Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen


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aus Wasser und Salz; und wenn nach einer andern verlangt wurde, hieß es, der König habe gesagt, sie sei gut genug für mich. Wenn ich gegen Morgen ein wenig einschlief, wurde ich vom Trommelgewirbel jäh aufgeweckt; allein der König hätte mich lieber umkommen lassen, als es abzustellen. Zum Unglück wurde auch die Mermann krank. Da alle Anzeichen auf eine Fehlgeburt schließen ließen, musste sie nach Berlin gebracht werden, und es trat eine zweite Kammerfrau an ihre Stelle, die sich täglich betrank und somit außerstande war, mich zu pflegen. Mein Bruder, der die Blattern schon gehabt hatte, ließ mich nicht im Stich. Sobald er erfuhr, von welcher Krankheit ich befallen war, kam er heimlich zweimal des Tages, um mich zu besuchen. Die Königin, die mich nicht sehen durfte, erkundigte sich hinterrücks fortwährend nach mir. Neun Tage hindurch schwebte ich in großer Gefahr; alle Symptome meines Übels ließen den Tod erwarten, und alle, die mich sahen, waren der Meinung, dass, wenn ich davonkäme, ich traurig entstellt sein würde. Aber meine Laufbahn war noch nicht zu Ende, und ich war all den Schicksalsschlägen vorbehalten, von denen in diesen Memoiren die Rede sein wird. Dreimal hatte ich Rückfälle; waren die Blattern abgetrocknet, so brachen sie von neuem aus. Trotzdem blieben keine Narben zurück, ja, meine Haut war viel reiner geworden als zuvor.

       Inzwischen kam Herr von Bremer im Auftrag des Markgrafen von Ansbach nach Potsdam. Er überreichte meiner Schwester den Verlobungsring, was ohne jegliche Zeremonie vor sich ging. Der König war von seiner Gicht vollständig hergestellt, mit seiner Gesundheit hatte sich auch seine Laune gebessert. Nur ich war noch der Stein des Anstoßes; Holtzendorff besuchte mich von Zeit zu Zeit auf Befehl des Königs, doch richtete er mir jedes Mal unangenehme Dinge aus. Er suchte die Teilnahme, die er mir vonseiten seines Herrn aussprechen sollte, stets in möglichst verletzende Worte zu kleiden. Dieser Mensch war eine Kreatur Seckendorffs und stand beim König so sehr in Gnaden, dass alles vor ihm kroch. Er benutzte seinen Einfluss nur, um Unglückliche zu machen, und hatte nicht einmal das Verdienst, ein guter Arzt zu sein. Mit meinem Bruder ging jetzt der König etwas besser um, auf Anraten Seckendorffs und Grumbkows, die den König vollständig beeinflussten. Die plötzlichen Sinneswandlungen, die sie schon bei ihm wahrgenommen hatten, hielten stete Furcht in ihnen wach. Sie besorgten mit Recht, der König von England könnte sich zuletzt doch zur Doppelheirat entschließen, so dass ihr ganzer Plan dadurch hinfällig würde. Von den fortwährenden Intrigen, welche die Königin bei dem englischen Hofe unterhielt, waren sie wohlunterrichtet, sowie von dem Briefe, den mein Bruder dorthin geschrieben hatte. So schmiedeten sie endlich den abscheulichsten all ihrer Pläne, um jegliches Übereinkommen mit dem König von England zu verhindern. Dieser Plan ging dahin, im preußischen Herrscherhaus vollständige Uneinigkeit zu säen und meinen Bruder so weit zu bringen, dass er infolge der Misshandlungen seines Vaters sich zu irgendeinem raschen Schritte hinreißen ließ, wodurch er wie ich ihnen überantwortet würde. Der Graf Fink stand ihnen dabei im Wege. Mein Bruder achtete ihn; und seine Eigenschaft als Hofmeister verlieh ihm eine gewisse Autorität über seinen Zögling, wodurch er ihn abhalten konnte, nachteilige Handlungen zu begehen. Sie stellten also dem König vor, mein Bruder sei jetzt achtzehn Jahre alt und brauche keinen Mentor mehr, und indem man den Grafen Fink verabschiede, würde allen Intrigen der Königin, deren Agent er sei, ein Ende gemacht werden. Dem König leuchtete dies ein. Die beiden Hofmeister wurden also in allen Ehren verabschiedet; sie erhielten beide stattliche Pensionen und nahmen ihre militärischen Stellungen wieder ein. An ihrer statt erhielt jetzt mein Bruder zwei militärische Begleiter. Der eine war der Oberst von Rochow, ein sehr redlicher Mann, doch herzlich unbegabt, der andere der Major von Keyserling, der auch durchaus rechtschaffen, aber leichtsinnig und geschwätzig war, den Schöngeist spielte und weiter nichts als eine umgestürzte Bibliothek war. Mein Bruder konnte sie beide gut leiden, aber Keyserling als der ausschweifendere und jüngere war ihm infolgedessen lieber.

