Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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riss die Augen auf. Mit einem Schlag fiel die Müdigkeit von ihm ab.

      >>Sie warten auf mich?<<

      >>Ja, wir können jetzt los! Sind Sie in Ordnung?<<

      Daniel nickte. Er richtete sich etwas auf und schaute in das Gesicht eines jungen Mannes mit dichtem schwarzem Haarschopf. Goldene Spangen glitzerten an den Kragenecken eines dunkelblauen Sakkos im üblichen Uniformschnitt der Fluggesellschaften unter dem südländisch anmutenden Kopf, dessen untere Hälfte von dunklen Bartstoppeln geprägt war.

      >>Ich heiße Cutugno und bin Ihr Pilot!<<, ließ ihn der Mann in der Pilotenuniform wissen.

      >>Wenn Sie mir bitte folgen würden!<<

      Daniel griff nach seiner Tasche und eilte dem Piloten nach. Kurz darauf saßen beide in einem Wagen und wurden über das Rollfeld gefahren. Der Wagen folgte den bunten Markierungen auf dem Asphalt und hielt auf eine in Weiß und Rot lackierte Maschine zwei Strahltriebwerken vor dem Höhenleitwerk zu, an dem ein silberner dreistrahliger Rotor in einer stilisierten Sonne abgebildet war. Darunter stand halbkreisförmig ein Wort, DesertEnergy. Der Wagen hielt neben der ausgeklappten Treppe, der Pilot sprang aus dem Wagen, kletterte flink die steilen Stufen hoch und verschwand, ohne sich zu seinem Fluggast umzudrehen, in der Maschine, während Daniel mit seiner Tasche langsam folgte.

      In der Kabine wählte er einen Platz in der zweiten Reihe und stellte seine Tasche neben sich auf den Sitz am Fenster. Je drei Sitze fanden nebeneinander Platz, jeweils zwei davon auf der linken Seite und ein einzelner auf der rechten Seite, insgesamt genug Plätze für fünfzehn Personen. Viel Platz für Daniel.

      Ein anderer Mann, ebenfalls in Pilotenuniform, mit akkuratem kurzem blondem Haarschnitt, kam aus dem Cockpit und nickte ihm freundlich zu. Er war für das Flugzeug eindeutig zu groß geraten, denn er stand in einer sehr gekrümmten Haltung da, den Kopf nach vorne gebeugt, den Rücken gebeugt und die Hüfte zur Seite geschoben.

      >>Guten Morgen! Sie haben als unser einziger Passagier freie Platzwahl und ich sehe, Sie haben gut gewählt. Es geht auch sofort los!<<

      Der Mann blieb vor ihm stehen und ging dabei in die Knie, während er sich an zwei Sessellehnen abstützte.

      >>Die Sicherheitsbelehrungen in Kürze. Die Tasche muss unter den Sitz und sie angeschnallt auf einen Sitz! Wir werden möglicherweise einige Turbulenzen haben. Das Wetter da oben ist gerade etwas unbeständig! Und wir legen Wert darauf, dass unsere Fracht nicht quer durch die Kabine fliegt.<<

      Daniel nickte und befolgte die Anweisungen, während der Mann die Treppe hochzog und die Außentür verriegelte. Dann kam er zu Daniel zurück.

      >>Mein Name ist übrigen Schlüter! Ich bin der Co-Pilot!<<

      Er schlängelte sich an Daniel vorbei und kam mit einer kleinen flachen Rollbox zurück, die er im Gang neben Daniel in Halterungen an den Sitzen verriegelte.

      >>Falls Sie Hunger oder Durst haben, finden Sie in der Box ein paar Sandwiches und Getränke. Falls es wackelig wird oder Sie schlafen wollen, schließen Sie bitte die Box und lassen Sie nichts draußen stehen. Wenn eine Flasche sich in einer Turbulenz auf den Weg macht, kann das üble Verletzungen am Kopf hinterlassen. Wir hatten erst letzte Woche jemanden dabei, der das unbedingt ausprobieren wollte! Seine Augenbraue musste genäht werden. Sie wollen ihm das bestimmt nicht nachmachen.<<

      Er gab Daniel noch ein paar Anweisungen für den Fall einer Notlandung und erklärte ihm, wie er die Verriegelung der Box öffnete, um diese aus dem Gang zu befördern.

      >>Wir werden etwas über eine Stunde Flugzeit nach Berlin vor uns haben!<<

      Hinter Daniel ertönten die startenden Triebwerke.

      >>Danke! Ich denke, ich werde hier klar kommen. Und ich werde darauf achten, keine Fluggeschosse freizulassen!<<

      Er deutete auf die Box.

