Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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oder auch mit Raketenwerfern fielen immer wieder aus Aufmarschgebieten in der Westsahara, Mauretanien und dem südwestlichen Algerien nach Marokko ein und griffen gezielt die Baustellen von DesertEnergy und die Versorgungskonvois an, die Anlagenbauteile zu den im Aufbau befindlichen Energieparks brachten. Je weiter der Ausbau in den Süden des Landes voranschritt, umso häufiger und extremer wurden diese Attacken.

      Konsequenterweise hatte DesertEnergy reagiert, um seine Investitionen angemessen zu schützen. Leider hatte die marokkanische Armee den ihr erteilten Auftrag nur bedingt erfüllt. Die Motivation der Soldaten, sich ernsthafte Auseinandersetzungen mit gut bewaffneten Extremisten zu liefern, entsprach nicht den Erwartungen, ihre Ausrüstung ebenso wenig. Also ging der Schutzauftrag mit Billigung, sozusagen, der marokkanischen Regierung an GlobSecure.

      Seit Rob hierher versetzt worden war, war es jedoch ziemlich ruhig gewesen. Ein paar Mal waren Trucks mit Bauteilen ein kleines Stück nördlich des Parks auf der Straße überfallen worden. Die Angreifer hatten sich schnellstens zurückgezogen, wenn sie von den bewaffneten Begleitfahrzeugen der Trucks attackiert wurden, die für sie eine Nummer zu groß waren.

      Die Stromtrasse, die von hier Elektrizität in den Norden lieferte, war mehrfach Ziel von Sprengstoffanschlägen gewesen, deren Schaden sich jedoch in Grenzen gehalten hatte, da die Trasse bereits weitgehend unterirdisch in einer Betonröhre verlief. Nur dort, wo die Röhre noch nicht fertiggestellt war und die Kabel der Trasse offen lagen, fand sich für Anschläge noch ein gut sichtbares und leicht erreichbares Ziel. Ein wild entschlossener Selbstmordattentäter war zwei Wochen zuvor an der mittleren Zufahrt zum Park dank der effizienten Überwachung nicht zu seinem Ziel gekommen. Ein anderer Scharfschütze hatte durch die Drohnenüberwachung einen Hinweis auf den Mann bekommen, der versuchte, sich mit einem uralten VW Bus als fliegender Händler auszugeben. Ein gezielter Schuss stoppte ihn vor dem Tor, bevor er den Sprengsatz in seinem Wagen zünden konnte.

      Rob kannte sich mit der Technik nicht aus, die GlobSecure einsetzte, um sogar Sprengstoff auf Distanz in Fahrzeugen zu erkennen, aber sie funktionierte, was auf ihn eine sehr beruhigende Wirkung hatte, insbesondere in Bezug auf seine Idee, die Sicherheitsmannschaften bezögen tatsächlich ein monatliches Gehalt und nicht nur eine Restlebenszeitprämie.

      Rob versuchte zu verstehen, warum sich ein Unternehmen, dessen Ziel die Erzielung von Profit war, in dieser militärisch prekären Gegend engagierte und dafür einen immensen Aufwand betrieb, seine Investitionen zu sichern. Die einzige sinnvolle Schlussfolgerung war, Elektrizität war das neue Gold. Sein eigener Arbeitgeber GlobSecure, machte bestimmt einen ordentlichen Schnitt. Eigentlich war GlobSecure, entgegen jeglichen Mutmaßungen, die sich aus seinem Namen ableiten ließen, nur in Europa tätig, dort aber immerhin das größte Unternehmen für Dienstleistungen im Sicherheitsbereich, hauptsächlich ausgerichtet auf Objektsicherung und Personenschutz, vornehmlich für die Wohlhabenden des Kontinents. Die Kooperation mit DesertEnergy hatte jedoch dazu geführt, dass sich GlobSecure eine kleine Armee zulegte, im Stil der amerikanischen Söldnerunternehmen wie Blackwater, die sogar immer wieder die USA bei Feldzügen unterstützten. Das Einsatzgebiet dieser Truppe mit dem Namen Support Team Military Services, harmlos klingend STMS abgekürzt, lag in Marokko und die Aufgabe war die Sicherung der Anlagen von DesertEnergy, Energieparks, Stromtrassen, Wasserstoffspeicher und der dazugehörigen Kraftwerke, die nachts den mittels Sonnenenergie erzeugten Wasserstoff aus den riesigen Speichern wieder zur Stromerzeugung einsetzten. Der Gewinn aus diesen Energieparks musste gewaltig sein, wenn DesertEnergy es sich leisten konnte, eine dreitausend Mann starke Truppe und ihre Ausrüstung zu finanzieren.

      Rob legte das Fernglas auf die Ablage unter dem Touchscreen und griff in die linke Beintasche seiner sandfarbenen Hose. Umständlich nestelte er nach einer kleinen Plastikbox mit Kaugummis. Eine Zigarette wäre ihm auch recht gewesen, aber im Dienst galt striktes Rauchverbot. Dazu erzeugte das Kaugummi einen erfrischenden Geschmack und, was noch wichtiger war, es verbreitete keine zusätzliche Hitze. Sobald er die Mannschaftsgebäude verließ, drang ihm der Schweiß aus allen Poren und seine Uniform saugte sich allmählich voll, was nach einem langen Tag auch für dunkle Flecken an unpassenden Körperstellen, etwa zwischen den Beinen, sorgte.

