Carina Zinkeisen

Ich wollte nie Kaiserin werden


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der erste ungarische Ministerpräsident Lajos Batthyány hingerichtet. Majlath hat voller Verachtung von diesem Menschen gesprochen, was ich gut nachempfinden kann.

      Ich habe mir jedenfalls ganz fest vorgenommen, mich für Ungarn einzusetzen, wenn ich Kaiserin bin, ganz fest. Schon alleine wegen Herrn Majlath, der ein stolzer Ungar ist und bei mir um Verständnis für die ungarischen Sonderrechte wirbt, was er nicht tun muss. Er erklärt mir die ungarische Verfassung, die von Franz Joseph aufgehoben wurde und unbedingt wieder in Kraft gesetzt werden muss.

      Wir sind übrigens beide der Meinung, dass die zweckmäßigste Regierungsform die Republik sei. Das darf ich natürlich niemanden sagen, das muss unser Geheimnis bleiben, aber das weiß ich noch nicht so recht.

      Allerdings hängt in allen Köpfen noch Frankreich wie eine dunkle Wolke fest. Tante Sophie hat dolle Angst, dass dieses Beispiel Schule macht und wir wie die unglückselige Marie Antoinette und ihr Gemahl geköpft werden, nur, weil Leute glauben, das Ende der Monarchie sei gekommen und sich gegen die heilige Macht des Kaisers auflehnen. Sie glauben nicht, dass die Monarchen von Gott bestimmt sind, ihre Völker zu lenken und, dass sie es alleine besser könnten. Also sag ich lieber nicht, was ich denke oder zu denken glaube.

      Er zeigt mir so schöne ungarische Gedichte, Sagen und Märchen. Ich wäre lieber Königin von Ungarin statt Kaiserin von Österreich.

      „Sisi, leg dein Schreibzeug beiseite. Du musst dich jetzt mit deiner Aussteuer beschäftigen. Die Zeigt drängt. Ich möchte, dass dein Trousseau, deine kaiserliche Aussteuer, in Wien vor Sophies gestrengen Augen besteht. Ich will mich nicht blamieren und du sicher auch nicht.“

      Mama war neben mich getreten und ich räume etwas widerwillig die Schreibsachen beiseite.

      Anproben, wie öde. Ich hasse das ständige Anprobieren und kümmere mich kaum um die vielen, neuen, furchtbar kostbaren Kleider. Ich habe auch keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schickt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut nur über den diamantenen Armreif mit dem Miniaturportrait des Kaisers, das damals gemeinsam mit meinem Bild in Ischl gemalt wurde.

      „Übrigens ist Néné immer noch böse auf mich, Mama“, sage ich „wir reden zwar wieder mit einander, aber nicht über das, was in Bad Ischl passiert ist. Das ist für sie alles ganz furchtbar schlimm. Sie sieht doch, wie ich den Unterricht bekomme, den sie eigentlich bekommen sollte. Wie meine Aussteuer in Kisten gepackt wird, die eigentlich die ihre sein sollte. Mama, ich habe ihr den Mann gestohlen, den sie heiraten sollte und wollte. Wegen mir wird sie nun keine Kaiserin. Ich habe das doch nicht mit Absicht getan. Ich wollte doch nie Kaiserin werden.“

      Meine Mutter sieht mich ernst an. „Es ist passiert, was passiert ist. Kümmere dich bitte jetzt um deine Aussteuer. Alles andere regelt sich.“

       13. September 1853

      Néné und ich saßen an unserem Steg am See und haben über alles geredet. Sie ist mir nicht mehr böse und sie versteht, dass ich Angst habe. Sie hatte ja auch große Angst gehabt und es deswegen vermasselt, wie sie nun unumwunden zugibt.

      „Ich habe es einfach zu sehr gewollt, Sisi und ich glaube, wenn man etwas unbedingt will, dann geht es niemals gut. Du hast es gar nicht gewollt und du hast es bekommen“, sagt sie traurig und ich lege tröstend den Arm um sie.

      „Du wirst gewiss einen guten Mann bekommen. Du bist so schön, klug und gebildet und du spielst so wundervoll Klavier. Beim nächsten Mal stellst du dich einfach entspannter an, bekommst keine Migräne und alles wird gut“, sage ich bestimmt.

      „Nur, dass es beim nächsten Mal keinen Kaiser mehr für mich gibt. So viele Kaiser hat Europa nicht und der Zar von Russland ist mindestens 10 Jahre jünger als ich“, meint Néné schmunzelnd.

