Ana Marna

Wandlerin


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verwendet wurde, die sich nicht um die Regeln und Gesetze anderer scherten, sondern nach ihrem eigenen Codex lebten. Hier in den Staaten wurde dieses Patch nur bei echten Outlaws toleriert. Nun, soweit er informiert war, stand es den Road Bastards durchaus zu. Wieweit ihre kriminellen Aktivitäten gingen, konnte er nur erahnen. Ob er mehr erfahren würde, wagte er zu bezweifeln. Clubinterna wurden nicht an Außenstehende weitergegeben. Aber das störte ihn nicht weiter. Seine Aufgabe war es, zufällige Kontakte mit Wölfen möglichst ohne Stress und Aufmerksamkeit über die Bühne gehen zu lassen. Am besten so, dass es die uneingeweihten Mitglieder der Nomads mitbekamen!

      Sie verließen New York noch am gleichen Tag, was Dierolf sehr entgegenkam. Offenbar hatte Tiger schon ein Ziel vor Augen. Lediglich ein kurzer Tankstopp hielt sie noch auf. Dann fuhren sie gen Westen, direkt nach Pennsylvania hinein.

       Bloomsburg, Pennsylvania

      Als sie am Abend Tigers erstes Ziel erreichten, war Dierolf mehr als froh, dass er sein Gesäß schon auf der Tour von Minnesota nach New York „eingeritten“ hatte. Trotzdem war er steif, während er sich von seinem Bike schwang.

      Sie waren zu Gast bei den Crazy Eagles, Pennsylvania. Das Clubhaus des MCs lag am Stadtrand von Bloomsburg, einer Kleinstadt im Osten des Bundesstaates. Es war eine alte Fabrikhalle, die von einem stabilen Metallzaun geschützt wurde. Nur ein größeres Tor erlaubte den Zutritt und dieses wurde von zwei finster blickenden Rockern gesichert.

      Dierolf registrierte die fette Bewaffnung der beiden mit leichtem Unbehagen, ließ sich aber nichts anmerken. Auch bei diesen Männern war das Onepercenter-Patch nicht zu übersehen.

      Offenbar waren sie angemeldet, da Tiger nur wenige Sätze benötigte, bis man sie einließ und sie ihre Maschinen vor dem Gebäude zu den anderen Bikes stellen konnten.

      Instinktiv öffnete Dierolf all seine Sinne, um etwaige Bedrohungen zu registrieren, was er aber sofort bereute, sobald sie das Clubhaus betraten. Ungefiltert strömten die vielfältigsten Gerüche auf ihn ein: Adrenalin, Testosteron, Sexualhormone und intensiver Schweiß bildeten lediglich die Spitze davon. Nur mit Mühe verhinderte er ein gestresstes Knurren. Ein bekannter Geruch ließ ihn kurz zur Seite blicken. Runner stand neben ihm und grinste ihn an.

      „Keine Sorge“, spottete der Wolf leise. „Man gewöhnt sich schnell dran. Schon mal mit ‘nem MC gefahren?“

      „Nein“, knurrte Dierolf missmutig. „Normalerweise hab ich‘s nicht so mit Gruppendynamik.“

      Runner lachte leise. „Na, dann viel Spaß.“

      Dierolf unterdrückte einen Fluch. Das würde mit Sicherheit anstrengend werden.

      Sie blieben zwei Tage bei den Crazy Eagles.

      Dierolf teilte sein Zimmer mit Ork, was eine weitere Herausforderung war. Das Aussehen des Nomads störte ihn dabei weniger. Ork trug seinem Namen tatsächlich Ehre. Er war etwa so groß wie Tiger, also eher ein Riese, und genauso breit. Der Bizeps seiner Arme war gewaltig und wurde durch breitflächige Tattoos, die sich über den kompletten Oberkörper zogen, noch besser in Szene gesetzt. Sein Gesicht war dagegen ein anderes Kapitel. Es war mit fetten Narbenwülsten überzogen, die nur von einem wilden Zottelbart verdeckt wurden. Seine Glatze war genauso gezeichnet und Dierolf fragte sich nicht nur einmal, was diesen Mann so verunstaltet hatte. Der Blick des Bikers zeugte allerdings von wacher Intelligenz. Die hellblauen Augen waren ununterbrochen in Bewegung und schienen die Umgebung abzuscannen.

      Dierolf mochte ihn. Ork war zweifellos ein Außenseiter in der normalen Gesellschaft und für solche Leute hatte er schon immer Sympathien gehegt. Dass der Biker bei den Outlaws eine Familie gefunden hatte, war vermutlich unvermeidlich gewesen. Hier strandeten viele gescheiterte und verstoßene Existenzen.

      Wie gesagt, das störte Dierolf nicht weiter. Sein Problem war das gemeinsame Bett. Dierolf selbst war eher der zähe, asketische Typ, also schlank. Ork dagegen entsprach mehr einem Panzerschrank und entsprechend beanspruchte sein Körper den Platz auf der Matratze.

