Norman Dark

Haus des Horrors


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Geschäfte laufen wohl nicht besonders gut«, meinte Louis, »und wenn ich mir euer Schlüsselbord ansehe, fällt mir auf, dass die meisten Fremdenzimmer frei sind.«

      »Warum wohl, du Klugscheißer?«, sagte Molly böse. »Weil das Gelbfieber die Stadt fest im Griff hat. Fremden wird von offizieller Stelle geraten, sich fernzuhalten. Es wird gemunkelt, dass diese Drecksmücken und Fliegen verantwortlich für die Seuche sind.«

      »Ach ja? Mir können diese Viecher nichts anhaben.«

      »Weil sie befürchten, eine Alkoholvergiftung zu kriegen«, konterte Molly.

      »Hallo, hallo, ohne uns könntet ihr den Laden bald dicht machen.«

      »Weiß ich doch. War auch nur ein Joke. Eine andere Erklärung könnte sein, dass dein Vater ein Farbiger war. Bei denen soll der Krankheitsverlauf viel milder sein.«

      Plötzlich stürmte ein Mann in die Bar, der eindeutig kreolischer Abstammung war.

      »Hi, Molly, Jo«, sagte er atemlos. »Ihr erratet nie, was ich gerade beobachtet habe.«

      »Nun mach‘s nicht so spannend, Henri. Du erstickst doch gleich an den Neuigkeiten«, zog ihn Molly auf.

      »Bitte, ich kann es auch für mich behalten. Dann lest ihr es morgen in der Zeitung.«

      »Nein, das kannst du eben nicht. Also, red‘ schon!«

      »In der Royal Street, Ecke Governor Nicholls, gab es einen großen Menschenauflauf. Madame LaLaurie hat eine Sklavin über das Dach gejagt, die dann schließlich vor Angst in die Tiefe gesprungen ist.«

      »Und, ist sie tot?«, fragte Joseph.

      »Ja, was denkst du denn? So einen Sturz aus dieser Höhe überlebt keiner. Die Nachbarn haben beobachtet, dass der Leichnam in den Innenhof verbracht wurde. Dort wird man ihn wahrscheinlich unter einer Zypresse begraben.«

      »Die war mir noch nie ganz geheuer, diese Madame«, meinte Molly. »Das feine Getue kann nicht über die kalt und grausam blickenden Augen hinwegtäuschen.«

      »Was du immer redest«, sagte Louis. »Wer weiß, was dieses Sklavenmädchen angestellt hat.«

      »Na, was schon? Sie wird Madame beim Kämmen zu sehr an den Haaren gezogen haben. Und dass diese Delphine zu unmenschlichen Strafen neigt, darüber wird schon lange getuschelt. Bin mal gespannt, ob man sie so einfach davonkommen lässt.«

      »Das glaube ich nicht«, meinte Henri. Ein Gesetz in New Orleans verbietet die grausame Behandlung von Sklaven, wie ihr wisst. Das Amt wird die anderen beschlagnahmen und meistbietend versteigern lassen. Madame LaLaurie, wird allerdings das Recht an dieser Auktion verweigert.«

      »Und wenn schon, das durchtriebene Weib wird Mittel und Wege finden, die Sklaven zurückzubekommen. Zum Beispiel indem sie ihre Familie und Freunde mitsteigern lässt, die ihr anschließend die Sklaven unter Stillschweigen zurückgeben.«

      »Da könntest du Recht haben. Wir sollten das Haus im Auge behalten«, sagte Joseph. »Die feinen Pinkel sollen nicht glauben, dass sie sich alles erlauben können.«

      »Ach, so liebe ich dich, mein Dickerchen«, rief Molly aus. »In solchen Momenten weiß ich immer, warum ich dich geheiratet habe. Aber was können wir schon ausrichten?«

      »Nanu, Sie sind schon wieder da?«, fragte die freundliche Ebby Coleman, die zusammen mit ihrer Freundin, Kathy Edison, das Gästehaus führte. »Konnten Sie nichts ausrichten?«

      »Es scheint, man hat uns an der Nase herumgeführt«, sagte Faye. »Ich habe schon versucht, den Eigentümer anzurufen, doch da meldet sich nur die Mailbox.«

      »Dann fangen Sie doch bei uns im Haus an. Gäste berichten immer wieder von irgendwelchen Spukerscheinungen. Und Kathy meint, sie hätte auch schon etwas gesehen. Ich leider bisher nicht. Aber, nein. Eigentlich bin ich ganz froh, weil ich ziemlich ängstlich bin.«

