Anna Katharine Green

Engel und Teufel


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ist schrecklich!“ murmelte Mr. Sutherland.

      Wie er so sprach, fühlte er sich wieder am Arm berührt. Er schaute sich um und bemerkte die Gestalt einer jungen Dame.

      Ehe er sie indes anreden konnte, war sie schon zwischen der Menge verschwunden. Es war Miss Page.

      „Der Körper, der aus dem Fenster hängt, zog zuerst die Aufmerksamkeit auf das Haus“, sagte ein Mann, der am Haupteingang des Hauses stand und die Menge zurückhielt.

      „Die Frauen der Matrosen, die heute früh ausfuhren, bemerkten, als sie von der Werft zurückkamen, die Tote und schlugen Alarm. Hätten die sie nicht bemerkt, wüssten wir vielleicht jetzt noch nicht, was passiert ist.“

      „Aber Mrs. Webb?“

      „Treten Sie ein und sehen Sie selbst.“

      Hinter einem Holzzaune, umgeben von einem Gärtchen, lag das kleine Haus, in dem sich das schrecklichste Drama abgespielt, das Sutherlandtown je gesehen.

      In diesem Holzzaune befand sich ein Tor, durch das nunmehr Mr. Sutherland schritt, begleitet von Miss Page, die sich ihm unbemerkt angeschlossen hatte.

      Ein Gartenweg, auf beiden Seiten von Flieder umsäumt, führte zu der, jetzt offen stehenden Türe des kleinen Hauses, aus der ihm Amos Fenton, der Polizist des Städtchens, entgegen trat.

      „Ah, Mr. Sutherland“, sagte er, „ein trauriger Fall, ein sehr trauriger Fall. Doch - wer ist die junge Dame bei Ihnen?“

      „Das ist Miss Page“, entgegnete Mr. Sutherland, sich umschauend und die Stirn in Falten ziehend, „die Nichte meiner Haushälterin. Sie wollte absolut mitkommen. Neugierde natürlich. Gegen meinen Willen.“

      „Miss Page muss unten bleiben. Wir gestatten Niemanden Zutritt - außer Ihnen natürlich“, setzte er respektvoll hinzu, eingedenk der Tatsache, dass in Sutherlandtown nichts ohne Mr. Sutherland unternommen wurde.

      Miss Page, die schön erschien wie die Morgensonne und frisch wie das junge Gras im Gärtchen, warf dem alten Polizisten bittende Blicke zu, die diesen veranlassten, sein stachliges Kinn zu streichen; doch seinen Befehl änderte er nicht.

      Als sie bemerkte, dass er sich nicht erweichen ließ, trat sie, liebenswürdig lächelnd, zur Seite, hinter Büsche, die sie den übrigen Neugierigen verbarg.

      Mr. Sutherland trat ins Haus. Er kam in einen schmalen Gang, aus dessen linker Seite eine offene Tür zu sehen war, während hinten eine Treppe nach oben führte.

      Unter der erwähnten offenen Türe stand ein Mann, der den Angekommenen höflich grüßte. Mr. Sutherland ging still an ihm vorüber und trat in das nächste Zimmer, woselbst an einem, mit Speisen bedeckten Tische, Philemon Webb saß, der Herr des Hauses.

      Erstaunt, seinen alten Freund in diesem Zimmer und in solch auffallender Stellung zu finden, wollte er diesen eben ansprechen, als Mr. Fenton dazwischen trat.

      „Einen Augenblick, bitte! Betrachten Sie den armen Philemon erst näher, ehe Sie ihn stören. Als wir vor etwa einer halben Stunde ins Haus traten, fanden wir ihn ganz in derselben Stellung und, aus begreiflichen Gründen, ließen wir ihn unbelästigt. Beobachten Sie ihn genau, Mr. Sutherland; er wird es nicht merken“

      „Was fehlt ihm? Weshalb lehnt er sich so gegen den Tisch? Ist er auch verwundet?“

      „Nein. Sehen Sie seine Augen an.“

      Mr. Sutherland beugte sich nieder, bog die langen, weißen Locken zurück und rief erregt:

      „Die Augen sind geschlossen! Er ist doch nicht tot?“

      „Nein, er schläft.“

      „Ja. Er schlief, als wir herein kamen und schläft noch. Die Nachbarn wollten ihn aufwecken, doch gab ich das nicht zu. Sein Gehirn würde den plötzlichen Schreck nicht aushalten“

      „Nein, nein! Armer Philemon! Dass er schlafen kann, während sie -. Doch was sollen diese Flaschen hier bedeuten und der gedeckte Tisch, in einem Zimmer, in dem sie sonst nie zu essen pflegten?“

      „Das wissen wir nicht. Wie Sie sehen, wurden die Speisen hier nicht berührt. Er trank ein Glas Portwein, das war alles. In den anderen Gläsern war kein Wein“

      „Stühle für drei und nur einer besetzt“, murmelte Mr. Sutherland.