      Das Doppelbett war zwar breit, trotzdem wurde Dierolf an die Bettkante gedrängt und sah sich mehrmals in der Nacht gezwungen, den Biker mit aller Kraft zur Seite zu schieben. Ork grunzte dabei lediglich und sah keine Veranlassung, aufzuwachen.

      Nach der ersten Nacht knurrte Dierolf ihn leicht übermüdet von der Seite an.

      „Brauchst du immer ein Ehebett oder geht es auch mit weniger Ausdehnung?“

      Ork schnaufte amüsiert, während er sich überraschend sorgfältig den Zottelbart durchkämmte – was nicht besonders viel nützte.

      „Ich nutze das, was da ist“, kam die erhellende Antwort nach einiger Zeit.

      Diesmal schnaufte Dierolf, beschloss aber, nicht auf diesem „Problem“ herumzureiten. Mit etwas Glück bekam er beim nächsten Mal einen anderen Zimmerpartner und bisher hatte sich Ork ihm gegenüber korrekt verhalten.

      Der Tag gestaltete sich für ihn erfreulich abwechslungsreich. Die meiste Zeit hockte er im Clubraum und beobachtete die anwesenden Biker. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Dierolf konnte circa dreißig verschiedene Gesichter ausmachen. Dazu kamen mehrere Clubmädchen, die unentwegt um die Biker herumwuselten und sich ihnen schamlos anbiederten. Gekleidet waren die meist jungen Frauen äußerst freizügig und der Anblick von nackten Brüsten und diversen anderen Geschlechtsteilen war nichts Ungewöhnliches. Das wiederum gefiel ihm. Da er nicht den Eindruck hatte, dass die Mädchen dazu gezwungen wurden, fand er die Aussichten eher anregend, auch wenn sich keines der Girls an ihn wandte. Sie waren Clubeigentum und er ein Fremder. Ein Freebiker ohne MC.

      Dafür beäugten ihn die Biker umso gründlicher.

      Immer wieder hockte sich jemand zu ihm und durchlöcherte ihn mit Fragen. Dierolf bemühte sich, so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Dass auch die Nomads bei seinen Antworten die Ohren aufsperrten, war nicht verwunderlich. Im Großen und Ganzen erzählte er von seinen früheren Touren durch Deutschland. Dass diese nicht immer auf dem Bike stattgefunden hatten, ließ er dabei unter den Tisch fallen.

      Der Ton unter den Männern war rau, aber ehrlich.

      Klar, ab und zu roch es auch nach Lügen, aber meistens handelte es sich dabei um Aufschneidereien.

      Hin und wieder kam es zu kleineren Rangeleien, doch diese konnte man unter Kraftprobe verbuchen. Etwas, was auch bei Wölfen weit verbreitet war. Dierolf begann sich langsam, aber sicher wohl zu fühlen.

      Tiger hockte die meiste Zeit bei Moses, dem President des MCs. Obwohl Dierolf die Ohren spitzte, bekam er nur wenig von den Gesprächen mit. Offenbar ging es um irgendwelche Deals, vermutlich illegaler Natur. Er bemühte sich nicht, mehr darüber zu erfahren. Die Geschäfte der Bastards interessierten ihn nicht. Sein Auftrag war ein anderer.

      Spannend wurde es, als der Alkoholkonsum gegen Abend zunahm und die Biker enthemmter wurden.

      Auch die Clubmädchen ließen jede Zurückhaltung fallen und warfen sich den Männern immer schamloser an den Hals. So manches Pärchen trieb es ungeniert auf der Couch, auf einem Tisch oder an der Wand im Stehen. Für Dierolf war das eher unterhaltsam, bis sich eine der Frauen auf seinem Schoß niederließ.

      „Hallo, hübscher Mann“, gurrte sie und drückte ihren Schambereich gegen seinen Schritt. Reflexartig schlang Dierolf die Arme um die junge Frau und hielt sie fest. Die Kleine war höchstens Zwanzig und etwas nuttig geschminkt, aber zweifellos hübsch. Dierolfs Männlichkeit regte sich sofort. Es war schon ziemlich lange her, dass er eine Frau im Bett genossen hatte, was für einen Wolf eher ungewöhnlich war. Aber bevor er etwas sagen konnte, wurde das Mädchen unsanft von ihm heruntergezogen.

      Einer der Biker schüttelte sie grob.

      „Kümmer dich um die Eagles und nicht um so einen abgefuckten Freebiker“, raunzte er das Mädchen an. Die Kleine quiekte schmerzvoll auf. Dierolf runzelte die Stirn und richtete sich langsam auf. Wenn er etwas überhaupt nicht leiden konnte, dann war es die Misshandlung von Frauen.

      „Hör zu Biker“, knurrte er. „Von mir aus kann die Kleine