wie es das Protokoll will und wehe ich verstoße gegen dieses, dann zürnen sie mir, selbst mein Franzl.
Ich schlucke schwer. Ich fühle mich schrecklich einsam in dieser fremden Welt, in der man keine Gefühle zeigen darf und niemand umarmen darf. Ich habe Kopfweh und mir ist flau im Magen
„Es ist so furchtbar schwer, Franz. Niemand darf mich ansprechen, ich muss von selbst ein Gespräch anfangen, ich weiß nie, was ich sagen soll. Ich bin doch so schrecklich schüchtern. Und dann sehen die Menschen meine schlechten Zähne.“
„Das wirst du lernen müssen. Du musst dir Mühe geben, Sisi, du bist die erste Dame des Reiches. Du musst freundlicher grüßen und dich besser halten. Das hat dir sicher auch die Gräfin Esterházy, deine erste Dame, schon erklärt. Ebenso deine Mama vorhin, als du in Tränen ausgebrochen bist. Und nun lass uns zu Bett gehen, du musst schrecklich müde sein.“
Jetzt sitze ich bei Kerzenschein an meinem Schreibpult und notiere bei Kerzenschein rasch meine Gedanken, weil ich nicht schlafen kann. Franz wollte mit mir verkehren und ich habe ihn gebeten, es auf morgen zu verschieben. Ich bin schrecklich müde und habe Angst, dass es weh tut.
Ich gähne und klappe das Buch zu. Franz liegt schon im Bett und schläft selig. Ich lösche die Kerzen und lege mich zu ihm.
30. April 1854
Tagelanger Kleinkrieg mit Tante Sophie. Sie will jeden Tag mit uns frühstücken, was mir zuwider ist, so wie mir Tante Sophie eben zuwider ist. Schon nach unserer Hochzeitnacht fragten Tante Sophie und Mama uns beim Frühstück aus, ob wir die Ehe vollzogen haben, das war so peinlich! Natürlich meint sie es gut mit mir, aber ich will einfach meine Ruhe haben. Ist das so schwer zu verstehen. Auch, wenn sie mich mag, ich kann sie eben nicht leiden. Außerdem geht sie diese Sache nichts an. Ich will nicht, dass nun jeder weiß, dass der Kaiser seine junge Braut nun endlich entjungfert hat.
Wir haben nämlich erst in der dritten Nacht die Ehe vollzogen und es hat schrecklich weh getan, weil Franz so stürmisch und hitzig war, keuchend und voller Triumph in mich eindrang und mich im Bett zu seinem Eigentum machte. Nicht einmal erschrocken schien er über das viele Blut, das er hinterließ, zu sein.
Jetzt wusste ich, was Mama mit den ehelichen Pflichten meinte und ich konnte diesen nur wenig abgewinnen.
Sie ekeln mich gar an! Ich habe mich erniedrigt und gedemütigt gefühlt, war voller Schmerzen und Pein und musste vor Ekel würgen.
Der Kaiser merkte von all dem nichts!
Alles, was Franz und ich machen, bekommt Tante Sophie heraus, nichts kann man ihr recht machen. Wenn sie im Raum ist, fehlt mir die Luft zum Atmen. Warum kann sie uns nicht einfach in Ruhe lassen. Ich will meinen Mann wenigstens ein paar Momente für mich alleine. Nicht einmal eine Hochzeitsreise will ich. Franz hätte ohnehin keine Zeit. Ich will doch nur, dass er mich liebhat und dass er mich vor ihr beschützt. Er ist ihr Sohn und hat ihr seine Krone zu verdanken, deswegen tut er nichts und sie frühstückt mit uns.
Ich werde mich aber zur Wehr setzen.
Ich bin tief gekränkt, dass ich in der Nacht meine Pflicht tun muss und am Tag nicht einmal allein mit Franz frühstücken darf.
Das habe ich unter Frausein nicht erwartet.
15. Mai 1854
Wir sind ins Schloss Laxenburg umgezogen. Es regnet schon den ganzen Mai über und es sieht nicht so aus, als würde es jemals damit aufhören. Seit gestern habe ich Husten, weil das dämliche Schloss feucht und klamm ist.
Eigentlich wäre es nämlich ein schönes Schloss, viel schöner als die düstere Hofburg, mit romantischen Türmen und Türmchen, etliche Kilometer außerhalb Wiens in einer waldreichen Gegend gelegen mit einem riesigen Park, der mich an den englischen Garten in München erinnert.
