Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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Stimme ihren Namen.

      >>Antall hier! Herr Neumann, ich freue mich, dass Sie sich so schnell melden!<<

      Das klang deutlich freundlicher. Natürliche Intelligenz, hoffentlich. Auf dem Display erschien der füllige Kopf eines Mannes mit dunklen leicht ölig glänzenden Locken auf dem Kopf. Er hatte schmale listig schauende Augen und einen leichten Bartschatten, was Daniel spontan auf die Idee brachte, keinen Personalvermittler, sondern einen Gebrauchtwagenverkäufer vor sich zu haben. Der Mann strahlte über das Gesicht, als wenn er sich darüber freuen würde, dass gerade Daniel ihn angerufen hatte.

      >>Ich suche jemanden für einen einzelnen Auftrag. Ihr Profil ist ein Glücksfall! Ein ehemaliger Kommissar, sogar mit umfassender Erfahrung in der Internetermittlung!<<

      Der Mann klang so überschwänglich, als hätte er seit Monaten auf den einen großen Treffer gewartet, der ihn zum Mitarbeiter des Monats machen würde. Und nun wurde sein Traum wahr. Kommissar? Hatte Wolenski einen schwachen Moment gehabt? Daniel bemühte trotz seiner Verwunderung eine entspannte Mimik.

      >>Ein Klient aus Berlin hat uns beauftragt. Es geht darum, eine vermisste Person aufzuspüren. Der Klient sucht jemanden, der in dem Bereich bereits Erfahrungen hat. Als Qualifikation wird eine mehrjährige nachweisbare Tätigkeit als Detektiv oder als Ermittler bei der Polizei gefordert, außerdem Erfahrungen im Umgang mit Informationstechnologie. Das erfüllen Sie! Ich werde Sie sofort dem Klienten vorschlagen! Das ist großartig!<<

      Stillschweigende Zustimmung nannte man das wohl, was Daniel blieb. Er dachte an Wolenskis Drohung bei mangelnder Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

      >>Gut! Wie geht es dann weiter?<<

      >>Der Klient wird sich bei mir melden, wenn er Sie für geeignet erachtet. Dann folgt ein persönlicher Termin mit dem Klienten. Entweder Sie kommen ins Geschäft oder Sie verbuchen das Ganze als Erfahrung.<<

      >>Können Sie mir sagen, wer dieser Klient ist?<<

      >>Tut mir leid! Den Namen erfahren Sie erst, wenn Sie zu einem Termin eingeladen werden.<<

      Das war zu erwarten. Daniel überlegte, ob er mit dem, was er schon wusste, ein wenig spekulieren sollte. Eindruck schinden mochte nicht schaden.

      >>Sie arbeiten für DesertEnergy. Wenn jemand von dort einen solchen Auftrag hat, wird es wohl kein kleiner Angestellter sein, sondern jemand aus dem Führungsbereich. Eine solche Suche kann kostspielig werden. Daher gehe ich davon aus, es handelt sich sogar um einen recht hochrangigen Manager…<<

      Antall lachte laut auf und unterbrach damit Daniel.

      >>Ich höre schon, dass Sie die richtige Wahl sind. Aber Sie werden trotzdem verstehen, dass der Klient Anonymität wünscht.<<

      Eine weitere Frage brannte Daniel noch unter den Nägeln.

      >>Wie groß ist meine Chance, diesen Auftrag zu bekommen? Ich meine, es gibt doch bestimmt nicht nur in Berlin viele Detekteien, die mit langjähriger Erfahrung und professioneller Ausrüstung punkten können. Ich habe da nicht viel gegenzuhalten!<<

      Eine Gedenksekunde lang herrschte Stille. Musste dieser Antall sich eine gute Erklärung ausdenken?

      >>Der Klient wünscht absolute Verschwiegenheit und Anonymität. Das ist mit einer professionellen Agentur schwierig zu erfüllen.<<

      Was für ein Quatsch, dachte sich Daniel. Eine Detektei, die mit diesen Grundlagen ihrer Arbeit Probleme hatte, würde sehr schnell nur noch in Shopping Malls nach Taschendieben Ausschau halten. Antall schien Gedanken lesen zu können oder deutete seinen Gesichtsausdruck einfach nur richtig.

      >>Jemand wie Sie lässt sich sehr einfach in eine Residenz einschleusen, ohne dass die falschen Personen unnötige Fragen stellen. Wenn eine Detektei eine Residenz aufsucht, ist die Chance groß, dass kurz darauf jemand von der Presse diese Detektei unter die Lupe nimmt, um zu prüfen, ob dahinter eine gute Story steckt.<<

      Dieses Argument zog besser. Und Herr Antall war doch nicht so verschwiegen. Wenn der Klient in einer Residenz lebte, bedeutete das, er war recht vermögend und ganz bestimmt ein hochrangiger Manager, möglicherweise zur Wirtschaftsprominenz gehörend, womit die Geheimniskrämerei sich rechtfertigte.

