Norman Dark

Haus des Horrors


Скачать книгу

riefen, etwas abebbten.

      »Entschuldigen Sie, bitte. Ich kann Sie leider nicht bezahlen, möchte aber dennoch um Hilfe bitten.«

      »Was hast du denn auf dem Herzen?«

      Selenka zögerte einen Moment.

      »Na, worum geht es denn?«

      »Mir macht die Schlange etwas Angst …«

      »Ach, das ist Zombi, nach der Schlangendame Li Grand Zombi benannt. Die tut niemandem etwas zuleide.«

      »Ich gehöre Madame LaLaurie. Vielleicht haben Sie schon von ihr gehört?«

      »Oh ja, das habe ich. Die feine Dame wollte mich nicht einmal ins Haus lassen und hat mich an der Tür abgefertigt, als ich ihr meine Dienste angeboten habe. Sie meinte, ihre eigene Friseurin zu haben und auf meine Heilkünste nicht angewiesen zu sein. Außerdem hätten Hexen in ihr Haus keinen Zutritt. Eine Frechheit!«

      »Sie hat angedroht, mich an den Herd zu ketten. Und es verschwinden immer wieder Sklaven auf ihrem Dachboden. Von dort hört man zuweilen unmenschliche Schmerzensschreie. Können sie nicht etwas gegen sie unternehmen? Ich meine, als Voodoo-Königin …«

      »Du denkst, ich bräuchte nur eine Puppe zu basteln und ihr mit einer Nadel ins Herz zu stechen? Du musste nicht alles glauben, was du über mich hörst. Ich betreibe keine schwarze Magie, sondern bin helfend und heilend tätig.«

      »Deshalb bitte ich Sie ja um Hilfe.«

      »Du stellst dir das zu einfach vor. Ich habe keinen Einfluss oder Macht über diese Leute. Aber ich werde das mit Anderen besprechen. Vielleicht gibt es einen Weg der Madame Einhalt zu gebieten.«

      »Ich danke Ihnen. Gott hab Sie selig!«

      »Dich auch, meine Liebe.«

      Selenka machte sich voller Zuversicht auf den Rückweg, doch ihre Hoffnungen sollten nicht erfüllt werden. Vorerst jedenfalls nicht.

      Dexter Rodriguez suchte seine Kollegen in deren gemeinsamen Zimmer auf.

      »Es gibt eine Planänderung, Jungs«, meinte er. »Wir können erst in vier Tagen in das LaLaurie Haus.«

      »Und was machen wir so lange?«, fragte Moe Brown, der farbige Kameramann. »Uns die Eier schaukeln, oder was?«

      »Wir könnten doch ein wenig New Orleans erkunden«, meinte Randy Perez, der Tontechniker.

      »Das könnt ihr am Tage machen, wenn ihr ausgepennt habt. Die nächsten Nächte werden wir hier vor Ort arbeiten. Diese Pension hat nämlich auch so ihre dunklen Seiten.«

      »Was, und dann wohnen wir hier?«, rief Moe entsetzt aus.

      »Dir wird schon keiner an deinen schwarzen Arsch wollen«, sagte Dexter. »Bisher sind wir doch immer heil davongekommen.«

      »Reine Glückssache, wenn du mich fragst. Aber gegen das LaLaurie Haus dürfte das hier ein Kinderspiel sein. Ich bewundere dich, dass du dich überhaupt darauf einlässt, Moe. Die Bude war für Schwarze ein äußerst gefährliches Pflaster.«

      »Jetzt hör auf, ihm Angst zu machen, Randy«, sagte Dexter. »Das war vor fast zwei Jahrhunderten. Wenn Moe abspringt, kannst du Kamera und Ton gemeinsam machen.«

      »Eben, dann brauchst du vier Hände«, pflichtete ihm Moe bei. »Außerdem bin ich kein Sklave. Die Zeiten sind Gott sei Dank Geschichte.«

      »Warum teilst du dir eigentlich immer mit Faye ein Zimmer?«, fragte Randy. »Läuft da was zwischen euch?«

      »Nein, wir sind wie Bruder und Schwester und haben jeweils einen anderen Typ.«

      »Ach, du stehst wohl nicht auf Brünett, sondern auf vollbusige Blondinen? Und Faye mag wohl mehr die typisch amerikanischen Beachboys und keine abgewrackten Kerle mit mexikanischen Wurzeln?«