       Dieser geliebte Bruder verbrachte alle seine Nachmittage bei mir; wir lasen, schrieben zusammen und suchten unsern Geist zu bilden. Ich kann nicht verhehlen, dass unser Geschreibe sehr oft satirisch war, wobei der Nächste nicht verschont wurde. Ich erinnere mich, dass die Lektüre von Scarrons humoristischem Roman uns zu einer komischen Anwendung auf die kaiserliche Clique veranlasste. Wir nannten Grumbkow den Ränkeschmied, Seckendorff den Plünderer und den König den Brummer. Gewiss war es strafbar von mir, die Ehrfurcht, die ich dem König schuldete, so zu verletzen; aber ich habe nicht die Absicht, mich selbst zu schonen noch mich zu entschuldigen. Wenn Kinder auch noch so viele Gründe zur Klage wider ihre Eltern haben, so dürfen sie doch nicht die schuldige Achtung vergessen. Ich machte mir seitdem die Fehler meiner Jugend in dieser Hinsicht oft zum Vorwurf, aber die Königin, statt uns zu rügen, ermunterte uns durch ihren Beifall, die schönen Satiren fortzusetzen. Ihre Hofmeisterin Frau von Kamecke blieb darin nicht verschont, obwohl wir große Achtung für die Dame hatten, konnten wir nicht umhin, ihre Lächerlichkeiten wahrzunehmen und sie zu bespötteln. Da sie äußerst dick war, nannten wir sie Madame Bouvillon, eine andere, ihr ähnliche Figur in jenem Roman. Wir trieben mehrmals in ihrer Gegenwart damit Scherz, so dass sie sehr neugierig wurde, wer denn diese Madame Bouvillon, von der so viel die Rede war, sei. Mein Bruder machte ihr weis, es sei die Camera Major der Königin von Spanien. Als eines Tages nach unserer Rückkehr nach Berlin Cercle gehalten wurde und vom spanischen Hofe die Rede war, ließ sie sich gar einfallen, zu bemerken, dass die Camera Majors alle aus der Familie der von Bouvillons seien. Alles lachte ihr ins Gesicht; und ich wusste vor Lachen gar nicht, wie ich mich halten sollte. Sie merkte wohl, dass sie eine Dummheit gesagt hatte, und informierte sich bei ihrer Tochter, die sehr belesen war, was denn damit sei. Diese enthüllte ihr das Geheimnis. Sie wurde sehr böse auf mich, da sie einsah, dass ich nur Possen mit ihr getrieben hatte; und nur mit Mühe konnte ich sie wieder versöhnen. Ein satirischer Charakter ist wenig achtenswert; man gewöhnt sich unmerklich daran und verschont dann weder Freund noch Feind. Nichts ist leichter, als die lächerlichen Seiten des Nächsten herauszufinden. Jeder hat die seinen. Es ist freilich unterhaltend, eine Person, die uns gleichgültig ist, auf geistreiche Weise zu foppen; aber zugleich ist es hart, zu denken, dass es einem selbst vielleicht einmal so ergehen wird. Wie sind wir Menschen doch blind! Wir reiten auf den Fehlern der anderen, während wir der eignen nicht achten. Ich habe mich von diesem Hange gänzlich befreit und verspotte nur noch gerne diejenigen Leute, die einen schlechten Charakter haben und durch ihre böse Zunge verdienen, dass man ihnen Gleiches mit Gleichem vergilt. Aber ich komme zu meinem Gegenstand zurück.

       Da die Ankunft des Markgrafen von Ansbach nahe bevorstand und er die Blattern noch nicht gehabt hatte, hielten es der König und die Königin für ratsam, mich nach Berlin zurückzuschicken. Bevor ich abreiste, ging ich aber zum König. Er empfing mich wie gewöhnlich, das heißt sehr ungnädig, und sagte mir die härtesten Dinge. In ihrer Angst, er könne noch weitergehen, kürzte die Königin meinen Besuch ab und geleitete mich selbst in mein Zimmer zurück. Tags darauf begab ich mich nach Berlin, wo ich die Gräfin Amalie als die Braut des Staatsministers von Viereck antraf. Herr von Wallenrodt, ihr früherer Liebhaber, war gestorben. Es war einige Zeit her, dass man ihr eines Tages diese Nachricht mitteilte, als eben Cercle bel der Königin gehalten wurde. Da sie nicht einmal von seiner Krankheit etwas gehört hatte, machte ihr diese plötzliche Nachricht von seinem Tode einen solchen Eindruck, dass sie angesichts des ganzen Hofes in Ohnmacht fiel, wodurch ihr Verhältnis zu ihm ans Licht kam. Seit dieser Begebenheit hatte sie an Einfluss bei der Königin sehr verloren, und diese war recht froh, sie loszuwerden. Indes trafen der König und die Königin ein paar Tage nach mir in Berlin ein. Die Hochzeit meiner Schwester wurde mit großem Prunk gefeiert; und sie verließ uns vierzehn Tage später.

       Nunmehr trat ich aus meiner Abgeschlossenheit hervor und folgte einige Zeit darauf der Königin nach Wusterhausen. Dort fingen die Streitigkeiten wegen meiner Verheiratung von neuem an. Den ganzen Tag gab es nur Zank und Ärger. Der König ließ meinen Bruder und mich beinahe Hungers sterben. Er verwaltete selbst das Amt des Tranchiermeisters; er servierte allen, nur uns beiden nicht; und wenn zufällig auf der Platte etwas übrigblieb, spie er hinein, um uns das Essen zu verleiden. Wir nährten uns beide nur von Kaffee und gedörrten Kirschen, wodurch mein Magen gänzlich verdorben wurde. Dafür wurde ich mit Schmähworten und Beschimpfungen gespeist, denn es wurden mir den Tag über alle erdenklichen Benennungen zuteil, und noch dazu vor allen Leuten. Der Zorn des Königs ging sogar so weit, dass er meinen Bruder und mich davonjagte und uns streng gebot, nur noch zu den Mahlzeiten vor ihm zu erscheinen. Die Königin schickte heimlich nach uns, während der König auf der Jagd war. Sie hielt dabei nach allen Richtungen Spione