verstehen. Napoleon, dem Kaiser Frankreichs, war unsere Unterstützung zu wenig. Er stellt nun unsere Herrschaft in Norditalien in Frage. Misserfolg auf ganzer Linie, würde ich sagen. Das alles weiß ich von Grünne.
Ich muss zusehen, dass ich diesmal einen Sohn bekomme.
15. Mai 1856
Franz ist so in Gedanken, dass er gar keine Zeit für mich hat. Ich bin wohl wirklich nur dazu da, einen Thronfolger zu bekommen. Dabei will ich so viel mehr im Leben, ich will, dass er mir erzählt, was ihn belastet, mit mir über seine Politik diskutiert, mich um Rat fragt, hören will, was ich denke. Ich muss diesmal wirklich einen Sohn bekommen.
15. Juli 1856
Vorgestern, am 12. Juli, habe ich mein zweites Kind zur Welt gebracht.
Wieder nur ein Mädchen!
Ich bin so furchtbar enttäuscht. Mein Franzl war richtig lieb. Er hat versucht, mich aufzuheitern und gemeint, es sei nur deswegen kein Sohn geworden, weil wir den Rat des Rabbiners Alexandersohn aus Pest, während der Entbindung ein hebräisches Gebet an die Tür zu heften, nicht befolgt haben. Da musste sogar ich lachen und mir Tante Sophies Gesicht vorstellen. Der Rat eines Ungarn in Schloss Laxenburg.
Wenigstens ist der alte Drachen diesmal nicht die Patin des Kindes, sondern meine Mama, die aber wieder nicht da ist. Meine Tochter heißt Gisela nach einer bayerischen Prinzessin aus dem 10. Jahrhundert, die ihren ungarischen Ehemann König Stephan I. so erfolgreich zum Christentum bekehrt hat, dass dieser sogar heiliggesprochen wurde. Dass mir der Name nicht besonders gefällt, interessiert niemanden. Mich, die Mutter, haben sie gar nicht einmal gefragt. 4
20. Juli 1856
Gisela hat natürlich ihr Zimmer neben der kleinen Sophie bekommen und ist damit natürlich auch in der Obhut meiner „lieben“ Schwiegermutter. Meine seelische Verfassung und meine „Ausbildung“ zur Kaiserin reichen anscheinend immer noch nicht aus, um eine Erzherzogin zu erziehen. Ich bin also wieder die Bittstellerin, die eine Audienz braucht, um ihre eigenen Kinder zu sehen. Dr. Seeburger ist natürlich Tante Sophie treu ergeben. Ich verstehe ja, dass der Nachwuchs des Kaisers nicht aufwachsen darf wie Bauernkinder und wahrscheinlich nicht einmal wie wir daheim in Possenhofen. Natürlich verpflichtet die Krone und die Kinder brauchen eine gute und strenge Erziehung, aber, wenn sie so klein sind, brauchen sie vor allem ihre Mama und die bin ich.
Sophie sagt unermüdlich, dass sie es nur gut mit mir meint und ich erst mal wieder auf die Füße kommen muss was die Entbindung angeht. Ich glaube ihr nicht. Für die bin ich doch nur ein kleines Dummchen, das als Kaiserin nicht taugt.
Mag sie nur immer wieder sagen. „Elise, trink eine kräftige Hühnerbrühe, damit du Kraft sammeln kannst nach der Entbindung, das hat mir sehr wohl getan. Ich meine es doch nur gut mit dir, Liebes. Du kannst dich schonen und wieder zu Kräften kommst, während ich in der Kinderkammer nach dem Rechten sehe. Ich habe dies in deiner Situation als wohltuend empfunden, da ich mich nach meiner Niederkunft ganz auf mich besinnen konnte.“
Ich glaube ihr nicht, ich hasse sie.
15. August 1856
Franz Joseph muss sich endlich entscheiden und Stellung beziehen. Das kann doch nicht so schwer sein, dieses ewige neutrale Hin und Her hat ihm schon in der Politik sehr geschadet, jetzt droht es, seine Familie zu zerstören.
30. August 1856
Ich habe gewonnen!
