Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen


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Verdruss erspart bliebe.

       Meine eignen Angelegenheiten beunruhigten mich indessen auch zur Genüge, mein Schicksal sollte sich nun entscheiden. Meine Abneigung gegen den Prinzen von Wales wurde durch die Lobreden der Königin nur noch vermehrt. Die Schilderungen, die sie mir von ihm entwarf, waren nicht nach meinem Geschmack. „Er ist gutherzig“, sagte sie, „aber von sehr geringem Verstand, eher hässlich als schön und sogar etwas verwachsen. Sofern Sie sich ihm nur gefällig zeigen und seine Ausschweifungen dulden, werden Sie ihn gänzlich beherrschen und nach dem Tode seines Vaters mehr König sein als er. Bedenken Sie nur, wie groß Ihre Macht sein wird; von Ihnen wird das Wohl und Wehe Europas abhängig sein, und Sie werden die Nation beherrschen.“ Indem sie so zu mir sprach, verkannte die Königin meine wahren Gefühle. Ein Mann wie ihr Neffe hätte ihr zugesagt. Allein die Grundsätze, die ich mir über die Ehe gebildet hatte, wichen sehr von den ihrigen ab. Ich erachtete, dass eine gute Ehe auf gegenseitige Achtung und Rücksicht gegründet sein müsse. Ich wollte, dass sie sich auf gegenseitiger Zuneigung aufbaue, und mein Entgegenkommen wie meine Aufmerksamkeiten sollten nur die Folge davon sein. Nichts fällt uns schwer, wo wir lieben; aber kann man lieben, ohne wieder geliebt zu werden? Die wahre Liebe duldet keine Teilung. Ein Mann, der Mätressen hat, schließt sich an diese an; und in dem Maße verringert sich in ihm die Liebe für die rechtmäßige Gemahlin. Welche Achtung und Rücksicht könnte man einem Manne erzeigen, der sich gänzlich beherrschen lässt und das Wohl seines Landes vernachlässigt, um sich wilden Vergnügungen hinzugeben? Ich wünschte nur einen wirklichen Freund, dem ich mein Herz und mein ganzes Vertrauen zu schenken vermöchte; dem ich Neigung und Zuversicht entgegenbrächte und der mein Glück, wie ich das seine, machen könnte. Ich ahnte wohl, dass der Prinz von Wales sich nicht für mich eignete, da er nicht alle Eigenschaften besaß, die ich forderte. Anderseits entsprach mir der Herzog von Weißenfels noch minder. Von dem großen Missverhältnis zwischen uns abgesehen, war auch der Altersunterschied zu groß, ich zählte neunzehn, er dreiundvierzig Jahre. Sein Gesicht war eher unangenehm als sympathisch; er war klein und schrecklich dick; er war weltgewandt, insgeheim aber brutal und bei alledem von sehr lockeren Sitten. Man stelle sich vor, wie mir im Herzen zumute war! Meine Hofmeisterin wusste darüber Bescheid, und nur ihr konnte ich mich anvertrauen.

      Durch den Hochmut der Königin wurden die Dinge vollends verdorben. Grumbkow hatte mit dem Gelde, das ihm vom Kaiser zugeflossen war, in Berlin ein sehr schönes Haus gekauft. Es war ihm gelungen, dieses auf Kosten aller regierenden Häupter auszustatten. Der verstorbene König von England und die Kaiserin von Russland hatten dazu beigesteuert. Er bat nun die Königin um ihr Bildnis, das, wie er sagte, seinem Hause den größten Glanz verleihen würde. Die Königin versprach es ihm willig. Sie ließ sich gerade um diese Zeit von dem berühmten Pesne malen, und das Porträt war für die Königin von Dänemark bestimmt. Da nur der Kopf desselben fertig war, als sie nach Wusterhausen abreiste, befahl sie dem Maler, eine Kopie herzustellen, weil sie nur Fürstinnen Originale gäbe. Der Minister erschien eines Tages, um der Königin zu danken, und sprach seine Freude aus, ein so vollendetes Werk zu besitzen.

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      Antoine Pesne mit Frau und Tochter

      „Es ist Pesnes Meisterwerk“, fuhr er fort, „man kann sich nichts Ähnlicheres und Gelungeneres denken.“ Die Königin sagte leise zu mir: „Mir scheint, hier liegt das Missverständnis vor, dass man ihm das Original anstatt der Kopie gegeben hat“; und zugleich fragte sie ihn laut. „Da der König“, erwiderte er, „die Gnade hatte, mir sein Bildnis im Original zu schenken, so darf ich wohl füglich das Porträt Eurer Majestät als gleiches Gegenstück besitzen, ich habe es vom Maler abholen lassen, es ist wundervoll.“ „Und mit welchem Recht?“ versetzte die Königin. „Denn ich zeichne keinen Privatmann mit einem Originale aus und gedenke nicht, mit Ihnen eine Ausnahme zu machen.“ Sie wollte ihm bei diesen letzten Worten den Rücken kehren, aber er hielt sie auf und beschwor sie, ihm das Porträt zu überlassen. Sie verweigerte es auf höchst unfreundliche Weise und machte sehr bissige Bemerkungen über ihn, während sie sich zurückzog.

