Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa


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alles berichten.«

      Im Nu war Tom auf den Beinen, verschwand im Badezimmer, machte sich frisch und schlüpfte in seine Kleider. Sofort eilte er wieder nach draußen, wo Veyron ungeduldig wartete. Gemeinsam verließen sie den Gästepalast und marschierten ohne Umwege zum vereinbarten Treffpunkt.

      Das Treffen fand auf der Klippenterrasse statt. Inmitten des Statuenrings hatten die Elben vier Sessel aufgestellt. Girian, die jetzt ein silbern schimmerndes Kleid und einen dunkelblauen Umhangmantel trug, erwartete sie bereits, ebenso Faeringel mit Prinzessin Iulia. Jeans und Bluse aus Fernwelt hatte sie nun gegen eine ihr sehr viel gewohntere Kleidung getauscht. Sie trug eine zitronengelbe Wolltunika, eine sogenannte Stola, und darüber eine violette Palla, den Damenmantel des Imperiums, dessen Saum mit Pelz besetzt war und den Iulia kunstvoll über den Kopf drapiert hatte, so dass Stirn und Haaransatz frei blieben. Ein silberner Gürtel band die Stola an der Hüfte zusammen und die Füße schützten schneeweiße Lederslipper. Tom wusste nicht, wo die Elben so edle und dem gesellschaftlichen Stand der Prinzessin angemessene, maresische Kleidung aufgetrieben hatten, aber Girian bewies stets aufs Neue, dass sie auf jede Art von Besuch bestens vorbereitet war. Vielleicht hatten die elbischen Schneiderinnen es auch binnen kurzer Zeit einfach angefertigt. Die Gewänder passten der jungen Prinzessin nämlich wie angegossen.

      Neben der schönen Elbenkönigin stand ein älterer, kahlköpfiger Mann, unter dem Kinn ein langer, spitzzulaufender, weißer Bart, unterbrochen von einigen schwarzen Strähnen. Er trug eine dunkelblaue Tunika, darüber einen schneeweißen Kapuzenmantel, am Kragen von einer imposanten, goldenen Brosche zusammengehalten. Ein breiter, goldener Gürtel, mit Edelsteinen besetzt, saß um seine Hüfte. Eine schneeweiße Schwertscheide hing auf der rechten Seite daran, festgemacht mit silbernen Kettchen. Der Griff der langen Waffe war mit Gold beschlagen und veranschaulichte den hohen Status des alten Mannes. Seine hochgewachsene Gestalt, die breiten Schultern und der strenge Blick unter den schwarzen Augenbrauen, ließen einen sofort respektvoll zusammenzucken.

      Taracil, der Großmeister des Zaubererordens der Simanui.

      »Habt Dank für Euer Kommen«, begrüßte Girian alle Anwesenden und bat sie Platz zu nehmen. Veyron und Tom setzten sich links und rechts neben die Prinzessin. So hatte es ihm Veyron erklärt, um deutlich zu machen, auf welcher Seite sie standen. Auch Girian ließ sich in einen Sessel gleiten, nur Taracil blieb stehen.

      »Das also ist Veyron Swift aus Harrow in Fernwelt. Ich habe schon einiges von Euren Abenteuern vernommen. Der Fall mit den Kobolden in Notting Hill, der Troll in Woking und Euer Kampf gegen Vampire von Surrey. Euch ist Elderwelt demnach nicht fremd. Doch weder seid Ihr ein Simanui noch besitzt Ihr die Gabe der Simarell«, sagte Taracil. Er musterte die Besucher mit durchbohrenden Blicken.

      Tom glaubte eine Spur von Abfälligkeit in den dunklen Augen des Zauberers zu erkennen. Er mochte Taracil nicht, ohne genau zu wissen warum.

      »Vielleicht wollen wir uns jetzt anhören, was Prinzessin Iulia zu berichten hat«, schlug Girian mit diplomatischer Freundlichkeit vor.

      Taracil grunzte nur verächtlich.

      »Ich kenne die Geschichte der Nobilissima bereits. Vielleicht erinnert Ihr Euch, dass es zu den Fähigkeiten der Simanui gehört, Gedanken zu erspüren. Ich weiß von den Versteinerungen in Gloria Maresia und dem Aberglauben, die Gorgone Medusa stecke dahinter. Aber ich sage Euch Folgendes: Medusa wurde getötet, der Held Perseus hat ihr den Kopf abgeschlagen, vor weit über dreitausend Jahren! Wir Simanui wissen über solche Dinge bestens Bescheid. Es besteht wahrlich kein Anlass zur Sorge, dieses Monster könnte zurückgekehrt sein, um Rache an der Menschheit zu nehmen. Die Medusa ist tot, ihr kopfloser Leichnam schon längst verrottet. Selbst ihre beiden furchtbaren Schwestern wurden schon seit tausend Jahren nicht mehr gesehen. Die Gorgonen sind Vergangenheit«, ließ er die Anwesenden mit gebieterischer, dunkler Stimme wissen. Mit strengen Blicken wandte er sich an Iulia.

      »Die Furcht Eurer Großmutter, Servilia Ennia, ist unbegründet. Der Glaube, die Gorgone suche die kaiserliche Familie heim, ist haltloser Unsinn, ein Aberglaube, weiter nichts! Ich vermag nicht zu begreifen wie gebildete Frauen, aus allerbestem Haus und höchster Abstammung, nur auf so abstruse Ideen kommen.«

      Tom wollte aufspringen und protestieren. Ein scharfer Blick von Veyron verbot es ihm jedoch.