      >>Und wenn ich mich bei diesem Termin doch nicht als der Richtige für den Job erweise? Dann kenne ich den Klienten und könnte selbst versuchen, mir ein kleines Zubrot bei der Presse zu verdienen!<<

      Daniel blieb hartnäckig.

      >>Herr Neumann, die Antwort darauf ist einfach. Sollten Sie nicht so verschwiegen wie erwartet sein, gibt es genug Mittel, Ihnen echte Probleme zu bereiten.<<

      Antall gönnte sich eine Schweigesekunde, die er zur Steigerung der Bedeutung seiner Worte mit einem ironisch klingenden Sie verstehen? beendete.

      Die nun einsetzende Pause entstand, weil Daniel für einen Moment die Worte fehlten.

      >>Das Thema ist wohl hinreichend besprochen. Haben Sie noch weitere Fragen?<<

      Daniel räusperte sich. Er fühlte sich plötzlich zu sehr in der Defensive. Plötzlich konnte er sich doch einen Job als Hausmeister sehr gut vorstellen. Knieschmerzen vom ständigen Herumrennen in einem Gebäude waren wohl angenehmer als echte Probleme, was das auch immer genau bedeuten mochte.

      >>Wenn ich Details zu dem Suchauftrag erst von Ihrem Klienten erfahren werde, muss ich gestehen, mir fällt gerade keine sinnvolle Frage ein. Haben Sie aber vielleicht noch eine Frage an mich?<<

      Antall klang erheitert.

      >>Nein, ich habe alles Notwendige vorliegen, und werde Sie als geeigneten Kandidaten vorschlagen. Unser Gespräch war sehr aufschlussreich! Und dem Amt für Arbeit werde ich eine positive Rückmeldung geben!<<

      Herr Antall verabschiedete sich freundlich und unterbrach die Verbindung. Daniel schaute nachdenklich auf sein Smartphone. Er war sich nicht ganz klar darüber, ob er sich freuen oder beunruhigt sein sollte. Wie es aussah, blieb ihm aber ohnehin nur, abzuwarten. Vielleicht hatte Frau Wolenski noch einen Vorschlag mit langfristiger Perspektive. Ein Job als Müllfahrer war eventuell auch eine akzeptable Alternative.

      8.

      Das Boot, das den dezent nach Erbrochenem riechenden Passagier abgesetzt hatte, nahm wieder Kurs auf die spanische Küste, die etwa einhundert Kilometer entfernt war. Die aktuelle Position war für das Boot nicht ganz unproblematisch. Der Kapitän rechnete zwar nicht damit, dass ein kleines Schiff, das auf etwa dreißig Kilometer an die afrikanische Küste heranfuhr und dann wieder abdrehte, von der Küstenwache gestellt würde, aber das Boot würde auf jeden Fall beobachtet. Daher war es wichtig, dass sie keinem anderen Boot zu nahe kamen, um nicht in den Verdacht zu geraten, Menschenschmuggel zu betreiben. Und es würde hoffentlich niemand auf die Idee kommen, das Schiff über seine gesamte Fahrt zu beobachten, um sich die berechtigte Frage zu stellen, ob jemand das Mittelmeer wirklich in Nord-Süd-Richtung durchquerte, nur um seinen Abfall ins Wasser zu werfen.

      Die Morgendämmerung zog von Osten auf und präsentierte einen farblich atemberaubenden Sonnenaufgang bei wolkenfreiem Himmel. Das Panorama hätte jeden Kreuzfahrtreisenden begeistert. Das Meer, das in der Nacht noch etwas Wellengang hatte, der für den Passagier zu viel gewesen war, war an diesem Morgen fast spiegelglatt.

      Für die vier Männer an Bord des kleinen Fischerbootes war der blaue Himmel weniger interessant. Sobald sie in die freigegebene Fischereizone gelangten, würde ein normaler Arbeitstag beginnen. Die Mannschaft befand sich aber bereits den größten Teil der Nacht auf den Beinen. Der Tag würde somit etwas schwieriger verlaufen. Das Boot befand sich etwa eine halbe Stunde auf Kurs zum europäischen Festland, als vor ihm ein anderes Boot auftauchte, das in hohem Tempo von Westen direkt auf das Fischerboot zuhielt. Der Kapitän bemerkte das Boot auf dem Radar. Aber er beachtete es nicht. Auf dem Mittelmeer herrschte üblicherweise reger Schiffsverkehr, insbesondere je näher man an Gibraltar herankam.