      »Wenn du sonst keine Sorgen hast … Also, haltet euch morgen bereit. Wir werden jeweils eine Kamera in Zimmer 5, im Musikzimmer und im Keller aufstellen. Das Risiko tragen übrigens wir. Faye und ich werden wechselweise dort übernachten, während ihr schon an der Matratze horcht.«

      »Nur kein Neid. Euch mit der schweren Kamera auf der Schulter hinterherzulaufen, ist auch kein Zuckerschlecken.«

      »Genau. Und sich vor den Monitoren viereckige Augen zu holen, ebenfalls nicht.«

      »Ich liebe es, wenn die Kollegen mit Feuereifer bei der Sache sind und darauf brennen, endlich anfangen zu können.«

      »Nun wein mal nicht. Keiner hat behauptet, es nicht gerne zu machen.«

      »Right, dann wünsche ich eine gute Nacht. Und behaltet die Finger bei euch.«

      »Wir können uns gerade noch beherrschen«, maulte Randy, und Moe grinste.

      Am nächsten Tag, als die Technik aufgebaut war, stellten Faye und Dexter ihre zusammenklappbaren Liegen auf. Faye im Musikzimmer und Dexter in Zimmer 5. Die Kameras liefen die ganze Nacht und der Electronic Voice Phenomenon Recorder zumindest so lange, wie die beiden noch wach waren. Mit ihm konnte man die sogenannten Tonbandstimmen aufnehmen, die im Augenblick des Entstehens für menschliche Ohren nicht hörbar waren.

      Faye hatte zwar schon das Licht gelöscht, war aber noch nicht eingeschlafen, als zarte Klaviermusik erklang. Sie schaltete die Lampe ein und nahm den Flügel in Augenschein. Wie nicht anders erwartet, war der Deckel der Tastatur abgeschlossen, und es gab weit und breit keinen Schlüssel.

      »Warst du das, der da gespielt hat?«, fragte sie laut. »Bist du hier im Haus gestorben, und warum bist du noch hier?«

      Faye lauschte, erhielt aber erwartungsgemäß keine Antwort.

      »Willst du uns deinen Namen nennen? In welchem Jahr war dein Todestag?«

      Wieder nichts, aber Faye war schon gespannt auf die Auswertung der Aufnahme.

      Dexter standen buchstäblich die Haare zu Berge, als er mitten in der Nacht von einem Geräusch geweckt wurde. Es hörte sich an, als würde Bettzeug rascheln, und ein leises Stöhnen erfüllte den Raum. Durch die zugezogenen Vorhänge fiel kaum Licht ins Zimmer. Dexter blinzelte angestrengt. Erhob sich da nicht jemand vom Nachtlager? Wie sie es immer taten, stellte Dexter die gleichen Fragen, ohne freilich Antwort zu erhalten. Im nächsten Moment war der Spuk vorbei, und Dexter fiel wieder in einen unruhigen Schlaf.

      Im Traum verfolgte ihn ein Mann, in dessen Brust ein Dolch steckte. Sein Hemd war blutgetränkt, und es fiel ihm schwer, aufrecht zu gehen.

      »Bleib stehen! Deine kleine Schlampe hat mich umgebracht. Warum hast du sie dazu verleitet? Was habe ich dir getan?«, hörte er eine schaurig verhallte Stimme.

      Dexter kam ins Stolpern und fiel der Länge nach hin. Da war der Mann auch schon über ihm.

      »Jetzt zahle ich es dir heim. Ich nehme dich mit in mein dunkles Reich.«

      »Nein, ich will das nicht«, rief Dexter gequält aus.

      »Na schön, dann bleib noch liegen«, sagte Faye. »Ich dachte nur, wir frühstücken zusammen.«

      »Was? … Ja, warte, gib mir zehn Minuten … Oh, ich habe wohl schlecht geträumt.«

      »Das war nicht zu überhören, so sehr, wie du gejammert hast. Also, bis gleich!«

      Faye hatte schon die dritte Tasse Kaffee getrunken, als Dexter im Frühstücksraum erschien.

      »Oh, Buddy, du hattest wohl keine gute Nacht. So wie du aussiehst«, sagte Moe.

      »Scharf erkannt. Ihr musstet ja nicht in Zimmer 5 übernachten. Was ich dort erlebt habe, werden wir hoffentlich im Film sehen. Und mit ganz großem Glück habe ich vielleicht auch Antwort erhalten.«

      »Also hat es sich gelohnt? Wir sind schon ganz gespannt«, meinte Randy.

      »Ich habe nicht geträumt«, sagte Faye, »kann es aber ebenso kaum erwarten, die Aufnahmen anzusehen und –zuhören. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass wir gleich beim