      Auch mein Papa hat übrigens Angst, da er sich nun ordentlich benehmen muss und sich nicht wie ein freigeistiger Bürger oder ein Zechbruder bei seinen Artusrunden betragen darf, wenn er nun der Schwiegervater des Kaisers von Österreich wird. Meint zumindest Onkel Max, der König, der meinem Papa regelmäßig wegen seinem Lebenswandel die Leviten liest.

      Hoffentlich hält sich Papa dran, denn ich fürchte, dass ich auch seinetwegen viele Gegner am Wiener Hof haben werde.

       15. Oktober 1853

      Der Franzl ist für ein paar Tage hier. Er hat mit meinen Geschwistern im Garten herumgetollt. Wie ein kleiner Junge, mein Kaiser, der sich hier entspannen kann, mit meinen Brüdern alberne Spiele spielt und ganz und gar die Orientkrise vergisst. Zar Nikolaus ist nämlich in einige Gebiete des türkischen Sultans eingedrungen und möchte, dass der Kaiser ihn unterstützt, weil er ihm 1848 beim Aufstand der Ungarn zur Hilfe gekommen war und geholfen hatte, den Aufstand niederzuschlagen, als die Ungarn sich vom Kaiserreich trennen wollten. Der Kaiser kann sich nicht recht entscheiden, was er machen soll und grübelt viel.

      Wie viel jünger wirkt er jetzt, wie viel unbeschwerter. Und er reitet mit mir über die Felder und Wiesen, auch, wenn es die Tante Sophie sicher nicht gerne sieht, dass ich reite, denn das schickt sich nicht für eine zukünftige Kaiserin, die den Erben gebären soll. Angeblich wurde auch der armen Marie Antoinette von ihrer Mama, der gestrengen Kaiserin Maria Theresia, das Reiten verboten. Dabei ritt sie in Versailles so gerne aus, aber es sei nicht gut für das Becken und würde das Gebären erschweren. Aber es macht solche Freude und der Franzl reitet so gut wie mein Vater.

      Seine Reise nach Possi war allerdings sehr beschwerlich. Über Prag, Dresden, Leipzig und Hof ging es nach München, was etwas mehr als einen Tag dauerte, denn es gibt noch keine Eisenbahnverbindung zwischen München und Wien. Und dann ist er zuerst zu König Max, meinem Onkel, wegen dem Protokoll und ich musste ziemlich lange warten.

      Der Kaiser ist so verliebt in mich, er konnte die Tage kaum erwarten, nach Possi zu reisen, denn er muss immerzu an mich denken und liebt mich jeden Tag ein wenig mehr, wie er auch seiner Mama schreibt. Sisi ist reizender denn je, solche lieben Worte hört man gerne.

      Mit der Zahnpflege will es allerdings nicht recht klappen. So sehr ich auch putze, sehr viel weißer werden sie nicht. Muss ich eben mit geschlossenem Mund lächeln, was ich schon ganz gut kann.

       24. Dezember 1853

      Lange habe ich nicht geschrieben. Bald werde ich den Franzl heiraten und Kaiserin werden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich das überhaupt will.

      Den Franzl heiraten schon, ich habe ich ja auch lieb.

      Aber das mit der Kaiserin?

      Ich muss von so vielem Abschied nehmen, was mir lieb ist.

      Von meinen Eltern, meinen Geschwistern, meiner Heimat, München und vor allem meinem Possi, meinem See, meinen Tieren, meiner Kindheit, ich werde nicht mehr ich selbst sein. Mein Zimmer wird übrigens Marie, meine Lieblingsschwester, bekommen.

      Ich werde in ein anderes Land gehen und weiß nicht, was mich erwarten wird. Ich weiß, ich bin undankbar. Aber ich habe solche Angst vor Wien.

      Leb wohl vertraute Isar, geliebtes Bayernland.

      Franz wird mich gewiss lieben.

      Aber reicht das für uns beide?

      Ich weiß es nicht.

      Ich werde mit dem Kaiser reisen und fremde Länder sehen.

      Aber reicht das auf Dauer?

      Ich bin ja kein Mann wie der Papa, dass ich alleine auf Reisen gehen kann. Ich werde mit einer Kinderschar in Wien festsitzen und der Sophie ausgeliefert sein.

      Vielleicht