      „Sonderbar! Sollte er Gäste erwartet haben?“

      "Es scheint so. Ich wusste nicht, dass seine Frau dies erlaubt hat. Sie war immer zu gut gegen ihn und ich fürchte, sie hat diese Güte mit ihrem Leben bezahlt.“

      „Unsinn! Er hat sie nicht getötet! Hätte er sie nicht geradezu abgöttisch verehrt - was er tatsächlich tat - so hätte er doch, selbst in seinen dunkelsten Augen blicken, nie Hand an sie gelegt!“

      „Ich traue keinem Geisteskranken“, entgegnete der andere.

      „Sie haben noch nicht alles gesehen, was merkwürdig ist in diesem Zimmer.“

      Mrs. Sutherland blickte schnell umher. Außer dem Tisch und was darauf stand, konnte er nichts Auffallendes bemerken. Er schaute daher wieder auf Philemon Webb.

      „Ich sehe nichts - außer dem armen Schläfer hier.“

      „Betrachten Sie seinen Ärmel.“

      Schnell beugte sich Mr. Sutherland nieder. Der Arm des alten Mannes lag auf dem Tische; am Ärmel der blauen Jacke konnte man deutliche Flecken sehen, die zwar von Rotwein herstammen konnten, die aber in Wirklichkeit - Blut waren.

      Als. Mr. Sutherland diese Gewissheit erlangt, erblasste er und schaute fragend auf den Mann neben ihm, der ihn aufmerksam betrachtete.

      „Schlimm!“ sagte er. „Noch andere Blutspuren hier unten?“

      „Nein, dies sind die einzigen.“

      „O, Philemon!“ entfuhr es Mr. Sutherland schmerzlich.

      Dann betrachtete er wieder seinen alten Freund und setzte langsam hinzu:

      „Er befand sich offenbar in dem Zimmer, in dem seine Frau getötet ward, doch glaube ich nicht, dass er weiß, was dort geschah, sonst würde er hier nicht so ruhig schlafen. Lassen Sie uns nach oben gehen!“

      Fenton nickte seinem Untergebenen zu, aufzupassen und wandte sich sodann zur Treppe, wohin ihm Mr. Sutherland folgte. Sie gingen direkt durch den oberen Gang nach dem großen Vorderzimmer, das der Schauplatz des Dramas war.

      Ein einfacher Teppich bedeckte den Fußboden, alte, anspruchslose Möbel standen an den Wänden. Auf einem altmodischen Sofa lag die tote Herrin des Hauses.

      Obwohl sie einen gewaltsamen Tod gefunden, ging von ihrer Gestalt und ihren Zügen - beide von seltenem Ebenmaß - eine solche Ruhe aus, dass Mr. Sutherland, der an ihre vornehme Erscheinung und ihre majestätische Würde gewohnt war, erstaunt ausrief:

      „Ermordet?! Sie?! Sie irren, mein Herr! Sehen Sie ihr Gesicht an!“

      Doch da fiel sein Blick auf das Blut, das an ihrem Kleide klebte und er fragte schauernd:

      „Wo ward sie getroffen? Wo ist die Waffe?“

      „Sie ward offenbar getroffen, während sie an diesem Tische stand oder saß“, entgegnete Fenton und deutete auf zwei oder drei Tropfen Blut, die auf der polierten Tischplatte zu sehen waren.

      „Die Waffe konnten wir nicht finden, doch zeigt die Wunde, dass es ein dreischneidiger Dolch gewesen sein muss.“

      „Ein dreischneidiger Dolch?“

      „Jawohl.“

      „Ich wusste nicht, dass ein solcher sich in der Stadt befand. Philemon kann unmöglich einen solchen Dolch gehabt haben.“

      „Scheinbar nicht; doch man kann nie sicher sein. Solch alte Häuser, wie dieses, enthalten oft die merkwürdigsten Artikel.“

      „Ich glaube kaum, dass je ein solcher Dolch in diesem Hause war“, erklärte