      »Vielleicht habt Ihr recht, Großmeister Taracil. Sicherlich könnt Ihr mir – in Eurer Allwissenheit – erklären, wie es dann zu diesen Versteinerungsmorden gekommen ist, und warum Schrate und Fenriswölfe die Prinzessin bis fast nach Fernwelt verfolgten. Bestimmt habt Ihr auch eine Antwort darauf wie Consilian in den Besitz eines Gorgonenabbildes kommt, dass dem Orden der Medusa zugeschrieben wird. Wie kann es sein, dass binnen weniger Jahre alle aussichtsreichen Erben auf den Kaiserthron unglücklich versterben oder in den Kerker wandern«, erhob nun Veyron die Stimme. Er klang sachlich und ruhig, doch das hinterlistige Lächeln in seinen Mundwinkeln triefte vor Sarkasmus.

      Taracil fühlte sich offenkundig herausgefordert, denn sofort verfinsterten sich seine Augen.

      »Ich bin es nicht gewohnt, mich rechtfertigen zu müssen, junger Mann! Aber Eure Leistungen im Nemesis-Fall sprechen für sich. Ihr habt dem Orden der Simanui da eine kleine Peinlichkeit erspart. Darum, und nur allein darum, will ich Euch Eure unbedachten Äußerungen nicht krummnehmen und sogar auf Eure Fragen antworten.

      Es gibt eintausend und mehr Methoden eine Versteinerung herbei zu führen. Aber da Ihr kein Simanui seid und die Wissenschaft der Simarell unmöglich studieren könnt, wisst Ihr das womöglich nicht. Ihr wisst dagegen sicherlich, dass die Schrate ein Volk von Räubern und Plünderern sind. Die Grenzen nach Darchorad und anderen Verstecken dieses Volkes, werden nur unzureichend bewacht. Ganze Banden der Schrate ziehen plündernd und brandschatzend durch Allerherrenländer – selbst durch die dünn besiedelten und wenig bewachten Gegenden des Imperium Maresium. Drei einsame Reiter auf verstohlenen Pfaden sind genau die Art von Opfer, denen die Schrate auflauern.

      Was Consilian und den Orden der Medusa betrifft, so kümmert es mich schlichtweg nicht. Der Orden der Medusa scheint mir nur ein Zusammenschluss gemeiner Auftragsmörder zu sein, die sich eines alten Zaubers bedienen, den sie irgendwo aufgeschnappt haben. Consilian könnte mit dem Orden der Medusa unter einer Decke stecken. Aber vielleicht wurde ihm dieses besagte Gorgonensymbol auch nur als Warnung geschickt, oder er hat es als Beweisgegenstand seiner Ermittler erhalten. Warum fragt Ihr ihn nicht einfach selbst, anstatt den Orden der Simanui damit zu behelligen? Wir sind die Wächter des Friedens, nicht die Polizei der Welt! Die internen Scherereien eines Volkes gehen uns nichts an, erst recht nicht eine Familienfehde. Zudem solltet Ihr bedenken, dass bislang nur Freunde und Unterstützer Consilians, Opfer des Ordens der Medusa wurden. Wie wahrscheinlich ist es daher, dass er mit diesem Orden unter einer Decke steckt? Ich sehe hier nichts anderes am Werk, als familiäre Streitigkeiten in der kaiserlichen Familie. Das ist wahrlich keine Aufgabe für die Simanui.

      Vielleicht wollt Ihr Euch darum kümmern, Meister Veyron Swift? Der Orden der Simanui wird es jedenfalls bestimmt nicht tun!«

      Veyron und Taracil starrten sich an, keiner von beiden war geneigt, nachzugeben. Tom konnte die Anspannung förmlich fühlen, die in der Luft lag. Iulia schaute nur in den Boden, das Gesicht voller Scham und Ärger. Tom vermochte nicht zu sagen, auf was oder wen sie zornig war. Sicherlich gefiel es ihr nicht, dass ihr gefährliches Abenteuer als vollkommen sinnloses Unterfangen abqualifiziert wurde.

      »Ich schlage eine andere Theorie vor, Meister Taracil. Consilian betreibt ein dunkles Geschäft im Herzen Maresias. Er steckt mit dem Orden der Medusa unter einer Decke, er hat Iulia und ihre Begleiter von einer Spionin verfolgen lassen und ihr die Schrate auf den Hals gehetzt, um eine Einmischung der Simanui zu verhindern. Es sind dunkle Mächte am Werk, Großmeister, vielleicht sogar im Namen des Dunklen Meisters. Ich kenne einen anderen Simanui, der an Eurer Stelle jetzt durchaus sehr besorgt wäre«, konterte Veyron nach einer Weile.

      Er klang noch immer ganz gelassen, aber Tom kannte seinen Paten inzwischen gut genug um zu wissen, wie sehr es in dessen Innerem tobte. Wenn Veyron etwas richtig verärgerte, dann war es Ignoranz.

      »Ihr braucht mich nicht über die Mitglieder meines eigenen Ordens zu belehren, Swift! Weder Meister Nagamoto noch irgendein