Karl Theodor, unser Gackel, saß höchstselbst am Bocke. Ludwig und Néné werden gar bis Wien mit mir reisen. Der Ludwig mag den Aufwand und die Etikette genauso wenig wie der Papa und ich.
Mama nervt mich, weil sie immer wieder jammert, dass Tante Sophie meine Ausstattung recht armselig findet, weil sie selbst damals 40 Koffer dabeihatte, als sie nach Wien zog und Franzens Vater heiratete. Obwohl sie nicht einmal Kaiserin wurde.
Adieu geliebte Isar!
Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich die Schifffahrt sehr genossen. Ich fahre nämlich gerne Schiff, aber es standen so viele Menschen am Ufer und ich musste immerfort grüßen und lächeln, obwohl mir zum Weinen zumute war.
Das Schiff war überaus prächtig ausgestattet, 140 Pferdestärken in London gefertigt, wie mir der Kapitän freudestrahlend erzählte, meine Kajüte mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die ich mich zurückziehen konnte. Die Rosengirlanden reichten über die Schiffswände bis zum Wasser hinab. Überall bayerische Fahnen, österreichische Fahnen und Habsburger Fahnen, die allesamt einträchtig im Fahrtwind wehten.
In Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs, haben wir am 21. April im Schauspielhaus „die Rosen der Elisabeth“ gesehen und die Stadt war festlich beleuchtet. Der Kaiser, der mich unter Hochrufen der Bevölkerung freudestrahlend in die Arme schloss, verließ Linz am 22. um 4 Uhr 30 früh, um mir voranzueilen und mich in Wien abermals zu empfangen.
Wir legten um 8 Uhr in Linz ab. Was habe ich alles zu sehen bekommen und konnte mich kaum sattsehen, das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, Krems, Tulln, Klosterneuburg, alles feierlich herausgeputzt und schön anzusehen. Überall winkten mir Schulkinder, Bauern, Arbeiter und Frauen und ich winkte so eifrig zurück, dass mir die Hände wehtaten, dabei war ich schon ziemlich erschöpft, ängstlich, nervös und so still, dass meine Mama und meine Geschwister, die einen Teil der Reise mit mir machten, mich aufzuheitern versuchten.
Zu laut dröhnten die Kaiserhymne und vor allem die Böllerschüsse in meinen Ohren!
Bevor wir in Nussdorf bei Wien ankamen, zogen wir uns alle um und ich trug eines meiner kostbarsten Kleider, ein duftiges rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen zierte mein Haupt.
Kanonengewitter und das Glockengeläut aller Wiener Kirchen kündigten meine Ankunft in Nussdorf an. „Vivat, ein Hoch auf Elisabeth, hoch lebe unsere Kaiserin“ riefen die Menschen.
Mein Franzl sprang noch, bevor das Schiff richtig angelegt hatte, vom Ufer auf das Schiff, schloss mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Alle riefen in einem fort ganz laut „Hoch, Elisabeth!“ und ich winkte noch einmal eifrig mit meinem Spitzentuch.
Handkuss für die Tante und Schwiegermutter, Begrüßung der Brüder, Tanten und Onkel, Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken.
Wagenzug nach Wien zum Schloss Schönbrunn in einer Kutsche, die von Lipizzanerschimmeln gezogen wird.
24. April 1854
Heute habe ich geheiratet, in der Augustinerkirche mit 70 Bischöfen und Prälaten. In einem wahren Traum von einem Kleid, ein gold -und silberbesticktes, reich mit Myrten besticktes Schleppkleid. Es sollte eigentlich mein schönster Tag sein, aber ich bin jetzt völlig am Ende, müde und todunglücklich.
Die Predigt war nämlich scheußlich!
Kardinal Rauscher äußerte sich folgendermaßen: „Wenn eine Frau einen Mann liebt, weil er reich ist, so ist sie nicht rein, denn sie liebt nicht den Mann, sondern sein Geld.“
Ist das nicht gemein, Franz Joseph ist der mächtigste Mann der Welt und er hat viel Geld, aber er braucht doch für mich gar kein Kaiser zu sein, ich wäre ohne all das ohnehin sehr viel glücklicher. Übrigens ist Kardinal Rauscher Tante Sophies Beichtvater. Der alte Drachen wollte mir weh tun!
