Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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an ihnen vorbei und beide fielen auf die sandbedeckte Zufahrt. Eine automatische Waffe begann von unten zu feuern und um Rob herum schlugen Geschosse in die Außenwand des Turms. Ein paar Kugeln bohrten sich in die Decke des Wachraums.

      Rob duckte sich instinktiv. Als der Geschosshagel aussetzte, wagte er einen schnellen Blick nach unten.

      >>Posten Sechs! Was ist bei Ihnen los?<<

      Wieder die undeutliche Stimme in seinem Headset. Rob ignorierte den Mann. Eine neue Salve ließ ihn noch weiter zurückweichen. Er ließ das Gewehr in der Halterung los. Die Angreifer hatten es irgendwie geschafft, den Konvoi in ihre Hände zu bekommen. Möglicherweise hatten sich die Gegner unter die Besatzung des Konvois mischen können.

      So einfach war es gewesen, Zugang zum Park zu bekommen. Wahrscheinlich waren die nach Norden fahrenden Trucks mit Sprengstoff präpariert. Jetzt hatten sie außerdem ein Tor unter Kontrolle. Und hinter ihnen kam die Hauptstreitmacht.

      Der Radpanzer räumte den Zufahrtskanal. Die Angreifer aus dem Panzer sprangen zur Seite und machten den Pick-ups Platz, die einfach über die Getöteten hinweg rollten, als befänden sie sich in unwegsamem Gelände. Wagen um Wagen fuhr auf das Gelände. Der letzte Pick-up hielt neben dem Wachhäuschen. Aus dem Aufbau hinter der Fahrerkabine sprangen schwarz vermummte Männer mit automatischen Gewehren. Die letzten beiden trugen Panzerfäuste. Das hektische für Rob unverständliche Gebrüll vieler Stimmen hob an. Eine weitere Salve schlug durch den Sichtschlitz in die Decke des Wachturms. Er blieb in Deckung.

      >>Posten Sechs! Melden Sie sich! Sind Sie noch da? Wir schicken Ihnen zwei Kampfdrohnen!<<

      Die erste brauchbare Mitteilung vom Kontrollzentrum.

      >>Danke! Sehr nett! Die Typen da draußen wissen nämlich, wo ich bin, und es wird langsam ungemütlich!<<, antwortete Rob und wischte sich über die Augen, in denen der Schweiß brannte.

      Außerhalb seiner Sicht am Wachhäuschen zeigte einer der Männer aus dem Radpanzer nach oben. Einer der Panzerfaustschützen nickte und legte seine Waffe auf die Schulter. Die Spitze des aufgesetzten Geschosses richtete sich auf Robs Deckung. Die Maskierten aus dem Radpanzer nahmen ihre Waffen herunter und die Einschläge am Turm setzten aus. Rob wagte für einen Moment einen Blick nach unten und der Schreck über das, was er sah, jagte ihm eine ordentliche Menge Adrenalin durch den Körper.

      >>Dreck! Wo bleiben die Drohnen?<<

      Aus dem Headset kam keine Antwort. Möglicherweise lähmte die zu kalt eingestellte Klimaanlage die Stimmbänder seines Gesprächspartners.

      Rob wartete auf das giftige Zischen eines Geschosses. Er warf sich herum und sprang in die Mitte des Raumes zurück. Direkt vor der Einstiegsluke kam er rutschend auf den Knien auf. Seine Kniescheiben meldeten Protest gegen diese Behandlung an und Rob verzog vor Schmerz das Gesicht. Eine Hand krallte sich in den Griff der Verriegelung und drehte sie. Ein Klacken, das von einem gefahrverkündenden Fauchen irgendwo draußen begleitet wurde, signalisierte, dass die Luke geöffnet war. Mit aller Kraft riss Rob den Zugang zum Leiterschacht auf und warf den Schachtdeckel gegen die Arretierung, an der er senkrecht stoppte. Das fauchende Geräusch von draußen schwoll blitzartig an.

      Rob schaute kurz in das dürftig ausgeleuchtete Innere des Turms. Eine Leiter führte auf eine etwa acht Meter tiefer gelegene Plattform. Dort musste man aus Sicherheitsgründen für den weiteren Abstieg bis zur nächsten Plattform auf die andere Seite der Leiter wechseln. Auch ein acht Meter tiefer Sturz konnte einem eine Menge Knochen brechen. Rob stürzte sich in dem Moment kopfüber in den Schacht, als das panzerbrechende Geschoss an der Sichtöffnung neben dem in der Halterung hängenden Gewehr explodierte und die Wand aufriss. Gewehr, Touchscreen und eine der Streben, die das Dach hielten, wurden weggerissen und durch den Raum geschleudert. Ein Feuerball zuckte durch den Wachraum. Rob versuchte, im Fallen eine der Leitersprossen zu fassen, während von oben der Tod nach ihm griff. Er schaffte es für einen Moment, sich mit einer Hand festzuhalten. Sein Körper vollführte um die Hand an der Sprosse eine hundertachtzig Grad Drehung und er schlug seitlich gegen die Leiter. Ein heftiger Schmerz im Handgelenk löste seinen Griff und er stürzte hintenüber auf die Plattform. Sein Kopf schlug auf der Plattform heftig auf und ein weitaus heftigerer Schmerz gesellte sich zu dem anderen.

