, mit dem ich so vertraut wurde, zum letzten Male sah, richtete er nie eine dieser verbotenen Fragen an mich.

      Neuntes Kapitel

      Erst nach einiger Zeit und nach wiederholten Verzückungen, wenn ich sie so nennen darf, gewöhnte sich mein Geist daran, mit meiner Umgebung Gedanken auszutauschen. ich lernte besser, die verschiedenen Sitten und Bräuche verstehen, die meiner Erfahrung anfangs zu fremd waren, als daß sie mein Verstand gefaßt hätte. Dann erst war ich fähig,