Mein Franzl hat sich für mich entschieden und meine Partei ergriffen. Schließlich will ja auch er mehr Zeit alleine mit den Kindern verbringen und dass sie nicht so vor fremden Menschen produziert werden.
Die Kinder werden ab jetzt in der Radetzky – Wohnung untergebracht. Die Räume sind groß, hell und ganz in meiner Nähe. Sophie hat die Kinder nämlich nach Seeburgers Anweisung verzärtelt. Kein Tageslicht, keine frische Luft, keine Temperaturwechsel. Das sind doch Ansichten von vorgestern. Ich habe Franz Joseph natürlich ein wenig erpresst. In drei Tagen fahren wir nach Kärnten und in die Steiermark. Ich habe ihm gesagt, dass er auf mich verzichten muss, wenn er sich gegen mich entscheidet.
Nun ja, er wird nun nicht auf meine Gesellschaft verzichten müssen. Jetzt werde ich meine neue Heimat so richtig kennenlernen, nicht nur Wien und Bad Ischl.
Kapitel 4 – Auf Reisen
03. September 1856
„Ist es nicht wunderschön hier?“ Franz hält meine Hand in der seinen und lächelt mich an. Ich lächle zurück.
„Ja, es ist wunderschön, diese reine Luft, so reine Luft haben wir nicht mal daheim in Bayern. Mein Papa hat immer gesagt: Öffne deine Lungen und fülle sie, bis sie platzen. Spüre das Leben, mein Kind. Atme es ein und genieß es. Lass es auf keinen Fall wieder los. Ich verstehe jetzt, was er damit gemeint hat, lass uns wandern gehen, Franzl“, sage ich und atme tief durch. Jetzt, in diesem Moment, ist die Hofburg, meine Kerkerburg, die mir die Luft zum Atmen nimmt, weit weg, ganz weit weg.
„Ja, das machen wir, die Berge hier in Tirol sind formidabel, fast viertausend Meter sind sie hoch.“
„Sie sehen wunderschön aus, ich habe ganz vergessen, wie schön die Berge sind. Meine Kopfschmerzen sind wie weggeblasen und auch du, lieber Franzl, bist viel weniger angespannt. Du bist wieder der junge Mann, in den ich mich in Bad Ischl verliebt habe. Komm lass uns den Großglockner besteigen.“
Wir küssen uns zärtlich und es fühlt sich wunderbar an. Es ist mir völlig gleichgültig, was meine Hofdamen denken. Die sind nämlich der Meinung, dass eine Frau im Tal wartet, wenn der Mann den Großglockner, den höchsten Berg Österreichs, besteigt.
Pustekuchen. Jetzt müssen sie mit uns hochsteigen. Sonne, frische Luft und körperliche Ertüchtigung haben noch niemandem geschadet.
Wien ist weit für uns beide, die Hofburg ist weit weg, Tante Sophie ist weit weg.
Ach, ist das Leben herrlich! Ich wünschte es könne immer so bleiben und strahle Franz breit an.
04. September 1856
Gestern kam ein böser, rachsüchtiger Brief von Tante Sophie. Franz Joseph hat sich aber fest entschlossen, nicht zu antworten und die Spione und Höflinge zum Teufel zu schicken. Wir sind hier für uns und die Bergbauern lauschen nicht an den Türen.
Wir haben uns die stillen Tage in den Bergen auch redlich verdient. Der offizielle Besuch in der Steiermark und in Kärnten war ein voller Erfolg. Die Menschen sind sehr nett, haben uns mit offenen Armen empfangen und uns zugejubelt. Ich höre diesen einfachen Menschen so gerne zu, ich spüre, wenn sie traurig sind und ich möchte ihnen so gerne helfen.
Die Prügelstrafe ist abgeschafft worden und eine Reihe politischer Gefangener freigekommen. Sehr gut, aber es muss noch mehr passieren. Die Bauernkinder brauchen die gleiche Schulbildung wie die Kinder aus der Stadt. Auch ihnen muss der Zugang zu einer Universität offenstehen.
Die Menschen hier auf dem Land mögen und respektieren mich. Für sie bin ich nicht das dumme Mädchen, das nur Kinder bekommen und zu politischen Themen den Mund halten soll.
Ich glaube auch, dass ich einen gewissen Einfluss