      Sein Blick verschleierte sich. Verschwommen erkannte er etwas Dunkles, das vor dem diffus hellen Fleck der Öffnung über ihm schnell näher kam. Dann traf ihn etwas am Kopf und für Rob wurde es vollständig dunkel.

      Einen Kilometer weiter scherte ein mit Rotorblättern beladener Truck aus seinem Konvoi aus und steuerte durch ein Feld mit Solarkollektoren. Er riss eine Schneise durch die bläulich glitzernden Paneelfelder und steuerte auf eine Windkraftanlage zu, hinter der sich eines der Umspannwerke des Energieparks befand. Als der Truck auf die vorderen Transformatoreneinheiten traf, wurde er in einer donnernden Explosion zerrissen.

      Über der Explosionswolke schossen zwei schlanke schwarze Flugkörper dahin, jeder ausgerüstet mit zwei Maschinengewehren an Auslegern. Sie hielten auf den Wachturm zu, an dessen Spitze eine Rauchwolke von einer weiteren Explosion zeugte.

      2.

      Durch die Spalten des staubigen grauen Lamellenrollos drang spärliches Sonnenlicht und warf in schmalen Streifen, in denen Staubpartikel tanzten, Helligkeit auf die Einrichtung des Zimmers. Viel war nicht zu beleuchten. Neben einem schiefen Schrank, dessen Türen weit offen standen und den Blick auf eng und planlos zusammengedrückte Kleidungsstücke und ein paar knitterige Hemden an einer Kleiderstange freigaben, stand ein breites Bett. Genau genommen war es eher ein einfacher Holzrahmen ohne Kopf- und Fußende, in dem eine für den Rahmen zu schmale Matratze lag. An den Wänden löste sich die musterlose gelbliche, vielleicht auch einfach nur vergilbte Tapete stellenweise.

      Unter einer wellenförmig zusammengeschobenen Decke schauten zwei Beine von den Oberschenkeln an hervor. Der Kopf lag verborgen unter einem Kopfkissen. Die Beine waren dunkel behaart. Am oberen Ende seines linken Schienbeins war seitlich eine lange Narbe zu erkennen, die sich bis über das Knie hinzog.

      Neben dem Bett stand ein kleiner Nachttisch, auf dem auf einem billigen leicht angelaufenen Plexiglasdisplay in gelben Leuchtziffern die Zeit angezeigt wurde. Die Anzeige sprang auf sieben Uhr. Ein lauter Summton ertönte. Es dauerte einen Moment, bis unter der Bettdecke eine Bewegung das Aufwachen des Mannes anzeigte. Eine Hand tauchte neben dem Kopfkissen auf und tastete umher, während das laute Summen aus dem Lautsprecher des kleinen Schirms zu Musik wechselte. Ein Jingle ertönte und kündigte eine Nachrichtensendung an. Während plötzlich ein Akkusignal über der Uhrzeit aufleuchtete, löste die Stimme einer Sprecherin den Jingle ab.

      >>Hier ist Radio Dortmund, immer gut informiert für Sie. Es ist sieben Uhr und Sie hören die aktuellsten Nachrichten, aktueller als noch vor fünf Minuten!<<

      Die Hand erreichte den Bettrand und tastete sich langsam an der Bettkante entlang. Die Finger bewegten sich dabei vorsichtig tastend wie die Beine einer Spinne. Ungeachtet der Tatsache, dass er gleich zum Verstummen gezwungen werden würde, steigerte der kleine Schirm noch die Lautstärke der Nachrichtensendung.

      >>Und hier die Schlagzeilen von heute Morgen, Montag, den sechzehnten Juni! Bundesweit: Bundesrat genehmigt endlich den Verkauf der acht letzten Universitäten des Landes an zwei Investorengruppen.

      Kanzlerin Reinders-Winkelmann beendet ihre Reise nach Marokko und Algerien zu den DesertEnergy-Energieparks. DesertEnergy sagt zu, die bisher bereitgestellten Strommengen für die Versorgung des deutschen Stromnetzes für das nächste Jahr um weitere fünfzehn Prozent anzuheben. Die Verteilquoten der Abnehmerländer Spanien, Frankreich und Deutschland wurden mit dem Konzern neu verhandelt. Die zusätzlichen Strommengen der Energieparks bei Sidi Ifni und Essaouira, die bald ins europäische Netz fließen, gehen hauptsächlich nach Deutschland.

      Die Verhandlungen über erweiterte Stromlieferungen durch RWE Solar sind ins Stocken geraten. Die Streitigkeiten zwischen Algerien und Libyen betreffen weiterhin auch die Nutzung der gemeinsamen Unterseestromtrassen, über die beide Länder ihren Wüstenstrom nach Italien leiten. Die Fertigstellung der neuen Trasse, die RWE Solar zusammen