Carina Zinkeisen

Ich wollte nie Kaiserin werden


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18. August 1853

      An des Kaisers Geburtstag goss es in Strömen und ich bin beim Geburtstagsmittagessen an der Tafel neben dem Franz gesessen und die Néné an meinem Platz am Ende der Tafel.

      Irgendwie schien der Kaiser mich netter als Néné zu finden. Er war gehörig eifersüchtig, als der Karl Ludwig gestern nach dem Tee auf der Terrasse mit mir plauderte. Ständig sah er zu uns hinüber, was auch der Nene nicht entging und sie verdrießlich stimmte.

      Heute nach dem Mittagessen sind wir dann im Wagen zum Wolfgangsee ausgefahren, wobei die Néné auf einmal wie ein Wasserfall geredet hat und den ganzen Charme versprühte, den sie die ganzen Tage missen ließ. Wahrscheinlich, um dem Kaiser zu gefallen. Was ihr gestern Abend beim Ball nämlich leider nicht so recht gelang und die Weichen dafür stellte, dass das Unfassbare passieren konnte. Das Unfassbare, auf das ich später noch zurückkommen werde, denn erst mal der Reihe nach.

      Schon gestern Abend sah er nur zu mir ans Ende der Tafel, wo ich mit meiner Gouvernante saß und im Essen herumstocherte. Dabei gab sich die Néné doch solche Mühe, ihn zu zerstreuen. Und sie sah wunderschön aus mit ihrem Kleid aus schwerer Atlasseide, den juwelenbesetzten Kämmen und den Efeuzweigen in ihrem dunklen Haar. Die Kutsche mit der Kleidung war ja mit einer gehörigen Verspätung eingetroffen. Sie sah prachtvoll aus und ich kam mir mit meinem rosafarbenen Musselinkleid mit der altrosa Schleife um meine Taille und den winzigen Puffärmeln wie ein Backfisch vor.

      Und mit wem hat er getanzt?

      Mit mir, statt mit der Néné, die stumm mit den Tränen kämpfend an der Tafel saß. Selbst den Kotillon, als wir zu Mitternacht in seinen Geburtstag hineintanzten, den tanzte er mit mir, so als wolle er sich mit mir verloben statt mit der Néné. Die Ärmste saß ganz aufgelöst wie festgewachsen auf ihrem Stuhl, denn niemand hatte sie aufgefordert und sie sah aus wie ein wunderschönes Mauerblümchen.

      Eine Kaiserin, die keiner will!

      Und ich fühlte mich nur geniert und hatte Angst, den Kotillon zu verderben und hinzufallen.

      Vielleicht will er ja an Nénés Stelle mich?

      Nicht auszudenken!

      „Sisi, die Erzherzogin hat mich gerade besucht und lange mit mir gesprochen. Du weißt, was das bedeutet“, sagt Mama und nimmt meine Hand, die sich auf einmal ganz kalt anfühlt, in die ihre. „Der Kaiser hat sich für dich entschieden, du sollst seine Frau werden.“

      Der Franzl, nein der Kaiser – er will nicht die Néné heiraten, sondern – mich!!! Tante Sophie und der Kaiser haben deshalb bei Mama, weil ja Papa nicht da ist, um meine Hand angehalten.

      Was soll ich machen, ich habe solche Angst.

      Wieso will er ausgerechnet mich heiraten? Ich bin doch so jung, so unbedeutend, nicht besonders hübsch.

      Die arme Néné, sie tut mir so leid, sie wollte doch unbedingt Kaiserin werden. Wie mag sie sich fühlen?

      Ich wollte doch nie Kaiserin werden.

      Nie!!!

      Verwirrt sehe ich Mama und meine Gouvernante an und denke an Tante Sophie, die mir Angst macht, weil sie so streng ist und mich nicht leiden kann. In der Hoffnung, ich hätte mich verhört, aber das habe ich leider nicht. Sie wartet auf eine Antwort von mir, am liebsten würde ich fortlaufen.

      Ich will hier nicht bleiben!

      Ich will ihn nicht heiraten!

      Néné soll ihn heiraten!