      »War das Haus schon im Besitz Ihrer Familie zu Zeiten von Madame LaLaurie?«

      »Nein, damals soll es eine Bar mit Fremdenzimmern gewesen sein und einem gewissen Joseph Clark und seiner Frau Molly gehört haben. Später hat es dann der erfolgreichsten mulattischen Geschäftsfrau der Stadt, Lulu White, gehört. Die führte hier ein Bordell und war berüchtigt durch ihre Vorliebe für Diamanten und ihre Vorstrafen. Als dann 1897 das Rotlichtviertel Storyville eingerichtet wurde, um die Prostitution in der Hafenstadt besser kontrollieren zu können, zog sie dorthin um und eröffnete die luxuriöse „Mahogany Hall“, ausgestattet mit einem Spiegelsaal, einer Tanzfläche, auf der die Prostituierten erotische Tänze darboten, und 15 beheizten Schlafzimmern mit Bad. Alle Prostituierten waren in sogenannte Bluebooks, Journale, die am Bahnhof und anderen zentralen Orten der Stadt auslagen, aufgelistet, nach Namen und Hautfarbe geordnet. Besonders begehrt waren Mulattinnen

      Storyville umfasste bald 38 Häuserblocks und bot Sex für jeden Geldbeutel. In den Freudenhäusern gab es Haus-Pianisten, die man Bordellprofessoren nannte, und die für die musikalische Unterhaltung der Gäste sorgten. Doch nur weiße Freier fanden dort Einlass. Afroamerikaner durften lediglich als Musiker hinein.

      Louis Armstrong ist dort aufgewachsen. An einem Ort, von dem viele sagen, er sei die Geburtsstätte des Jazz. Die Musiker konnten dort Sachen ausprobieren, die auf dem normalen Markt gar möglich gewesen wären. Das Publikum in den Bordellen war sehr viel großzügiger und aufnahmebereiter. Doch es war auch die Zeit des Tiefpunkts der Rassenbeziehungen. Es gab mehr Lynchmorde als zu anderer Zeit. Die Kriminalität war vielen ein Dorn im Auge. Nachdem bei Schießereien vier Soldaten ums Leben gekommen waren, verfügten das Verteidigungs- und das Marineministerium gegen den Willen des Bürgermeisters, dass es bei Marinestützpunkten in einem Umkreis von fünf Meilen keine Bordelle mehr geben durfte. Im November 1917 wurde Storyville geschlossen. Die Freudenhäuser verschwanden und mit ihnen auch die Musiker. Die meisten von ihnen wanderten nach New York und Chicago ab.«

      »Gibt es das Haus, in dem sich die „Mahogany Hall“ befand noch?«, fragte Dexter.

      »Nein, die wurde in den 40er-Jahren abgerissen und durch Sozialwohnungen ersetzt. Heute erinnert so gut wie nichts mehr an die 20-jährige Geschichte des berüchtigten Rotlichtviertels im Mississippi-Delta, dem Louis Armstrong und Billy Holiday in dem Arthur-Lubin-Film „New Orleans“ ein Denkmal gesetzt haben.«

      »Sie kommt schon wieder ins Schwärmen«, sagte Kathy. »Sie müssen wissen, Ebby hat früher als Touristenführerin gearbeitet, bevor wir das Haus hier übernommen haben.«

      »Und was genau ist hier vorgefallen?«, hakte Faye nach.

      »In Zimmer fünf wird mitunter eine männliche Leiche in bizarrer Aufmachung im Bett liegend gesehen«, sagte Ebby. »In seinem Brustkorb steckt ein Messer, oder Kathy?«

      »Ja, ich habe es gesehen, als unser Gast, Mrs. Smith, schreiend herausgerannt kam.«

      »Dann hätten Sie uns lieber dieses Zimmer geben sollen«, meinte Dexter.

      »Das geht leider nicht, weil es im Moment vermietet ist. Aber vielleicht hat das Ehepaar einen Albtraum oder sieht auch etwas. Dann können Sie noch umziehen.«

      »Gut darauf kommen wir gerne zurück. Und was gibt es sonst noch zu berichten?«

      »Im Keller hört man immer wieder hinter einer Mauer Kratzgeräusche und Wehklagen. Kathy und ich haben es schon öfter vernommen. Schaurig, sage ich Ihnen. Deshalb meiden wir beide den Keller auch so gut es geht.«

      »Wir werden uns auch darum kümmern«, sagte Faye.

       Kapitel 2

       1896

      Kitty – ob sie wirklich so hieß oder sich nur so nannte, wusste nur Lulu, die Chefin des Etablissements – war noch sehr jung und unerfahren. Von Lulu persönlich eingewiesen, war sie auf einem guten Weg, hieß es. Doch besondere Vorlieben der Kunden waren ihr noch relativ fremd. Ihre Arbeit verrichtete sie in Zimmer 5.

      Der seriös aussehende ältere