Der restliche Tag war voller Pomp, Gratulationen, Geschenke, Ehrbezeugungen, Huldigungen. Nach der Trauung wurde ich dem Wiener Hof offiziell vorgestellt, für mich kam es einem Tribunal gleich. Ich kannte kaum einen der Leute und fühlte mich einsam und verlassen. Überall nur fremde Gesichter. Als ich inmitten dieser feindlichen Schar zwei meiner Cousinen entdeckt habe, die genau wie ich aus Bayern kommen, war ich richtig glücklich und bin sofort zu ihnen hin und hab sie umarmt. Ganz lang festgehalten habe ich die liebe Adelgunde.
Vergessen war der gestrige Fauxpas, als ich mit der Diamantenkrone, einer prächtigen alten Goldschmiedearbeit mit Smaragden, die mir der Franzl zur Hochzeit geschenkt hatte, beim Aussteigen aus der Kutsche strauchelnd an der Türfassung hängenblieb und Anlass zum Gelächter und Getratsche bot, weil die Krone durch meine Ungeschicklichkeit zu Boden fiel und in aller Eile repariert werden musste. Ein böses Omen!
Vergessen war, dass ich, als ich an meinem ersten Abend in Wien zu Bett ging, ein Schreiben ausgehändigt bekam, das ich studieren sollte, damit bei meiner Hochzeit alles gut ging. Das Zeremoniell für den öffentlichen Einzug Ihrer Königlichen Hoheit, durchlauchtigsten Prinzessin Elisabeth, Herzogin in Bayern. Alleine dieser ganze Hofstaat und das furchtbar steife spanische Hofprotokoll ängstigten mich schon jetzt zu Tode.
„Die Wiener werden begeistert von meiner reizenden Braut sein“, versuchte mich, die ich schreckensbleich die Gräfin Esterházy und meine Mama anstarrte, der Kaiser zu beruhigen.
Vergessen war, dass ich mit einem Portrait von Marie Antoinette in einem Zimmer nächtigen musste, die war zwar recht hübsch, ist aber doch recht eindeutig geköpft worden.
Vergessen war, dass ich gestern schrieb: „Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind an meiner Hand. Und meine Sehnsucht immer stärker – und Freiheit! Du mir abgewandt.“
Ich atme tief durch!
Endlich vertraute Gesichter statt der vielen Fremden, denen ich am 22. April, am Tag meiner strapaziösen Reise, vom Balkon des Schönbrunner Schlosses zuwinken musste und dem Hofgaladiner mit allem Prunk des Kaiserreiches.
Wenn ich an all die Strapazen denke! Den feierlichen Einzug in Wien am folgenden Tag, dem 23. April in der Favorita, dem alten Stadtschloss Maria Theresias, das aber von der kaiserlichen Familie kaum noch verwendet wird. Ich musste dann ziemlich weinen, als ich nachmittags in der gläsernen Kutsche saß, die von acht herrlichen Lipizzanerschimmeln gezogen wurde. Ich war so erschöpft, aber auch Mama, die neben mir saß, sah ängstlich drein, da man bei uns am Hofe schlicht so ein Spektakel nicht gewöhnt ist.
„Hör auf zu weinen, was sollen die Menschen nur von dir denken, du musst lächeln und den Menschen zeigen, wie glücklich du bist, dass du den Kaiser heiratest und Kaiserin wirst“, sagte Mama in einem fort und ich weinte unaufhörlich.
Schluchzend kam ich in der Hofburg, meinem neuen Heim an.
Ich atme noch einmal tief durch und strahle meine Cousinen an.
„Elisabeth, es geziemt sich nicht für eine Kaiserin, bayerische Prinzessinnen zu küssen! Hast du vergessen, dass dir deine Hofdamen die Hand küssen sollen. Es ist gleichgültig, dass Adelgunde deine Cousine ist und du mit ihr als Kind gespielt hast. Sie soll dir wie jede andere Dame die Hand küssen.“
Sophie, einem Racheengel gleich!
Ich gehöre mir nicht mehr selbst, nur der österreichischen Krone, der gehöre ich. Ich wende mich hilfesuchend zu Franz Joseph, darauf hoffend, dieser würde sich auf meine Seite stellen.
„Mama hat recht, Gefühlsregungen darf man nicht so einfach nachgeben. Du bist die erste Dame des Reiches und keine Bauersfrau“, flüstert er mir leise ins Ohr.
Selbst die einfachste