      „Ja“, sage ich leise, sehr leise. „Ja, ich will den Kaiser heiraten.“

      Immerhin sieht der Franzl gut aus, groß und schlank und ich habe ihn lieb. Aber ich kann so vieles nicht, nicht richtig tanzen zum Beispiel, hatte nur drei Tanzstunden. Ich seufze und denke an den Ball gestern nach dem Diner, als wir in Franzens Geburtstag hineinfeierten, das Tanzen mit dem Kaiser, der Kotillon, es hat richtig Spaß gemacht und dennoch muss er Mut für uns beide haben. Als er mir sein Bouquet überreicht hatte, fühlte ich mich nur geniert und wurde wieder rot. Und die Néné tat mir irre leid, denn eigentlich hätte der Kaiser mit ihr den Kotillon tanzen sollen.

      Und sie heiraten! Der Kotillon gilt nämlich als Heiratsversprechen.

      Sie sollte Kaiserin werden!

      Nicht ich!

      Bang sehe ich die Mama und die Roedi an. Stolz sieht sie aus, dass sie die zukünftige Kaiserin erzogen hat.

      „Ich habe den Kaiser lieb, wenn er nur kein Kaiser wäre. Wie kann man diesen Mann nicht lieben. Aber wieso denkt er nur an mich, ich bin doch so unbedeutend und die Néné hatte all den Unterricht, um Kaiserin zu werden“, sage ich schluchzend. „Mama, ich will alles tun, um den Kaiser glücklich zu machen und der Tante Sophie das zärtlichste Kind zu sein, selbst, wenn ich so doll Angst vor ihr habe. Ich will dir keine Schande machen.“

      „Dann musst du der Tante Sophie Ja sagen, Elisabeth“, erwidert meine Mutter. „Ich werde sogleich an sie schreiben. Tu du es bitte auch, wir setzen uns gleich hin. Einem Kaiser gibt man nämlich keinen Korb. Und dann geh zu Bett. Das mit der Néné wird sich schon klären. Gewiss findet sich für sie auch ein Mann. Jetzt müssen wir noch dem Papa telegraphieren.“

      Ein Mann, aber, kein Kaiser, den sie sich so gewünscht hat, denke ich. All der Unterricht, all die schönen Kleider, für nichts und wieder nichts!

      Mamas Stimme klingt ziemlich nüchtern und ich atme tief durch. Für sie ist diese Angelegenheit in etwa so, als würde sie überlegen, welches Kleid ich morgen anziehen soll.

      Sie widmet mir die ganze Aufmerksamkeit, die eigentlich Néné gebühren würde, sagt mir zuerst gute Nacht, ich kann förmlich Nénés Tränen spüren, wie scheußlich sie sich fühlt und ich fühle mich plötzlich auch ganz scheußlich.

      „Du kleine Hexe“, formen lautlos ihre bebenden Lippen und sie schluchzt ihr Kissen nass. „Lügnerin, elende Lügnerin, du hast mir den Mann wegegeschnappt“

      Ich kann doch nichts dafür!

      Ich wollte das alles nicht!

      Néné, du musst mir glauben!

      Ich halte den Atem an. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen, für immer verschwinden. Das Lächeln des Kaisers, der strenge Blick, den Tante Sophie auf mir ruhen ließ, den Hohn und den Spott der Hofdamen.

      „Die falsche Braut“, flüsterten sie einander zu und musterten mich missbilligend.

      Dabei wollte ich gar nicht mit, viel lieber wäre ich jetzt daheim in Possi und würde im Wald spazieren gehen, ausreiten und im Starnberger See schwimmen. Ich mache mir nichts aus Karl Ludwig, an den die Mama dachte und an den Kaiser hat niemand von uns so recht geglaubt. Nur für die Néné, die Kaiserin werden sollte, nicht für mich.

       19. August 1853

      Puh, war das ein anstrengender Tag. Ich bin völlig am Ende. Wir mussten schon irre früh aufstehen und es war wahnsinnig heiß.

      Tante Sophie ist schon ganz früh bei uns im Grand Hotel gewesen und hat mich gefragt, ob ich Franzls Frau werden will. Ich habe Ja gesagt. Auch sie meinte natürlich, man gäbe dem Kaiser keinen Korb.

      Der Franzl hat mir glückstrahlend schon vor acht Uhr seine Aufwartung gemacht. Er hat mich vor allen Leuten halbtot geküsst.

      „Willst du meine Frau werden, Sisi“, rief er aus. „Ich habe dich so lieb, dass es mir das Herz abdrückt.“

      „Ich