Der Kaiser lässt mich aber den ganzen Tag alleine. Ganz früh am Morgen fährt er nach Wien und kommt erst am Abend zurück. Dauernd empfängt er Deputationen aus Niederösterreich, aus Oberösterreich, aus der Steiermark, aus Kärnten, aus der Krain und aus der Bukowina und natürlich aus Ungarn, die zumindest farbenfrohe Uniformen anhaben.
Zu allem Überfluss kommt Tante Sophie jeden Tag zu Besuch, um mich auszuspionieren. Obwohl sie den Sommer eigentlich in Schönbrunn verbringt. Franz sagt, dass sie es nur gut meint und mir Gesellschaft leisten will, aber das glaube ich ihr nicht. Wenn sie es gut mit mir meinen würde, dann würde sie mich nicht auf Schritt und Tritt verfolgen und alles bekritteln, was ich tue. An allem nörgelt sie mit harter Miene herum. Nichts kann ich ihr recht machen. Wenn ich bei den Empfängen dabei bin, soll ich mich aufrecht halten, herzlich lächeln und den Leuten in die Augen schauen.
Néné käme mit ihr sicher blendend zurecht.
Das Einzige, was mich ermuntert, sind meine Tiere, die ich teils aus Possi mitgebracht habe, meine Papageien. Stundenlang könnte ich an ihrem Käfig sitzen und ihnen Namen, gar ganze Sätze, beibringen.
PS: Meine Hofdamen mokieren sich über mein schlechtes Französisch. Mein Vater legte halt Wert auf das Englische, da er England mehr schätzt und den englischen Hof für die Zukunft hält.
18. Mai 1854
Mir dröhnen die Ohren.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen, wie ein Waschmädchen ihrem Galan.“
Nur weil ich Franz in Wien besucht habe, ich habe mich doch immer sofort zurückgezogen, wenn er Besuch hatte, oder, wenn seine Minister da waren. Wie kleine Kinder hat sie uns ausgeschimpft. War sie denn nie jung? Sie will die Kontrolle über uns, aber sie kann uns nichts im Grunde nichts. Ich bin nämlich die Kaiserin und sie nur Erzherzogin. Und ich habe den Kaiser doch so selten bei mir, selbst beim Diner sitzt die Esterházy dabei und bemängelt alles oder ich muss mich mit dem kaiserlichen Flügeladjutanten Hugo von Weckbecker in der Konversation üben. Nicht einmal über die wundervolle Bibliothek in Laxenburg können wir plaudern, denn der Kaiser hält nichts von Romanen und meint diese würden mich wirr machen.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen. In was für eine peinliche Situation du deine erste Dame gebracht hast. Die Gräfin Esterházy war ganz verzweifelt, weil du ihr davongelaufen bist. Und ich höre, dass du immer noch im Schlosspark mit Kreti und Pleti sprichst, dies mag sich in Possenhofen so angehen, wir sind hier aber in Wien. Und wo wir schon dabei sind, du hast dich von deinen Kammerfrauen anzuziehen und nicht geniert zu tun und es geht auch nicht, dass du mit ihnen keine Konversation betreibst. So empfindlich kann man doch gar nicht sein. Ich meine es doch nur gut mit dir, Elise.“
Die Erzherzogin schnaubt wutentbrannt und ich schaue hilfesuchend zum Franz hinüber, der mich nach diesem endlich mal vergnügten Tag ruhig verteidigen könnte, aber er bleibt zu meinem Entsetzen stumm und Sophie spricht weiter.
„Ich kann nicht zulassen, dass du dich so kindisch beträgst und unserem guten Ruf schadest. Von nun an wirst du Laxenburg nur mit der Gräfin Esterházy verlassen. Du wirst ihr auch zuhören, wenn sie dir etwas erklärt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du das nicht machst und somit mit unseren Sitten noch immer nicht so recht vertraut bist. Sie und Baron Weckbecker, des Kaisers Flügeladjutant, unterrichten dich weiterhin in den Gepflogenheiten unseres Hofes. Weckbecker und Lobowotz werden mit dir Konversation üben, da bist du nämlich auch noch recht unbeholfen. Auch ich werde dir jeden Nachmittag zum Tee Gesellschaft leisten. Es wäre gelacht, wenn wir aus dir keine gute Kaiserin machen könnten. Deine Mutter hat da leider recht viel verpasst, sie hat ja auch alles in Helene investiert und dich vernachlässigt. Aber das bekommen wir schon hin, Elise, mach dir keine Sorgen. Und jetzt empfehle ich mich.“