      Rob genoss den Minzgeschmack im Mund, der den Speichelfluss ein wenig anregte. Die Schweißtropfen, die ihm vom Kopf über das Gesicht liefen, wischte er zum wiederholten Mal mit einer Hand weg. Von seinem Wasservorrat war nur noch eine halbe Flasche übrig. Erst am Ende seiner Schicht würde er die Kühlbox in den kleinen Lastenaufzug stellen, der außen am Turm angebracht war, und seine Ablösung würde im Austausch volle Flaschen für die eigene Zeit auf dem Turm erhalten.

      In einiger Entfernung sah Rob auf der Straße eine Staubwolke aufwirbeln. Am nördlichen Ende des Parks führte eine planierte Piste zur Hauptstrecke, die von der südlichen Landesgrenze entlang der Küste bis auf die Höhe von Marrakesch reichte. Von dort kamen die Trucks mit den Bauteilen für den Park. Dem Anlieferplan nach, den Rob auf dem Bildschirm abrufen konnte, stand für diesen Tag noch eine Kolonne mit drei Trucks aus.

      Im Fernglas erkannte Rob vor einem großen dunklen Schatten einen Radpanzer, der mit seinen fast mannshohen Rädern den Sand von der Strecke hochwirbelte. In Robs Headset erklang eine nuschelnde Stimme, die ihn zusammenzucken ließ. Die Stimme gehörte jemandem in der Zentrale, der sich wahrscheinlich gerade noch einen großen Schluck kühle Coke gegönnt hatte und nun vielleicht auf einem frischen Sandwich mit Gemüse und Schinken herumkaute. Rob schluckte bei dem Gedanken.

      >>Zentrale an Posten Sechs. Autorisierung Alpha Zwei Omega Vier.<<

      Das war der korrekte Code für diese Stunde, wie der Touchscreen ihm anzeigte. Keine Ahnung, wer das war. Die Mannschaft war überwiegend aus Männern und nur wenigen Frauen zusammengewürfelt, die aus nahezu allen Ländern Europas kamen. Der Akzent der Stimme ließ auf einen Spanier oder Franzosen schließen, mit denen Rob außerhalb der Arbeitszeiten nur wenig Kontakt hatte, obwohl er neben gutem Englisch auch ein recht ordentliches Französisch sprach.

      Die meisten Leute beherrschten das vorgeschriebene Englisch gerade gut genug um ihre Befehle und das dienstliche Prozedere verstehen und ausführen zu können. In der Freizeit bildeten sich so automatisch Gruppen, in denen man sich in seiner Muttersprache unterhielt. Viel mehr Beschäftigung blieb ohnehin nicht. Es gab zwei Fußballplätze, auf denen tagsüber aus nahe liegenden Gründen selten jemand zu sehen war. Der Kinosaal, dessen fünfzig Quadratmeter mit dieser Bezeichnung geadelt waren, war gut besucht, ebenso die sogenannte Bar, in der es Alkohol nur rationiert gab. Rob vertrieb sich seine Freizeit meist mit den wenigen Engländern in der Bar, bei Dartspiel oder beim Pokern, aufgrund der Dienstvorschriften ohne Einsätze.

      Rob schickte dem Typ in seiner Komfortzone in Gedanken eine Verwünschung.

      >>Transport Dreihundertvier ist im Anmarsch! Zwei Radpanzer, drei Trucks. Korrekte Anmeldung ist erfolgt! Der Transport wird an Ihrem Tor reinkommen.<<

      Die Stimme blieb schwer verständlich. Entweder hatte die Sprechverbindung ein Problem oder es hatte sich nie jemand die Mühe gemacht, die Aussprache dieses Wortewiederkäuers einmal über die Funkverbindung zu testen.

      Rob nickte. Eine Antwort wurde von ihm nicht erwartet, denn die Mitteilung war hauptsächlich für die Wachen am Tor bestimmt. Er schaute nach unten, wo sich fünf schwitzende Uniformierte in ihren schusssicheren Westen an der Zufahrt verteilten. Das Brummen der Motoren schallte bis zum Turm hinauf, als die fünf Fahrzeuge abbremsten und auf die Zufahrt zum Tor einschwenkten. An den Seiten der in mattem Grau lackierten Trucks war das DesertEnergy-Logo aufgemalt, ein silberner dreistrahliger Rotor vor einer stilisierten Sonne. Darunter stand in roten Buchstaben DesertEnergy.

      Der erste Radpanzer, ein wuchtiges dreiachsiges beige lackiertes Modell, hielt vor dem Tor. In einer Dachöffnung stand, ebenso wie im zweiten Radpanzer, ein behelmter SecGuard mit Gesichtsschutz an einem aufmontierten Maschinengewehr. Die Kolonne dahinter stoppte. Einer der Wachmänner ging zur Fahrerseite des Radpanzers und kletterte die Einstiegsleiter hoch. Der Fahrer öffnete sein Fenster.

      Rob ließ seinen Blick über die anderen Wagen gleiten. Auf den Trucks befanden sich Rotorblätter und Teile eines Windturms. Beim nächsten Mal würden möglicherweise wieder Solarpaneele angeliefert werden, oder Trommeln mit Kabeln und anderem Material, das auf so einer Baustelle