      >>Gut! Dann lasse ich Sie jetzt alleine! Falls Sie unsere Firma übrigens noch nicht so gut kennen, finden Sie ein Heft mit wichtigen Informationen in der Sitzlehnentasche vor sich.<<

      Schlüter zog mit einer Hand die Cockpittür hinter sich zu und Daniel war alleine. Neugierig durchstöberte er das Getränkefach der Box. Nachdem er den kleinen Vorrat an erlesenen alkoholischen Getränken gesichtet hatte, entschied sich für ein Bier. Seiner Meinung nach ein guter Kompromiss zwischen dem verlockenden Angebot und dem Gebot, das Flugzeug in einer ansprechbaren Verfassung zu verlassen, vor allem ohne Alkoholfahne. Wenn dieser Trip für ihn gut ausging, konnte er das später immer noch ausgiebig begießen.

      11.

      Der Jet hatte seine Flughöhe erreicht und zog ungestört von Turbulenzen über den strahlend blauen Himmel.

      Daniel griff auf der Suche nach Ablenkung in die Tasche an der Sitzlehne vor ihm und zog ein kleines Heft heraus. Auf der Vorderseite war das gleiche Logo abgebildet wie auf dem Heck der Maschine. Darunter stand in weißen Buchstaben auf dem roten Umschlag Unternehmensgeschichte - Konzernbild.

      Daniel öffnete das recht umfangreich geratene Heft. Einen besseren Zeitvertreib würde er für die Dauer des Fluges wohl nicht finden. Er wusste zwar grundsätzlich, was DesertEnergy machte und hatte auch einiges zu den von dem Unternehmen zur hocheffizienten Reife entwickelten Technologien gelesen, aber die Geschichte des Unternehmens selbst war ihm so gut wie überhaupt nicht bekannt. Kurz darauf war er bereits in die Geschichte des Energiekonzerns vertieft.

      DesertEnergy war 2023 in Europa gegründet worden. Gegenstand des Geschäfts sollte die regenerative Energieerzeugung aus Solarenergie sein. Maßgeblich für die finanzielle Ausstattung des Unternehmens war der Kapitalfonds ProtectCapital. Das Unternehmen setzte auf den Grundlagen auf, die das DesertTec-Konzept nach Beginn des einundzwanzigsten Jahrhundert geschaffen hatte.

      2009 war die DesertTec Foundation gegründet worden, zum Zweck der Förderung des Aufbaus einer nachhaltigen, ausreichenden und kostengünstigen Energieversorgung durch Gewinnung regenerativer Energien in sonnenreichen Wüstengebieten und ihre Übertragung in die Bedarfsregionen mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Das DesertTec-Konzept wollte eine Antwort auf die Frage nach einer nachhaltigen Energieversorgung der Erde geben. Die endliche Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe und die Auswirkungen der Förderung und Verwendung dieser Brennstoffe auf die Natur waren die maßgeblichen Faktoren zur Umsetzung dieses Konzepts. Die DesertTec-Foundation ging davon aus, dass es möglich sei, mehr als neunzig Prozent der Weltbevölkerung mit Strom aus den Wüsten zu versorgen.

      Das Ziel war, die Rahmenbedingungen für nachhaltige und klimafreundliche Energieerzeugung in den Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens zu schaffen und den Weg zu einer revolutionären Umstellung der Energieversorgung Europas zu bereiten. In Referenzprojekten sollten solarthermische, photovoltaische und Windanlagen in diesen Regionen Afrikas errichtet werden.

      In Marokko wurden aufgrund guter Voraussetzungen für Windanlagen mehrere Windparks errichtet und in Betrieb genommen. Um den Strom nicht nur an den Orten der Entstehung selbst nutzen zu können und ihn auch an die Bedarfsorte in Europa zu befördern, wurden bereits 1997 durch die Straße von Gibraltar nach Spanien gelegte Stromleitungen genutzt. Die existierenden Leitungen reichten jedoch absehbar nicht aus. Eine dritte Leitung folgte schon vor der DesertEnergy Gründung.

      Marokko bot aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten hervorragende Voraussetzungen. Jedoch war die Umsetzungsgeschwindigkeit der einzelnen Projekte in Bezug auf das genannte langfristige Ziel einer kontinentalüberschreitenden Stromversorgung zu gering. Die Planungen gingen von Anlagen aus, die bis 2020 den Strombedarf Marokkos zu knapp zwanzig Prozent aus Solaranlagen decken und eine vergleichbare Leistung aus Windparks erzeugen sollten, viel zu wenig, um dem europäischen Energiehunger in absehbarer Zeit eine nennenswerte Menge an Energie bereitstellen zu können. Die verfügbaren Investitionsmittel waren zu gering, weitere Kapitalgeber schwierig zu bekommen.

      Aber auch politische Schwierigkeiten hemmten nennenswerte Fortschritte