       Sobald der König zur Jagd gegangen war, erzählte sie die Szene dem Grafen Fink. Dieser freute sich, Grumbkow, auf den er persönlich sehr geladen war, einen Streich spielen zu können, und redete der Königin zu, ihm die Unverschämtheit seines Verfahrens heimzuzahlen. Es wurde also beschlossen, alsbald nach ihrer Rückkehr nach Berlin einige Leute ihrer Dienerschaft zu Grumbkow ins Haus zu schicken, um das Porträt zurückzuverlangen und ihm zugleich sagen zu lassen, dass er weder Original noch Kopie erhalten solle, solange er ihr gegenüber sein Benehmen nicht ändere und ihr nicht die Achtung, die man einer Königin schulde, bezeigen lerne. Dieser glückliche Gedanke wurde gleich am nächsten Tage zur Tat. Wir kehrten an diesem Tage in die Stadt zurück; und die Königin schickte sich eiligst an, ihre Befehle zu erteilen, um ja nicht durch Vorstellungen, die ihr gemacht werden könnten, aufgehalten zu werden. Grumbkow, der vielleicht schon durch die Ramen von dem Vorhaben der Königin verständigt worden war, hörte die Ansprache, die ihm der Lakai der Königin hielt, mit ironischer Miene an. „Nehmen Sie das Porträt nur wieder mit“, sagte er, „ich besitze die so vieler andrer großer Fürsten, dass ich mich trösten kann, dieses entbehren zu müssen.“ Doch verfehlte er nicht, den König von der Beleidigung, die ihm zugefügt worden war, in Kenntnis zu setzen, und zwar auf möglichst boshafte Weise; weder er noch seine Familie setzten mehr den Fuß zur Königin. Er äußerte sich in maßloser Weise gegen sie, und seine giftige Zunge war erfinderisch, die Königin ins Lächerliche zu ziehen; wenn er es sich nur damit hätte genügen lassen! Allein er rächte sich durch die Tat, wie wir in der Folge sehen werden. Die Gutgesinnten trachteten, diese Angelegenheit zu schlichten. Grumbkow berief sich beim König auf den Respekt, den er für alles hege, was ihn beträfe, und brachte etwas wie Entschuldigungen bei der Königin vor; diese gab ihm eine höfliche Erwiderung, was scheinbar ihrem Zwist ein Ende machte.

       Da man in England mit der Antwort zögerte, fing die Königin an, sich zu beunruhigen. Sie pflog jeden Tag Unterredungen mit Herrn Dubourgay, die meistens zu nichts führten. Endlich nach vier Wochen liefen die langersehnten Briefe ein. Der eine, der zur Lektüre für den König bestimmt war, hatte folgenden Inhalt: „Der König, mein Gemahl“, schrieb die Königin von England, „ist durchaus geneigt, das Bündnis, das sein verewigter Vater mit Preußen geschlossen hat, noch enger zu gestalten und sich zur Doppelehe seiner Kinder bereit zu erklären; doch kann er keine entscheidende Antwort geben, bevor er das Parlament nicht einberief.“ Dies hieß ausweichen und eine unbestimmte Antwort geben. Der andere Brief war nicht besser: Er enthielt nur Ermahnungen an die Königin, sie möchte doch den Einschüchterungen des Königs betreffs meiner Heirat mit dem Herzog von Weißenfels mutig standhalten; die Partie sei wirklich nicht ernst zu nehmen und könne nur eine Finte des Königs sein. Der an meinen Bruder gerichtete Brief lautete auch nicht anders. Nie hat der Anblick des Medusenhauptes so großen Schrecken eingeflößt, wie ihn nun das Herz der Königin beim Lesen dieser Briefe erfüllte; sie hätte sie am liebsten verheimlicht und sich entschlossen, ein zweites Mal nach England zu schreiben, um günstigere Antwort zu erhalten, wäre sie von Herrn Dubourgay nicht verständigt worden, dass diesem die gleichen, dem König mitzuteilenden Nachrichten zugegangen seien. Die Königin sprach aufs eindringlichste mit dem Gesandten und verhehlte ihm nicht ihre Unzufriedenheit über die Handlungsweise, die der englische Hof ihr gegenüber an den Tag legte; sie trug ihm auf, ihrem Bruder, dem König, zu melden, dass alles verloren sei, wenn er nicht anders verführe.

       Die Ankunft des Königs erfolgte einige Tage später. Kaum war er ins Zimmer getreten, als er sich erkundigte, ob der Brief aus England eingetroffen sei. „Ja“, erwiderte die Königin und erkühnte sich zu der Behauptung: „Er ist nach Wunsch“, und sie reichte ihm den Brief. Der König nahm ihn, las und gab ihn ärgerlich zurück. „Ich sehe wohl“, sagte er, „dass man mich wieder hintergehen will, aber ich lasse mich nicht prellen.“ Damit ging er hinaus und suchte Grumbkow auf, der in seinem Vorzimmer wartete. Er blieb zwei volle Stunden bei ihm und kehrte nach dieser Unterredung mit heiterer, offener Miene zu uns zurück. Er erwähnte die Sache nicht mehr und war mit der Königin sehr freundlich. Sie ließ sich durch seine Zärtlichkeit täuschen und vermeinte, dass alles zum Besten läge. Aber ich traute der Sache nicht. Ich kannte den König, und seine Verstellungskunst weckte größere Besorgnisse in mir als seine Heftigkeit.